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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Im Gegenteil, er fühlte sich unbehaglich in seiner Farbenpracht, dich 
er, so schien es, nickt eigentlich aus freien Stücken, sondern aus/ 
Zwang angelegt hatte. Dennoch führte er den ihm erteilten Aus. 
trag mit dem bei uns sprichwörtlich gewordenen Pflichtbewußtsein 
durch. Er stand aufrecht da, wie ein braver Soldat, der sich mtv 
dem Gedanken an den Tod im nächsten TanzlokaL vertraut, gemacht' 
hat. Während er aber ängstlich darauf achtete, daß die Uniform 
nicht verrutsche, begann das Rote Meer ohne äußeren Anlaß Zw 
Zeigen. ZU leuchten. Zu rinnen, und auch die schwarzen Srich^ 
reservate drohten ein Opfer der selbsttätigen Zerstörung M. werden. 
Es war, als weinte der Fasching, und in der bunten Brühe trieben 
steuerlos zwei vorzeitige Aschermittwochsaugen umher. 
Am WiLtenbergplatz stieg er aus. Niemand ülickw ihm nach. 
Einsam opferte er sich dem Vergnügen. 
Die Stimme. - 
Bon.-Durchreisenden ist mir wiederholt vsrsichert wE daß' 
ihnen die vielen'Bettler in Berlin auffielm. Ihre Zahl hat sich, 
auch durch den Zuzug von Erwerbslosen, in der Tat stark ver 
mehrt, und Zwar bevorzugende vor allem den besuchteren Teil des 
Kurfürstendammes, wo sie — ob mit Recht, soll gar nicht aus 
gemacht werden -- besonders wohltätige Passanten vermuten. Wer 
dort täglich vorbeikünunt, lernt bald die einzelnen Bettler unter 
scheiden. Sie haben, ihre Stammplätze, undhdie roten, gelben und 
grünen Sonnen der Lichtreklamen, die den Strom des stets 
wechselnden Publikums beschsmen, spenden auch ihnen ein Stück 
Dauerglanz. 
AngestrahlL von dem Namen omeS-mondE Seebades, irr dem 
es zur Zeit kaum warmer sein dürfte als in Berlin, harrt Abend 
für Abend ein Blinder am Vorgartsnrand, aus dessen Gewalt ich 
' mich immer nur schwer Zu befielen vermag. Dabei hat/er es nicht., 
einmal auf übertriebene Kläglichkeit abgesehen. Er ist in mittleren 
Jahren, tragt eins Art von Schirmmütze und bieteL Streichhölzer 
feil. Ungewöhnlich ist em ihm weder das Bild des Verfalls noch 
die Bitte um Mmosen, sondern'einzig und allein seine Stimme. 
Andere pfeifen , aus dem letzten Loch; diese Stimme sprüht aus 
ihm. 
„Streichhölzer, Streichhölzer... Bitte, helfen Sie.. mir/ > sagt 
der Bettler ohne Unterlaß ins Straßenleben hinein. Wer wie er 
es sagt! In einem Ton, der nicht klagt noch anklagt, der nicht s 
ergreifen will und sich auch nicht im geringsten erhebt — in einem 
völlig unbeteiligten Ton vielmehr, den man gerade darum hören 
muß, weil er sich aus jeder Beziehung .zum Sprecher, und Zu den 
Angesprochenen gelost hat. Ich glaube nicht, daß er vom Bettler " 
herrHrt oder irgendwo , hinziett Es ist, ÄS W dick Stimme 
Begegnungen mit iMMen AMren. 
Berlin, im Febrrmr. 
Berliner Fasching.. / 
' Der Berliner Fasching — ich bin ihm gewissermaßen persönlich 
begegnet, am Sonnabend, genau um Mitternacht. Die Begegnung 
erfolgte in der Untergrundbahn, die sogar ausnahmsweise einmal 
nicht überfüllt paar. Sonst erinnert die Art der Unterbringung in 
diesen Zügen eher an einen MaterialLransM als an die Beförde 
rung von Menschen, aber das Publikum weiß, daß es auch nur 
MenschenmaLerial ist, und findet sich darum mit seinem gedrückten 
Zustand geduldig ab. 
Der Wagen, .in dem ich . führ, war mit gewöhnlichen Zivilisten 
besetzt, die vermutlich an alles andere eher als gerade au den 
Fasching dachten. Es gibt ja heute eine Menge von Dingen, mit 
denen unser Kopf mindestens ebenso vollgestopft wird wie die 
Untergrundbahn: die Mordüberfälle, die Arbeitslosigkeit, und was 
fangen die HiLlerleüts nach ihrem Exodus aus dem Reichstag au? 
..Ein Wirbel erregender Ereignisse, der wie in einem. Zirkus 
vorab erbraust und die Bewerbung-Sarmsan^ Berliner 
Obsrbürgermeisterpost beinahe zu rechtfertigen vermag. > 
Mitten in dem nächtlichen Alltag stand mir gegenüber eine vsr« 
einzelte Faschingsperson. Der junge Mann, der nicht den besseren 
Ständen entstammte, bemühte sich ersichtlich darum, den Karneval 
im feindlichen Ausland würdig Zu vertreten. Er trug Zwar der 
" Kälte wegen, die auch den grundsätzlich chrohsmmgm Menschen nicht 
verschont, einen UeberZieher, aber unter dem Mantel erzeugten 
Tanzschuhe einen leicht Zerknitterten Glanz, und den oberen Ab 
schluß bildete eine giftgrüne Halskrause, der wie einem Rissen- 
kelch die knallige Blüte des Gesichts entquoll. Es war eine einzige 
Röte, die nur durch den künstlichen Schnurrbart und die peinlich 
hingestrichenen Augenbrauen unterbrochen wurde. Wie Spuren 
eines schwarzen Festlandes ragten sie aus dem Roten Meer hervor. 
Vier Stationen weit bin ich mit dem jungen Mann Zusammen 
gefahren. Daß er lustig gewesen wäre, wage ich nicht Zu behaupten. 
lichen — ihr Aufiauchen erhält die Handlung in Gang und 
verleiht ihr den erforderlichen Rhythmus. Während die Masse 
der deutschen Tonfilme den Sinnzusammenhang jeweils aus den 
mehr oder weniger sinnlosen Dialogen, Schlagern usw. gewinnen 
mochte, setzt dieser Film dem falschen Prinzip das richtige ent 
gegen, nach dem sich der Sinnzusammenhang in der Hauptsache aus 
den Beziehungen der optischen Elemente zueinander ergeben muß. 
Besagt ihre Vorherrschaft, daß der Ton abzudanken Wie? 
Keineswegs- Er ist im Tonfilm genau so notwendig wie .das 
Optische, wenn er nur nicht die Führung beansprucht. Auch Tas' 
wird im Karamasoff-Film bewiesen, der ohne die stete Dazwischen- 
kunft der Töne unzulänglich wäre, wie stark immer er visuell, 
bestimmt ist. Ein Satz stellt den Uebergang von einer Montage 
einheit zur anderen her; die musikalischen Anknüpfungen, an die 
Stattonsgeräusche sind nicht 'zu entbehren; die akustische Ueber- 
blendung Meier Gespräche, deren eines hinter einer Tür von 
statten geht, ergänzt den gezeigten BildmrGchniLL; die Steigerun 
gen des Bacchanals im Zigeunerhaus wären ohne die Tonmalerei 
nicht möglich. Gewiß stützt sich der Film nicht auf die Musik und 
- die Dialoge; aber das tönende Element ist ihm doch 
wesentlich und mehr als nur Zutat. Wie ein Stahlskelettbau 
auf bis Mauerfüllungen angewiesen ist, so bedarf der echte Ton« 
film der Geräusche und Worte, um sich zu schließen. 
Nach alledem versteht sich beinahe von selber, daß sich die Bild-. 
Montage ungehindert entfalten kann. Frei wie in den guten 
Zeiten des stummen Films werden die Bilder Miteinander asso« 
ziiert, und aus ihrem Fluh erstehen die wesentlichen Bedeutung 
gen« Mag O-G die Zeichensprache der Landschaft zu sehr belasten- 
und die herrliche Zi-geunersrgie über Gebühr dehnen — nicht jede 
Breite ist epische Breite er verfügt doch meisterlich Wer die 
Syntax der sichtbaren Weltbestandteile. Statt kunstgewerblicher 
Arrangements gibt er beredte Konstellationen; statt nichtiger Aus 
schnitte vielsagende optische Daten (ich denke etwa an den Blick 
auf die Tafel des alten Karamasoff). Und auch die Einmontierung 
des Tons ist von ihm in Gemeinschaft mit Rathaus treffsicher an 
gepackt worden. In dieser Hinsicht stehen wir allerdings erst am 
Beginn. 
Ksrtner als Karamasoff: da fehlt kein I-Lüpfeichen, Wer 
vieleicht Verwiegt um eine Spur zu viel das Raisonnement. Seine 
Partnerin ist Anna SLen, eine Vampfassade, die wunderbar Zu- 
sammenbricht, und unverbrauchte Liebe strahlt frei nach außen. 
Fritz. Rasp und Max Hohl stehen durch ihre Kunst der Charak 
terisierung den. Hauptspielern ebenbürtig zur. Seite. 
Nichts Ware unerfreulicher, als wenn der Kamnmsoff-FTm 
den Anstoß zu einer Serie inhaltlich verwandter Filme gäbe. Schon 
meldet die. Terra, wie ich . zu. meinem Schrecken erfahre, nach dem 
Erfolg dieses Werts einen zweiten Dostojewski-Film an. Als ob 
der-Erfolg dem Stuf zuKuschreiben wäre und nicht dem filmischen 
Gehalt! Gerade die StoffwaU des Films ist keineswegs Vorbilds 
hast, und ich weine, daß . sich in der heutigen Zeit wahrhaftig genug 
Themen finden lassen, die uns mehr betreffen als das Schicksal 
Karamasoffs. Was allein studiert und nachgecHmt werden sollte ist 
der Versuch zur richtigen GeMLung eines ernsthaften Tonfilms. 
S. Kramueck
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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