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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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den 
en denno 
HochschullehrerB. 
Weltbund für Freundschastsarbelt der Kirchen. In einer 
Versammlung der hiesigen Ortsgruppe des Weltbunds für Freund- 
schastsarbeit der Kirchen sprach dieser Tage Dr. Siegmund 
Schultze (Berlin) über das Thema: „Was haben die Kirchen 
für den Frieden getan?" Im Vergleich mit der katholischen Kirche, 
die ebenso wie die über alle Länder verbreiteten methodistischen und 
baptistischen Kirchen doch letztlich stets im Sinne christlicher Tradi 
tion für den Frieden gewirkt hat, sind die evangelischen Landeskir 
chen in der Segnung der Kriege oft recht weit gegangen. Erst in 
den letzten Jahrzehnten hat auch bei ihnen eine große Bewegung 
für den Frieden eingesetzt, die, weil aus dem christlichen Bruder- 
schastsgedanken geboren, mit der demokratisch-pazifistischen Be 
wegung nur wenig gemein hat, wenn sie in ihr auch einen Bundes 
genossen erblickt. Der Redner gedachte kurz der verschiedenen Be 
strebungen, die der Gründung des Weltbunds zu Konstanz in den 
ersten Lagen des Weltkriegs vorangingen, vor allem der Zusammen 
kunft im Haag 1907, an die sich BesuchsauLLausche deutscher und 
englischer Geistlicher anschlossen. Während des Kriegs haben die 
Mitglieder des Weltbunds durch die Tat bewiesen, welch tiefes 
Bruderschaftsbewußtsein ihnen innewohnt. In England und in 
. Deutschland wurden, zunächst unabhängig voneinander, Stellen für 
Ausländerfürsorge gegründet, die eine segensreiche Tätigkeit ent 
falteten. Auch in der Gefangenenfürsorge ist, zumal von den Eng 
ländern, viel geleistet worden, und dieses Liebeswerk, das die schwe 
dischen, dänischen, schweizer Kirchen weiter ausbauten, trägt jetzt, 
nach dem Kriege, noch seine Früchte. Die Versuche, die von ein 
flußreichen englischen Anhängern des Weltbunds im Kriege zur 
Anbahnung des Friedens eingeleitet wurden, scheiterten an der 
Haltung der Regierungen. Als dann das deutsche Heer zusammen- 
brach und der Waffenstillstand abgeschlossen werden mußte, konnte 
vom Weltbund nur noch wenig geschehen. Immerhin hat man es 
dem Eintreten der Erzbischöfe von Upsala und Canterbury zu 
danken, daß in den Friedensvertrag der Paragraph hineingekommen 
ist, der den Schutz der religiösen Minderheiten Vor 
sicht. Nach dem Krieg ist der Weltbund als die erste internationale 
Gruppe zusammmgetreten und hat seine Arbeiten wieder ausge 
nommen. Zur Herbeiführung eines wahren Friedens hält es der 
Redner für erforderlich, daß Deutschland sich zwar zu seinem Teil 
der Schuld bekennt, aber doch nicht die alleinige Schuld auf sich 
lädt, wogegen sich schon unser Wahrheitsgefühl empören würde. 
Da die soziale und die internationale Frage aufs engste Zusammen 
hängen, wird ferner die Christenheit in sozialem Sinne wirken 
müssen und den Neuaufbau der Gesellschaft als gemeinsame Auf 
gabe der Kirchen anzusehen haben. 
