tischer Freiheit von seelischer Gebundenheit in aller Klarheit zu
erkennen und aus dieser Erkenntnis die nötigen Folgerungen Zu
ziehen. Niemand Kann heute schon sagen, ob die Sehnsucht noch
einheitlicher Leben-gestaltung aus religiöser Grundlage, die sich
gegenwärtig so mächtig wie kaum je zuvor in uns regt, dereinst
ihre Erfüllung findet. Solange aber das Chaos dauert, solange
noch kein materialer, feste Formen schenkender Sinn die aus-
eUrsttderstrebenden Geister bannt, wird eS mtt die dringlichste,
wenn auch vorruchnrlich negative Ausgabe im neuen Deutschland
sein, die unhaltbaren Voraussetzungen des individualistischen
Denkens schonungslos aufzudecken, den wirklichkeitsblinden
Idealismus, der sich mit einer rein formalen Regelung mensch
licher Angelegenheiten begnügt, in die Bereiche des realen
Lebens zurückzuLercken und, durch den HlntveiS auf das Urbild
der golterMten Gemeinschaft, dem zu Unrecht entwerteten
Auwritatsbegrisf zur allgemeinen Anerkennung der ihm not
wendig gebührender! Stellung -u verhelfen. Gelingt es nicht,
die weltanschauliche Position des Jndividualisnnis zu schwä
chen, die jeder Eigenbrötelei Vorschub leistet und ihr zudem das
eure Gewissen verleiht, dann schreitet auch der politische Auf
lösungsprozeß weiter und weiter vor, und statt einer wahren
Demokratie uns zu nähern, werden wir die Rückkehr des Obrig
keitsstaates in dieser oder jener Form, sei eS vrm rechts, sei es
von links. Zu erwarten haben.
schast erstrebt. Die Ablehnung stattlicher AuLorLiat durch den
individuckistisHen Geist in seiner spezifisch deutschen Aus
prägung offenbart letzten EnrdeZ nur seinen gänzlichen Mangel
an Fühlungn-ahnse mit der Lebenswirttichkeitt Um nicht das
Selbstbestimmungsrecht, die- Auwrwlme der Persönlichkeit zu
gefährden, darf dieser Geist Leine allgenrein verbindlichen
nmtermlen Ziele setzen, sondern muß den ElnzeUrren scheu
(bezw. den Grmemschajhen von Einzetmenschen) die Gestalt
tung ihres Lelnns selber überlasten; indem er sich aber dabei
beruhigt, lediglich sommle Fsrdemngen «uszustellen, w-ie z. B.
die Pflege „idealer GemMjchafLKgeflmmng" oder den „Willen
^uw Geist/ den „Dienst an der Menschheit" und wie alle die
schön klingenden Worte noch heißen mö^n, entschwindet er irr
ein Wolkenkuckucksheirn, ohne das konkrete Dasein in seiner
ganzen Breite wirtlich zu durchdringen. Der alle Obrigkeits«
staat und sein katastwphel^ Ende sind ja u. a. sicherlich mit
auf diese verhängnisvolle Weitsremdheit des idealistisch ge
richteten JndwldUiüisnms Zurückzuführrn.
Es ist, wie gesagt, für die deutsche Demokratie rmerläß«
lich, der notwendigen Grundlagen ihrer Existenz inne zu wer
den- Will man eine Demokratie nicht nur der Form,, sondern
auch dem Gehalt, der geistigen Verfassung nach, so wird nnm
heute, in einer Zeit der Zersplitterung und der nwratischen Ver
seuchung aiss, unweigerlich nach zwei Fronten zu kÄnpfen
haben: einmal natürlich gegen den reaktionären Kult eines in
nerlich hohlen Autorttätsgedankens, zum andern gegen den in
dividualistischen Geist, der in dem Wahne, daß man von den
Eirnelmenschen aus zur Gemeinschaft gelangen könne, mit der
falschen auch die richtige Autorität verwirft und aus diese Weise
gewiß niemals über den kapitalistischen Liberalismus Herr zu
werden vermag. Dem deutschen Individualismus verdanken
wir die herrlichsten Erzeugnisse in Kunst und Wissenschaft; das
hindert aber nicht, daß er als geistige Grundeinstellung für uns,
gegenwärtig Zumal, eine Gefahr bedeutet, die irgendwie über
wunden' werden muß- Was Hai denn in England z. B. die De
mokratie lebensfähig gemacht, wenn nicht die traditionelle Ge
bundenheit des Lebensstiles und jene selbstverständliche Ueber
einstimmung in den wesentlichen Fragen des Daseins, die uns
infolge perspektivischer Täuschung leicht als Beschränktheit er
scheint und die nur vielleicht schon Zu sehr Zivilisation und
Oberfläche ist, um noch dem Ideal einer auf den göttlichen Sinn
bezogenen Seeleneintracht zu entsprechen? Läßt sich nun auch
ein solcher Sinn nicht künstlich schaffen, eine materiale Einheits
kultur nicht erzwingen —- dergleichen ist zum guten Teil Schick
sal, das sich über den Hauptäu der Menschen hmwea vollzieht.
Irr AmdM des Zrauksurler MseugeNudes.
GeradZ in -eiuer Zeit, in d-r so wenig bebaut wird wie in der
rmsrigLN. darf jedes Bauvorhaben die gesteigerte Aufmerksamkeit
nicht "nur der betemgteu LiU^e, sonoem auch 0er Allgemeinheit
beanspruchen, zumal wenn es sich um ein MonnmentÄ^'^rk
Sandelt, das dazu bestimmt ist, einem wichtigen Teil unseres Stadia
Bildes seinen Stempel aufzudrückem Man w.itz, daß im Novem
ber 1-91S die Frankfurter Handelskammer acht hieMe
Architekten M einem Wettbewerb einlud, um Pläne für den Aus
bau des B ö r s e n g e b ä u d e s Zu ettcmam. dos ihren lo ' br
gesteigerten Raumbedürsnissen schon langst nicht mehr genügt. Die
Entscheidung des Preisgerichts über dre Eruwmw o^r auM^r-
ßrrLen Wettbewerbsteilnehmer, unter denen man leider ma- Gen
Namen von autem künstlerischem Klang vermissen mußte, fiel da-.
Mals zugunsten der Architekten G. und K° Schmidt, H. Senf
und R. Woll wann aus. Die aus einem nochmaligen enteren
jedoch, die b:s ins einzelne die abgelebten akademischen Formen
des Mittelbaus wiederholt, kann ich mich nicht einverstanden er°-.
klären. Sicherlich hat das. Preisgericht recht, wenn es mit den
Schöpfern des Entwurfs darin übereinstimmt, daß zur Erzielung
architektonischer Einheit die StilmoLive des Hauptbaus an den
Fassaden der Seitenflügel irgendwie wiederklingen müssen. Aber
ist es denn notwendig, daß das in so scbrmatischer Weise geschieht
wie der Entwurf es vorschlägt? Insbesondere die B^Wendung
des Motivs der doppelten Säulenstellung an den Fassaden der
Börsen- und Schillerstraße entspricht unserem heutigen-Stilempfin-,
den m keiner Weise und die zur Be^rönung der ALLika angeord
neten Figurenscharen wirken letzten Endes "nur störend. Es ist
drmgnrd zu hoffen, daß die Verfasser des Entwurfs, die ja auf
eine freiere und persönliche Durchbildung der Fassaden Wert zu
. ? legen versprechen, Lei seiner Au§ bmag nicht mehr gar so ängst
lich an der Schablone kleben bleiben. Auch die Formgebung der
Verkehrshalle erscheint übrigens noch nicht durchweg ausgereist.
Das Senfsche Projekt leidet m seiner Grundrißgestaltung
daran, daß die in der Halle unteraebrachte Haupttreppe sowie der
Fahrradraum Zu weit von dem Eingang abliegen und die Halle
selber sich nicht völlig organisch an den Börsensaal und seine
Westgalerie anschließt. Dagegen ist die Architektur dieses Ent
wurfs um ein gutes Te'l großzügiger und von modernerem Geiste
durchweht als die des Schmidtschen Entwurfs, wenn sie sich auch
vielleicht infolge ihrer Massigkeit, die noch durch die hschgeführ-
tm Eck-Risalite des aus Sparsamkeitsgründen beibehaltenen
Erdgeschosses verstärkt wird, mit dem viel reicher gegliederten, auf
gelösten Mittelbau nicht ganz Zur Einheit verbindet. Man möchte
aber doch wünschen, daß die aus ihr sprechende Baügesinnung auch
in dem preisgekrönten Projekt noch etwas mehr Zum Ausdruck käm^
Der Entwurf des .Architekten Robert W oll mann ist künst
lerisch sicher der schwächste der vorliegenden Projekt. Mckon
er im Einzelnen manches /Güte -undZweckmäßige enthalt' WoL-
marm-hat sich, wie Ech^ das-Preisgericht bemeE^ins''Grundriß-
^Eng-dodprch,. dM SitzundssM nicht im
alten Bau beläßt; auch ist die Anordnung der Haupttreppe in
dem EinganBvchibül nicht gerade günstig zu nennen. D« Ge
danke, den vorliegenden NutzcharMsr der in den verschiedenen Le-
ichoffen untergeSvachten Räume nach außen hin durch eine möa-
lichst schlichte und sachliche Architektur zur Geltuno zu bringen, ist
an sich, und besonders in heutiger Zeit, wohl der Beachtung wert
nur müßten dann die Fassaden doch viel mehr die Architektur und
den ganzen Rhbthmus des Hauptbaus ausnehmen und weiterführ:»,
als üe es ru dem WollMLMsHm-Errtwurf tun.
Wettbewerb hervorgegangenen neubearbeiteten Entwürfe dieser
'Preisträger sind zur Zeit m der westlichen Galerie des Börsen-
Debäudcs Zu besichtigen.
- Die Aufgabe, vor die das Bauprogramm der Handelskammer
-°.e Architekten.stellte, ist überaus schwierig- Der eingeschossige
Westflügel des BsrsengebäudeZ soll um ein Hauptgeschoß ergötzt
werden und eine Verkehrshalle in sich aufnehmen, an die sich in den
verschiedenen Stockwerken die neu zu schaffenden Räumlichkeiten
sinngemäß angliedern. Bei der Grundrißlösung galt es vor
allem, die Reue Halle in eine organische Verbindung mit dem
alten Börsensaal und seiner westlichen Galerie Zu bringen, was,
Wfslge der Ogeschrägtm rückwärtigen Bauflucht, die ganze Ge-
MMichkeiL des Architekten erforderte. Vörzusehen war ferner
der Ausbau auch des ruH der Schillerstraße Zu sich erstreckenden
Ostflügets, wobei man M daran erinnern mag, daß schon Burnitz
Zrnd Sommer in ihrem Ursprünglichen Entwurf die Seitenflügel
zweigeschossig geplant HMem Schließlich kam es darauf an, die
HMaden der im Innern umgefchaffenen und um ein Geschoß er
höhten FlügelLautrn der reichen Hochrenaissanee-ArchiLektur des
Burmtzscheu BäüeK ss anzupaffen, daß ein Ganzes von geschaffe
ner Wirkung entsteht, daS sich den umgebenden StmßenZügen in
einer städtebaulich befriedigenden Weise einfügt.
' Der Zur Ausführung bestimmte Entwurf der Architekten G
und K. Schmidt bewältigt, zumal im Grundriß, sehr glücklich
E nicht geringen Schwierigkeiten dieses Bauprogramms. ° Es ist
lernen Verfassern gelungen, das System der geräumigen, gut pro
portionierten Verkehrshalle mit dem Pfeiler- und BogenMem
ms großen BörsensMeL harmonisch zu trEnden; ' auch
wird sich unter Leu gegebenen Bedingungen kaum eine
HMEre Anordnung, der zur Halle und zum Hauptemgana gleich
gunstm gelegenen Haupttreppe, deren Führung freilich dm
-rnMcseraum m seiner Größe etwas beeinträchtigt, ermöglichen
M Was die FaßadM Letrifft/w vermag zwar ihre (noch durch ein
IMßeS Modell Verdeutlichte) Gliederung und FensterverLeiluns Zu
MrWWuM'.