Wir sprechen im Nachfolgenden nur vorn neuen Menschen,!
ob nun der Aufsatz scheinbar eine Tagung der Jugendbewegung,
eine internationale Jugendtagung oder einen Kongreß katho
lischer Akademiker zum Gegenstände hat. Auch der Verfasser
des letztgenannten Aufsatzes (selbst kein Katholik) hat, das sei
zur Verrneidung von Mißverständnissen gesagt, nicht etwa eine
Werbung für speziell Katholisches, sondern ausschließlich den
Menschen der inneren Mitte und des Morgen
vor Augen, der heute den KaLHMgismus erobert, nachdem er
ihm lange genug gefehlt hat. Formen sind nicht das Wesent
liche; der Geist, der das Werden einer besseren Zukunft ge
staltet, ist alles. Wer das nicht versteht, wird diese Jugend
nie begreifen.
Dmge der Welt wie sämtliche Beziehungen zwischenmenschlicher
AÄ wahrhaft zu duuchformen, sie sich „emzuverleiden" und
jo aus dem Stande der schlechten „Zivilisation" W L^n der
richtig vechandenM religiösen „Kultur" zu tre^n.
Guardini glaubt nun, daß die liturgische Bewegung, die
anfänglich vorwiegend literarisch war, dank des neuerwachten
WirklichkeitsdranAes der Jugend heute vor der Aufgabe stehe,
diesem Dränge gleichsam ein Bett zu gmöen, das ihn zur
rrchtrgen Erfüllung der liturgischen Formen hinlenL Sein
Znl ist also liturgische Bildung; eine durch Erziehung Le-
wrckte Wandlung leibgeloster Begriffler in Menschen, Leren
Seere sich dem Kultus willfährig eintut und auch die toten
Dmge noch, indem sie ihnen sich zuneiA aus ibrer Wge-
trennthert von jeglichem Sinn erlöst. Die Mutter möge das
Kind z. B. lehren, die Hände zum Gebet zu falten, damit es
später dieser ja keineswegs Zufälligen Handlung die ihr zu
geordnete Bedeutung beimeffe und unmerLich zart in em kom
wetes Sem der Mitte hineimvachse, das die gegenwärtige
Entfremdung zwischen Leib und Seele nicht mehr kennt.
Der mannigfachen Fährnisse eines solchen Bildungsweges,
der me Feste der Religion nicht nur von innen, sondern min-
bejoens ebensosehr von außen her zu nehmen sucht, ist sich
Guardini wohl bewußt. Mder übersteht er. daß die von ihm
geforderte Erziehung sich teilweise an Gebilden emporranken
muß, die als Hervorbringungen der Kultur notwendig der
Zert verfallen sind, noch unterschätzt er die antinomnche
Spannung, die zwischen Religion und Kultur besteht und jedes
Brückenschlägen von dem emen Bereich zum anderen dauernd
fragwürdig macht. Auch oen Vorwurf der Romantik ober
einer vorzugsweise ästhetischen Einstellung der kirchlichen
FmnMwM gegenüber wird man kaum wider wn erheben
können, stknnck er doch mit Abt Mesons Herwegen durchaus
darin Worein, daß das Sich-Einsenken in den orcko nur dann
z^ Recht erfolge, wenn es sich aus eiF echtes Glaubensleben
grmAet. Die Erfahrung mag lehren, ob der von ihm vor-
gezeichuete ErzichrmgsMng, eingäämmt durch diese Siche
rungen, in die ersehnte Wirklichkeit einmündet. In dem dem
nächst erschsiEdsn Buche Guardinis: „Liturgische Bildung"
sollen die Per gestreiften Probleme auMhrliche Behandlung
echchE.
O
Mit kachMWew MMiWeitZsinn, der nicht selten in der
Schwebe läßt und bei zunächst unauswachboren vorletzten
Gegensätzen gern die ertrMiche Mittellinie sucht, wurden im
allgemeinen auch die über das Jnnerkatholische hinmrs-
greifenden großen Frugen der Gegenwart angepackt. Da
sllen Losungen und Formul^rungen nachzuspüren in dem
eMgeu Rahmm des Berichts sich verbietet, werde an einigen
wenigen Beispielen umrißhast veranschaulicht, wie etwa jene
Grundhaltung sich in den Oberflächenschichten auswirkte.
Diözesanbischof Dr. