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g^gen der Parole l^r^ pour llart, dem üb ergreifenden Gesamt
leben angehöre, aus dem es hervargegangen sei. Von dem Kunst
werk unterscheidet sich im übrigen nach Simmel Las gelebte Leben
vor allein darin, daß es immer wieder, alle Harmonien auflösend,
seine selbstgesetzten Grenzen überschreitet; und es ist nur, so zeigt
er in einem weiteren, zu Vergleichen mit Bergsons Schrift: „Le
rire" herausfordernden Essay, die besonders Aufgabe einer eM-
nen Kunstgattung, nämlich der Karikatur, durch einseitige Ueber
treibungen und Verzerrungen den Menschen als solchen metaphysi
schen Grenzverletzer nachdrücklich zu kennzeichnen.
Eine kritische Erörterung der Lebensanschauung Simmels hier
anzuknüpftn, wäre gewiß verlockend. Indessen mag in diesem Zu
sammenhang ein kurzer Hinweis auf den eigentlichen Grund ge
nügen, der ihn zu seinem steten Hinübergleiten in die ästhetische
Sphäre drangt. Da er das Jdeenhafte, trotzdem er ihm einen hohen
Selbständigkeitsgrad zubilligt, am Ende doch zu einer Funktion
des plan hinfließenden, eindimensionalen Lebens macht, bleibt ihm
der Zugang zu dem Ewigen — oder wie sonst man das heißen
will, was dem Leben schlechthin übergeordnet ist — notwendig der-
wehrt. Nun sucht er aber einen Einklang zwischen Leben und
Form. In dem nur so gelebten Leben kann er ihn begreiflicher
weise nicht finden, und zu dem auf das Ewige ausgerichteten Leben
der Wirklichkeit, in dem er eigentlich Zu suchen, wenn auch viel
leicht nur zu suchen wäre, fehlt ihm der Zugang. Daher muß er
sich schon aus dem gelebten Leben heraus in das Gebiet des Aesthe-
tilchen begeben. u« jener nicht auf Begriffe gegründeten, son
dern wesentlich irrationalen Einheit habhaft zu werden. Einzig
das Kunstwerk bietet ihm diese ersehnte Einheit der metaphysischen
Gegensätze dar, seine Scheinwirklichkeit wird ihm zum Ersatz für'
die echte Dirklichkeit des Lebens, die, wenn sie überhaupt in seinen
Blickkreis getreten wäre, ihn wohl Zu anderen Fragen und anderen!
Mtworten MSW Wk Dr. S. KrscMek. I
-- MlLine Mitteilungen^ Dr. S. Friedländer, der
Verfasser vsrichredener philosophischer Werke und einer Reihe unter
dem Pseudonym Mynona erschienener Grotesken hat letzt den Ent
wurf eines Katechismus: „Kant für Kinde r" an gefertigt,
i^r dM Grundlage für die ethische Unterweisung in der
AN* soll. E der Einführung Mes solchen an Kants
MW anknupfMdei^ obligatonM-m M o r'alu n t err i ch t s der
neben dem RelMnsunterricht gepflegt werden mag, verspricht sich
v.r ^erf^cr ^ftame-erz-ieherLsche Wirkungen. Der Entwurf liegt'
-uranuskript dem Reichsminstterimn des Innern zur
S!sNservrd«elen-Ler!ammIiing.
Sitzung vom 5. Juli 1823.
Zu Beginn der vom Vorsitzenden Hopf geleiteten Sitzung
wurden verschiedene Vorlagen des Magistrats ohne Diskussion
erledigt.
Erw eröslosenfürsorge.
Stadtv. Cräme^ (Ssz.) begründete als Berichterstatter
folgenden Antrag das Sozialpolitischen Ausschusses:
„Der SozialPolNsch-L Ausschuß beantragt, die Stadtveror^-
not en - Vers a mmlun g wolle beschließen, den Magistrat W Er
suchen, erstens bet oer Rei chs re gieruK g vorstellig zu wer
den mit dem Anträge 1. auf sofortige Erhöhung der Erwerbs-
losen-Unterstützungssätze, da diese trotz der am 26. Juni d. Js.
erfolgten Erhöhung nicht ausreichend sind; 2. die Erwerbslosem
Unterstützungssätze laufend der Geldentwertung anzupassen;
zweitens "das Wohlfahrtsamt zu ermächtigen und ihm
entsprechende Anweisung zu geben, den ledigen und verheirate
ten Erwerbslosen zu den Reichssätzen nach individueller Prü
fung in Fällen der Bedürftigkeit Zusatzunterstützungen in bar
oder Sachbezügen zu gewähren; ferner das städtische Gas
werk und die Frankfurter Gasgesellschaft zu ersuchen,
ihre Bezugsscheine auf Kubikmeter und Geldbetrag auszustellen;
sowie zu prüfen, in welcher Form den Erwerbslosen wie auch
anderen Bedürftigen der Eintritt in die städtischen Museen
unentgeltlich ermöglicht werden kann;
drittens die vom 27. Juni 1923 datierte, am 8. Juli 1923
eingegangene Eingabe der Erwerbslosen im übrigen
für erledigt zu erklären." Diese Eingabe lautet wie folgt:
„1 . In Anbetracht der schwierigen Lage der Erwerbslosen
wird der Antrag gestellt, für Verheiratete 500 000 Mk., für
Ledige 400090 Mk. W irt schaft s b eihil f e zu zahlen.
2. Es muß alle acht Tage eine Versammlung stattfinden, um
zu jeder Frage sofort Stellung zu nehmen.,
3. An dem Tage, an dem eine Erwerbslosen - Ver
sammlung stattfindet, ist" die Abstempelung der Karten
rm Versammlungslokal vorzunehmen.
4. Es ist in Zukunft bei Sonderunterstützung kein
Unterschied zwischen Ledigen oder Geschlecht zu machen.
5. Die Gas sch eine sollen nur die Kubikmeterzahl ent
halten, um bei Gaspreissteigerung die Uwstempelung zu er
sparen und unnütze Streitereien mit dem Erheber Zu vermeiden.
5 a) Den Erwerbslosen ist der Zutritt zu där Museen
sowie Gärten kostenlos zu gestatten.
6. Den Erwerbslosen ist in Anbetracht der teuren Schuh
preise auf der Straßenbahn gegen Vorzeigung der Erwerbs
losenkarte ein Fahrschein zum niedrigsten jeweiligen Tarif
auszuhändigen, gültig für alle Strecken.
7. Solange die Erwerbslosenunterstützung nicht die Höhe
erreicht hat, die dem Lohne eines ständigen städt. Arbeiters
Georg Simmel: „Zur her Kunst.-
Eine Reihe von Aufsätzen Georg Simmels, die sich zumeist
auf das Gebiet der Kunst erstrecken, aber auch vereinzelt philo
sophische Gegenstände unmittelbar abhandeln, werden von Frau
Gertrud Simmel in einem Sammelbande (erschienen Lei Gustav
Kiepenheuer, Potsdam, 1922) vorgelegt. Die Arbeiten, die der
Zeit von 1895 bis 1918 entstammen und in den anderen Werken
keine Aufnahme gefunden haben, sind aus einem doppelten Grunde
sehr lehrreich: einmal spiegeln sie die denkerische Entwicklung
Simmels von seinen stark am biologischen Pragmatisnms
orientierten Anfängen an (vergl. hierzu die in dem Band ent
haltene Studie: „Ueber eine Beziehung der Selektionslehre zur
Erkenntnistheorie", 1895) bis zur vollen Entfaltung seiner LeLens-
! Philosophie getreulich wieder, zum andern dienen sie als Zeugnis
für das stete Streben Simmels, mit Hilfe seiner philosophischen
Grundeinfichten den Stoff der Welt zu durchdringen und so der
Erscheinungsoberfläche einen tieferen Sinn abzugewinnen.
Ein Verständnis der Aufsätze läßt sich am ehesten von Simmels
Auffassung des „Lebens" her erzielen, die, wenn sie auch eigentlich
erst in seinem letzten Werk „Lebensanschauung" zur philosophischen
Reife gedieh, doch schon von jeher in ihm angelegt war und im
Laufe der Zeit in mancherlei Hüllen und trmrm VMi
neuem nach abschlußhaftem Ausdruck gesucht hatte. Der Begriff des
„Lebens" scheint dem Denker das zu geben, was die formalen
Systeme des Transzendentalidealismus nimmermehr zu geben ver
mögen: die ganze konkrete Wirklichkeit scheint ihm in diesen Begriff
einzugehen. Sein Wissen um das Unvermögen der Rati, mit ihren
selbsterzeugten Begriffsabstrakta sich der Wirklichkeit zu bemächtigen,
führt ihn, ähnlich wie vor ihm schon Nietzsche, zum Irrationalis
mus der Lebensphilosophie, d. h. er identifiziert die Wirklichkeit
nicht mit einem aus der Immanenz des Denkens heruorgegangenen
Vernunftprinzip, sondern mit dem in keinerlei Begriffe einzwäng-
baren „Leben" selber, dem sämtliche Gebilde durchströmenden und
stets auf seine Steigerung, auf „Mehr-Leben" bedachten Leben,
das alle Begriffe, auch die scheinbar so selbstherrlichen Vsrnunft-
prinzipien, erst aus sich heraus erzeuge. Aus einem dem Buche ein-
verleibten Aufsatz über Henri Bergson (1914) geht deutlich
hervor, bis zu welchem Grade er mit der Lebensmetaphysik des
französischen Denkers übereinstimmt, wie er gleich ihm alles Fest
gewordene, und so nicht zuletzt die Tätigkeit des Denkens, Begriffe
und Ideen, als ein Produkt des Lebens, als etwas Sekundäres
demnach, begreift. Freilich zieht er in eben diesem Aufsatz auch
den entscheidenden Trennungsstrich zwischen sich und Bergson. —
weist er doch andeutend auf die Paradoxie hin, daß das Leben sich
nicht nur, wie Bergson meint, in dem Fließen und Strömen er
schöpfe, sondern sich auch in jenen festen Begriffen und Ideen
manifestiere, die es aus sich entläßt und von denen es dann für
kürzere oder längere Zeit umgrenzt, überhöht und sinnvoll gemacht
wird, daß es, mit andern Worten, nicht „Leben" allein vielmehr gleich
sehr „Mehr-als-Leben", d. h. Form und Festigkeit sein müsse.
Die Kluft zwischen sinnleerem Leben und sinngebender Form:
das ist das dauernde, immer neu variierte Thema Simmels, und
seine Lebensphilosophie in ihrer letzten Phase ist nur der ver
zweifelte, weil von vornherein Zum Scheitern verurteilte Versuch,
diese Urdualität durch einen paradoxen Begriff des Lebens theo
retisch doch noch zu überwinden. Die ganze Welt wird ihm Zu einer
Abwandlung des einen Themas, alle konkreten Erscheinungen und
Vorgänge sind ihm Gleichnisse für die mannigfachen Stadien, dkr
das Verhältnis zwischen Leben und Gebilde, angefangen von dem
Hervorbrechen des Gebildes aus dem Leben bis zu seiner Ver-
selbständigung, Erstarrung und Wiederauflösung in das Leben,
durchlaufen kann. Der rechtmäßige Einklang von Form und Leben
aber scheint ihm nur in der ästhetischen Sphäre erreicht:
daher der besondere Symbolwert, den für Simmel das Kunstwerk
und das in seiner Totalität angeschaute, als Kunstwerk sich dar
bietende Individuum erlangt.
Die kunstphilosophischen Aufsätze gelten durchweg dem Ausweis
verschiedenartiger Erfüllungsmöglichkeiten der Beziehung zwischen
dem Leben und der Form. Da wird z. B. der Bild rahmen einer
subtilen, allzu subtilen Deutung unterzogen; er versinnlicht nach
Simmel die innere Einheit des von ihm umfangenen Gemäldes,
grenzt das die Gegensätze harmonisch zusammenbindende ästhetische
Gebilde ab von der realen Welt mit ihrer untilgbaren Spannung.
Das Kunstwerk selber mag nun mancherlei Arten von Einheit ver
wirklichen. In dem „Abendmahl" Lionardos etwa findet Simmel
die organische Einheit individuell, verschiedener, gleichberechtigter
Persönlichkeiten dargestellt, begegnet hier also der ästhetischen Lösung
eines Problems, dessen existentielle Bewältigung immer wieder nur
l anK-strebt Mrdm Lamr. Auch die frühe Lyrik Georges ist ihm
Symbol einer Harmonie zwischen weit gespannten Gegensätzen, sie
beugt nach ihm das Leben ganz unter die Formgesetze der Kunst
und drückt doch ganz das persönliche Leben aus. Umgekehrt liegt
der Fall, wie Simmel in seiner Studie über das Porträt nach-
weist, bei Rembrandt, in dessen Bildern nicht die Form das Leben
bestimmt, sondern das zur vollkommenen SeelenhastiM gesammelte
Leben ordnendes Gesetz der Geflchtszüge wird. Sehr schön und
geistreich sind die Aufsätze über einige italienische Städte,
die Simmel als Sinnbilder eigentümlicher ästhetischer Einheiten be
greift und ebenfalls gleichnishast ausdeutet. Florenz tritt ihm als
Einheit von Natur und Geist entgegen, Rom bietet sich ihm als
Inbegriff polar auseinander getretener Stile, Zeiten und Persön
lichkeiten dar, die hier Zur geschlossenen Einheit verwoben und ganz
Gegenwart geworden sind, und Venedig, für das er überraschend
glückliche Wendungen findet, nennt er eine lügenhafte Schönheit
der Maske, eine künstliche Stadt, deren längst entwichene Lebens
substanz nur noch scheinhaft an der Oberfläche sich spiegele. Die
Frage, wie sich das ästhetische Gebilde, das in allen diesen Studien
mögliche Gleichungen und Ungleichungen zwischen den meta
physischen Grundprinzipien des Lebens und der Form symbolisiert,
Nun zu dem gelobten Leben selber verhalte, wird in einem Aufsatz
pour llart" ganz im Sinne der Simmelsch^n Lebensphilo
sophie dahin beantwortet, daß das KunMuerk, obwohl es ein
durchaus sMtgenügsameZ Ganze darstelle^ doch auch stets ent-