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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

ziehen müssen. Es lebe Wallace! 
8. Lraeu, uyr. 
Zum Unterschied von den Stellenangeboten vor mehreren Jahren 
enthalten die Heutigen kaum noch eine Vorschrift über die Alters» 
O 
Außec dieser Verschiebung des Akzents von der Produktion 
auf die Distribution ergibt sich beinahe von selber, daß gerade jene 
Kategorien von Arbeitskräften auf Lager bleiben, die in den 
Zeiten der überstürzten Betriebsrationalisierung besonders erfragt 
waren. Um von den Arbeitern ganz abZuschen; em Teil des 
damals großgezüchttten Büropersonals, das man mehr und mehr 
zur Serienware Zu mechanisieren suchte, kann heute vermodcrn. 
Dafür sind jetzt die individuelleren Kräfte Trumpf, die das Pro 
dukt an den Mann Zu bringen verstehen Tr^ 
insoweit, als die beschränkte Warenzirkulation überhaupt noch 
Stellenangebote hervorruft. Man könnte froh darüber sein, daß 
der Zwäng Zur intensiven Bearbeitung des PubMumackerZ sozu 
sagen wieder Persönlichkeiten entbindet, handelte es sich 
hei ihnen auch nur wirklich um solche. Aber in Wahrheit be 
zeichnet der früher gebräuchliche Aufdruck Verkaufskanone ihre 
Tätigkeit genauer als der Ausdruck Persönlichkeit. Was dieses 
Wort besagt, geht aus einem Stellengesuch hervor, in dem ein Be 
werber erklärt, daß er mehrere Sprachen beherrsche, Auslands 
erfahrungen, Vermögen, nützliche Kenntnisse und Allgemeinwissen 
besitze, ferner gediegen, zuverlässig, konzilianten Wesens, „mit 
einem Worte, eine PrrsönlichkeiL" sei. Danach hatten Proletarier 
wenig Aussicht, eine zu werden. Natürlich dermenden die Stellen 
angebote den Begriff Persönlichkeit nicht so oft wie die Stellen« 
gesuche, weil seine freiwillige AneBennung Zu .große Erwartungen 
hinsichtlich des Gehalts in den Bewerbern erweckte. Dennoch 
kommt er hie und da einmal vor, und zwar gewöhnlich in Der« 
bmdung mit Adjektiven wie „erfolgreich" und „repräsenL^ 
Immerhin mögen die Tugenden, die gegenwärtig hoch im Kurs 
stehen, auch nicht gerade die Tugenden der echten Persönlichkeit 
sein, ss ist doch die sonderbare Tatsache zu vermerken, daß der 
Mensch, insofern er ein bloßer Markenartikel ist, dank der Krise 
einstweilen Lusgespielt hat. Leider Zu ftinem Nachteil. 
Jedenfalls überwlegen Inserate, die Vertreter begehren. Sie 
werden gesucht für den Vertrieb von Wäsche beiderlei Geschlechts, 
von Silberbarren, die als Vermögensanlage dienen können, von 
Radio- und Friseurartikeln, von einer Autopolitur und einem 
Wochenblatt, von Metällwaren, Bcleuchtungskörp^ Kurzwaren, 
üllerlet Markenartikeln, Ewigen Streichhölzern und Stoffen, Die 
Vertreter müssen die Waren durch die feinsten Kanäle bis zum 
Kunden vortreiben, und oft ist sogar ausdrücklich bemerkt, daß auf 
den Besuch von privater Kundschaft, Hotels, Restaurants und 
Mittagstischen Wert gelegt wich. Daneben sind zahlreiche Posten 
für Verkäufer und Reisende (besonders aus der Ksnfettions- und 
Schuhbranche) ausgeschrieben. Die Besetzung dieser Stellen kommt 
natürlich gleichfalls der restlosen Erfassung aller Kunden zugute. 