«Armut und Würde. Auf Einladung der Frauengruppe de 
Demokratischen Vereins sprach gestern abend Frau Elly Heuß - 
(derlin) über das Thema „Armut und Würde im neum 
^rMManv"« Die Rednerin suchte im großen und ganzen die Ge^ 
danken und Leitsätze zu entwickeln, deren Verbreitung und Be 
wahrung sich der Bund d-er Erneuerung wirtschaftlicher Sitte und 
Verantwortung zum Ziel gesteckt hat. Unsere Aufgabe ist es heute 
vor allem, einer neuen Wirtschaftsethik in Deutschland den 
Boden zu bereiten, denn eine Besserung unserer Wirtschaft hängt 
aujs engste mit der Hebung der allgemeinen Moral zusammen. Um 
dieses Ziel zu erreichen, kommt es zunächst darauf an, daß das 
deutsche Volk sich seiner Armut voll bewußt wird und mit Tra 
ditionen bricht, die, noch aus der Zeit des Wohlstands stammend, 
jetzt ihre Daseinsberechtigung verloren haben. Der Bund der Er- 
neuemng setzt sich demgemäß für eins unserer wirklichen Lage 
mtsprechende Lebenshaltung ein und sucht dadurch den sinkenden 
Volksschichten einen Halt zu gewähren. Ferner dürfen wir unsere 
Armut nicht willkürlich vergrößern, wie es ja leider durch die 
massenhafte Einfuhr von Luxuswaren und überflüssigen Genuß 
mitteln noch immer geschieht. Einfuhrverbote der Regierung helfen 
heute, wo die staatliche Autorität untergraben ist, nicht das ge 
ringste, auch eine Lahmlegung des Schmuggels wird sich auf be 
hördlichem Wege nicht herbsisühren lassen. Erst wenn die Allge 
meinheit in richtiger Erkenntnis der Lage gewillt ist. den wirt 
schaftlichen Schädigungen und der wirtschaftlichen Unmoral ein 
Ende zu mach-em können dank ihrer Unterstützung die Erlasse der 
Regierung wirklich Erfolg haben. Es gehört zu den Aufgaben des 
Bundes, in diesem Sinne auf die öffentliche Meinung einzuwir- 
ken. Nach der positiven Seiko hin liegt uns die Förderung der 
Qualitätsarbeit ob, auch werden wir in einer Reihe von Indu 
strien auf eine, möglichste Normalisierung und Typisierung der er 
zeugten Gegenstände hinzuarbeittn haben. Anregungen hierzu sind 
von dem Bunde bereits ausgegangen. Die Mahnung zur Sparsam 
keit darf uns aber nicht dem Geize in die Arme führen; im Gegen 
teil: es ist dringend notwendig, daß uns die Gewohnheit zum 
Geben, besonders aus dem Gebiete der Wohlfahrtspflege, nicht ver 
loren geht, weil wir unser Volk vor jener Armut bewahren müssen, 
die gleichbedeutend mit Verelenduna ist. Gelingt es uns, diese 
äußerste Verelendung hintanzuhalten und tragen wir unsere Armut 
mit Würde, dann vermag sogar Segen ihr zu entfließen. Es ist 
von ihr hauptsächlich eine Stärkung des Familien 
lebens zu erhoffen, dessen Innigkeit uns die Kraft schenken 
wird, der kommenden schweren Zeiten Herr zu werden. Schon 
mehr als einmal hat ja das deutsche Volk den Beweis dafür ge 
liefert, daß es Armut mit Würde verbinden kann. Es wird auch 
dieses Mal dazu fähig sein, wenn die deutsche gebildete Mittel 
schicht die Führung behält und ohne Verbitterung, den breiten 
Massen ein Vorbild, in die neue Zeit hineingeht. An die beifällig 
handen solcher Formen befestigt und gestützt. Zudem sind die 
Menschen nun einmal so wunderlich, an derlei Abzeichen Freude 
»zu empfinden, und eS ist nicht einzusehen, warum man ein jy 
Harn-loses Mittel Mschmähen sollte, wenn es "dem guten Zwecke 
dient. Vr. Lr. (Fn der Tat tst damit zu rechnen, daß in unserem 
dem Volk der Vereine und General-Versammlungen und 
Dtatmen, Abzeichen als äußeres Merkmal der Zugehörigkeit zu 
SEM Bunds beliebt sind und zur Nachahmung reizen. Schon 
