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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Kutokutt. 
Berlin, im Februar. 
Wenn ich es noch nicht gewußt hätte, so märe ich jetzt, nach dem 
Besuch der Internationalen Auto-Schau am Kaiser 
damm, endgültig davon überzeugt: daß das Auto einer der wenigen 
Gegenstände ist, die heute allgemeine Verehrung genießen. Ich 
kenne kaum ein anderes Objekt, das so in der Volksgunst steht. 
TaxiMufseure und Herrenfahrer, junge Burschen proletarischen 
Aussehens und Schupomannschaftsn, elegante Schnösels und 
Motorradanwärter: sie alle, die sich sonst gar nicht miteinander 
verLmaen, pilgern gemeinschaftlich durch die Hallen und verrichten 
ihre ndackt or Kühlern, Zündungen und Carofferien. Es ist, als 
seien angesichts des Fertigprodukts die sozialen Klassenunterschiede 
aufgehoben, die, nach der trefflichen Reportage Jlja Ehrenburgs 
zu schließen, Lei seiner Fabrikation eine beträchtliche Rolle spielen. 
Eine Wallfahrt wie die Zu Lourdes, die sich langsam von Station 
M Station bewegt und immer neue Offenbarungen erlebt. Ver 
mutlich werden viele die Ausstellung in erleuchtetem Zustand ver 
lassen. 
Auf ihn vorbereitet sind jedenfalls die meisten Besucher. Noch 
niemals bin ich in eine Menge verschlagen worden, die soviel von 
den Dingen verstünde, um derentwillen sie sich angeschart hat. Mag 
man in Volksversammlungen ihr alles mögliche ausschwatzen 
Wunen: hier laßt sie sich nicht betrügen, hier dringt sie bis ins 
Innere der Motoren vor. Sie besteht überhaupt nur aus Fach 
männern, und ich bin sicher der einzige, der an der Oberfläche haften 
bleibt und den schönen Schein mir dem Wesen verwechselt. Das 
Wesen der Vorderräder, Kutbelungen und schweren Transport 
wagen — die andern erforschen es, nchmen es sachkundig unter 
die Lupe und Wen Kritik. Vom Mann in der Windjacke an bis 
zum hohen General geben sie sich seinem Studium hin, eine moderne 
Scholastik, die jeder gleich eifrig betreibt. Der General trägt einen 
blitzenden Stern am Hals und wird von mehreren Adjutanten 
gefolgt, die gewissermaßen Mischen ihm und den Autokonstruk- 
iionen vermitteln. 
Vor den billigen Volkswagen staut sich die Menschenmenge be 
sonders dicht. Sie erwecken die Begehrlichkeit und werden mit 
einem Wohlgefallen angestaunt, das keineswegs Interesses ist. 
Man erklärt sich gegenseitig ihre Bestandteile, zwängt sich w sie 
hinein und findet sie so komfortabel, als hatte man sie bereits 
erworben. Wenn mittlerweile die Wirtschaftskrise behoben sein 
sollte, prangen vielleicht manche von ihnen beim nächsten Weih- 
nachtsfest auf dem Gabentisch. In der nächsten Nachbarschaft dieser 
Liliputgeschöpfe haben sich wahre Riesenungetüme von Wagen 
angesiedelt, alles bunt durcheinander, auch die Reiche kommen auf 
ihre Kosten. Durch die Anordnung der Modelle wird zum mindesten 
dem Wissensdurst Genüge getan. Mitunter ist das Gehäuse ab 
montiert, und der technische Restbestand dreht sich oberhalb einer 
Spiegelunterlage gemächlich um sich selber wie ein Mannequin. 
Oder ein Wagen ist einfach in der Mitte seiner ganzen Länge nach 
halbiert und wirkt nun wie ein Präparat in der Anatomie. Von 
den Bilanzen und Fabrikationsgeheimnissen abgesehen, zeigen sich 
alle Eingeweide im vollen Lichte der Öffentlichkeit, und noch das 
geringste Schräubchen strebt danach, möglichst -volkstümlich zu 
werden. 
Habe ich auch von dieser durchscheinenden Innenwelt nicht eben 
viel begriffen, so sind mir doch einige Spezialitäten ausgefallen, die 
selbst dem Laien ettvas bedeuten. Unter ihnen verdient ein Wagen 
erwähnt Zu werden, dessen vier Sitze sich zu Zwei Schlafgelegen 
heiten zusammenklappen lassen. Ein Bekannter erzählte mir kürzlich 
von einer nächtlichen Autopartis ins Bois: wie sie ein Reh vor 
den Scheinwerfern austauchen sahen und wie romantisch überhaupt 
die Waldeinsamkeit war. In Zukunft wetden es die Romantiker 
weit bequemer haben und mit dem Genuß des Waldes auch noch 
den der Ruhestätte verbinden können. Und dann das fahrbare 
Woch-enendhäuschen, das sich an jeden Wagen anhängen läßt, vor 
ausgesetzt, daß man ihn besitzt. In dieser kleinsten Hütte fft nicht 
nur Raum für e i n glücklich liebend Paar nein, sogar ein zweites 
findet im Notfall Platz darin. Nur Sinclair Lewis vermöchte das 
Raffinement der Einrichtung gebührend zu würdigen: die aus- 
klappbaken Zeltteile, den Spirituskocher, den versenkbaren Boden 
und den ganzen Hausrat, der in dem Kasten steckt, obwohl er eigent 
lich nicht in ihn hineingeht. Es muß schön sein., so genau nach 
Zentimetern abgemessen zu nächtigen und dann einmal wieder in 
einem richtigen Hotelzimmer zu schlafen. 
Wer nach einem Kinobesuch ins Freie tritt, glaubt unwill 
kürlich, daß der Film sich draußen fortsetze und das ganze Getriebe 
künstlich sei. So mag es manchen beim Verlassen der Hallen ergehen. 
Die Straßen vor der Ausstellung find mit Autos vollgestopft, und 
alle diese Geb-muchsinsttumente gebärden sich jetzt so, als seien sie 
pure Schauobjekte und parkten nur, um betrachtet Zu werden. Kaum 
wage ich in ein Taxi einzusteigen. Vielleicht zeigt es plötzlich seine 
Kugellager oder zerlegt sich selbsttätig in zwei Hälften. 
S. Krakauer
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

Hinweis zum Volltext

Die OCR-Ergebnisse sind experimentell.

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