Der Intensivierung der Käuferwerbung dient ersichtlich auch 
die ausfällige Nachfrage nach einem anderen Metier. Ich meine das 
des Dekorateurs. Fenster- und Ladendekorateure werden von 
Kaufhäusern, Warenhäusern und Einheitspreisgeschäften immer 
wieder gesucht. Verlangt ist, daß ste eigene Ideen haben und die 
betreffenden Waren „geschmackvoll und zugkräftig" zur Schau 
stellen können Durch alle Mittel sinnlicher Verführungskunst sollen 
die Passanten Zu Konsumenten, die Unschlüssigen zu Tatmenschen 
umgeformt werden. 
In den höheren Sphären, die für die Waffen nie in Betracht 
kommen, hat das Angebot selbstverständlich nicht ganz aufgehört. 
Manchmal ist eine Direktionsstelle ausgeschrieben,... und immer 
wieder.' wM«-- Chefs. unterstützt werden. Und für die Höhen wie 
für die Niederungen gilt dies: daß ein gewisser Bedarf an 
Spezralisten. stets vorliegt. Oben benötigt man etwa öfters 
juristisch gebildete Kräfte der SteuMng^ 
heiten und für das Mahn<M und Beitreibungswesen cder 
auch VergleiK-Spezialistem Diese Sonderberuse sind die Früchte 
der Wirtschaftskrise und fallen nicht weit vom Stamm der Not 
verordnungen. Auch bilanzsichere Buchhalter und Bürochefs haben 
gelegentlich Was weiter unterhalb liegt, kann aller ¬ 
dings augenblicklich nur durch ein Wunder gerettet werden. Zum 
Glück geschichd-es wie durch ein Wunder bisweilen, daß ein" sprach 
kundiger Korrespondent oder eine perfekte Stenotypistin die An 
wartschaft auf eine Stellung in irgendeiner Spezialbranche er 
halten. Für manche Mädchen sorgt , sogar die Natur. Sie brauchen 
gar keine hervorragenden Kenntnisse zu haben, sondern nur Putten- 
größe oder Hüfte 96. Dann können sie Mannequins werden und 
dabei blühen, wie die Lilien auf dem Felds.- ? 
Mit Edgar Waklare, der im Alter von 56 Jahren in 
Hollywood gestorben ist, geht einer der populärsten Schriftsteller 
der Welt dahin. In allen Ländern und Eisenbahnzügen wurden 
seine Romane gelesen, in vielen Theatern seine Stücke gespielt. 
Man wußte, daß er Unsummen verdiente, und erzählte sich Schauer 
geschichten. die ihm selber Ehre gemacht hätten, über seine unheim» 
liche Produktivität. Wenn ich zum Beispiel in meiner Leihbiblio 
thek den Mangel an Detektivromanen beklagte, wurde ich regelmäßig 
mit dem Hinweis aus einen neuen Wallace getröstet. Und dann kam 
wirklich eines Tages wieder ein Band, aus dessen Umschlag links 
unten eine endlose Zigarettenspitze prangte, die seinem Gcsicht ent 
fuhr. Er sah gewitzt und ein wenig grobschlächtig aus und war 
berühmt wie Odol. 
Ungefähr 150 Romane soll er geschrieben haben; um von den 
anderen Sachen, den Dramatisierungen und Verfilmungen, zu 
schweren. Eigentlich war er also kein Schriftsteller, sondern ein 
Großunternehmen, das Bücher am laufenden Band produzierte. 
(Außerdem nannte er noch einen Rennstall sein eigen.) Daß er 
bei solchen Arbeitsmethoden Typenfabrikate herstellen mußte, ließ 
sich schlechterdings nicht vermeiden. Eines von ihnen war seine 
Afrika-Romanserie, in der ein Amtmann Sanders und ein 
Leutnant Bones die Hauptrollen spielen. Diese spannenden Ge 
schichten, die zuletzt den englischen Imperialismus verherrlichen, 
schmecken wie blutiges Roastbeef, enthalten ein kräftiges Lokalkolo 
rit und erinnern von fern an Kipling. 