AvsnarLu Z hat bei der Gründung des Bundes einem Abzeichen 
Las Wort geredet. Freilich kann es dann passi-ren, daß sich Viele 
durch das Abzeichen freikaufen und sich den Leute! um die Grund 
sätze des Bundes scheren. Man sollte.es nicht ständig tragen, 
sondern nur, wenn man in Gesellschaft geht oder zu Veranstaitun- 
M. der denen das Abzeichen Bekenntnis und Demonstration be 
deutet. Wichtiger als das Abzeichen ist die Arbeit für den Wan - 
bel der^Gesinnung, die Arbeit für die Erkenntnis, daß es 
unsere sittliche Pflicht ist, einfach zu leben, daß wir sie dem 
Vaterlands schuldem Wir haben Männer und Frauen in führen 
den Stellungen nötig, die sich öffentlich dazu bekennen und beispiel 
gebend leben. Es gibt kein besseres Werbemittel als das Bei 
spiel Wenn ein Dutzend Frankfurter und FraEurterinnen, 
deren Nam und Art sie allen sichtbar macht, mit der Rosette des 
' Bundes in Gesellschaft gehen und damit bekunden: Wir lassen zu 
Haufr keinen Cognac servieren und nehmen auch in anderen Häu 
sern keinen, wir rauchen keine Importen, wir parfümieren um? nicht 
wir tragw keimen Frack mehr, usw, dann ist der Bund gynacht 
und wrd Mitglieder in Massen finden. Die Männ-r der K-'jfü- 
gen deutschen Republik leben allerdings längst brmdeLaMSß und 
.brÄuchen sich nicht mehr zu überwinden Sie soll 
Bund der Erneuerung öffentlich werben, die Ho 
indem fie durch das Tragen des Abzeichens den Studenten fagm, 
Es hsute auf den modernsten Hosenschnitt nicht ankommt und 
zvW der sparsamste Deutsche der beste Deutsche ist. D. Red.) 
'kMrneuerrmg.j In Deutschland werden heute Bünde u n 
Bünde gegründet, und man weiß kaum noch, ob ihre Zahl nicht 
bereits die unserer Gesamtbevöllcrung übersteigt. So skeptisch nun 
auch die etwaigen Erfolge solcher Konventikcl und S.'üen im all 
gemeinen zu beurteilen sind, von dem Bund der Srn.-euerung 
wirtschaftlicher Sitte und Verantwortung, der 
im Dienste unserer Wirtschaft möglichste Einfuhrbeschränkung und 
einfache Lebenshaltung fordert, könnte immerhin einige Wirkung 
ausgehen Wir haben an anderer Stelle unseres Blattes darüber 
berichtet, daß auch in Frankfurt jetzt eine Ortsgruppe dieses Bundes 
aufgetan worden ist. Die Tatsache ist erfreulich und cs erhedr sich 
nur die Frage, durä> welche Mittel denn der Bund dazu befähigt 
werde, sinne Ziele wirklich Zu erreichen Nur wenn es dem 
Bund gelingt, die tonangebenden Kreise von Handel und 
Industrie und die Gelehrtenwelt für sich zu gewinnen, 
darf er auf eine Umwandlung unserer Lebensweise in 
dem von ihm anges^ Sinne hoffen. Mit anderen 
Worten: die Vereinfachung unserer gesellschaftlichen Gebräuche 
wie überhaupt unseres ganzen Lebensstiles muß zur M o d e wer 
den. es muß als begehrenswert gelten, in Kreise ausgenommen zu 
werden, deren Gepflogenheiten den Vorschriften des Bundes ent 
sprechen Nickt an die beliebigen Einzelnen, sondern an die ge-r 
fellsck?ftlich Führenden richtet sich darum -in erster Linie der Mahn 
ruf des Bundes Es verhält sich mit diesen geplanten Lebensrefot> 
men genau so wie mir muen Trachten: sli bürg-ern sich auf die 
Dauer nur ein, wenn sie von Schichten angenommen werden dte 
aus irgendeinem Grunde nicht in gesellschaftlichem Ansehen stehen. 
Und wäre es am Ende nicht ratsam, ein Abzeichen zu stiften, 
das auch äußerlich die Zugehörigkeit zum Bunde verräth Inneres 
Wollen verlangt nach sichtbaren Formen und wird durch das Vor 
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