Bekannter geworden sind die Detektivromane, die in ihrer Mehr 
zahl ebenfalls aus typischen Motiven und Elementen bestehen De 
Konstruktionselemente werden etwas anders zusammengesetzt, und 
sofort ändert sich der Titel des Buchs. Das soll kein Vorwurs sein; 
Denn bei gut eingeführten Massenartikeln wäre ein ständiger Äechsel 
der Schablonen geradezu eine Fehlspekulatiom Zu den immer 
wiederkehrenden Zügen gehört unter anderem die Beziehung zwi 
schen dem Detektiv und . einem Mädchen. Das Mädchen taucht ge 
wöhnlich unter verdächtigen Umständen in einem üblen Milieu auf, 
aber der Detektiv entlarvt seine Unschuld und heiratet es dann 
Zarte Liebe erblüh! in Mordhäusern, und den Schurken ereilt das 
gerechte Geschick. Auch Verbrechcrbanden hat Wallace schon früh 
rasch Zusammengezimmert und am Schluß in alle Winde zerstreut. 
In Scotland Aard muß er wie zu Hause gewesen sein. 
Obwohl er für die Todesstrafe und die Prügelstrafe eingetreten 
ist, verrät die aus seinem Betrieb hervorgegangene Unterhaltung 
stellenweise doch eine Art yön sozialem Gewissen. Ich denke an das 
Romanschema: „Die drei Gerechten", das später verschiedentlich 
angewandt worden ist Die Helden dieser Serie sind Männer, dereü 
Ehrgeiz es ist, einen längeren Arm zu haben als das Gesetz Sie 
züchtigen, auf skrupellose Weise allerdings, Verbrecher, die ihrer 
Strafe entgangen sind, und machen es ihnen unmöglich, sich länger 
ihres Reichtums und ihrer Würden zu erfreuen. Auch m hen erst 
jüngst erschienenen Bänden: „Der Brigant" und „Der Preller" 
hetzt Wallace reichgewordenen Gaunern Racheengel auf die Fersen. 
Entlassene und verarmte Offiziere erblicken ihre Aufgabe darin- 
das Amt der Justiz auf eigene Faust auszuüben und den Satz 
zu bewahrheiten, daß unrecht Gut nicht gedeihe. Indem sie aber die 
Erpresser erpressen, erzielen sie so hohe Einnahmen, daß ihnen der 
moralische Gewinn leider unter den Händen entgleitet. 
Wallace ist tot, und viele werden fortan unverrichteter Dinge 
aus den Leihbibliotheken und den Bahnhofsbuchhandlungen ab- 
grenze. Wenn es auch manchmal heißt, daß ein Vollkaufmann 
s .oeren ranceunger eruer s gesuc wr,so 
tritt doch die Sehnsucht nach der Jugend im allgemeinen spürbar 
zurück. Man ist abgestumpft gegen die Reize jugendlicher Unschuld, 
man verlangt nicht einmal selten Herren mittleren Alters. Viel 
leicht folgt die GleLchgültigkeit gegen das blühende L der 
Erkenntnis, daß einige Erfahrung dazu gehört, um die Waren auf 
so und so vielen schwierigen Wegen und Umwegen Zum Kunden 
zu transportieren. Der Distributions^ erfordert Persönlich 
keiten, und Persönlichkeiten müssen über eine gewisse Reife ver 
fügen. Noch inniger hängt allerdings vermutlich die Vernach 
lässigung des Alters mit der des T a r ifrechts zusammen, das 
faktisch wo nicht ganz, so doch teilweise Eer Kraft zu treten 
beginnt. Es ist nur in Ordnung, daß sich auch diese Veränderung 
in den Stellenangeboten deutlich ausprägt.
	        

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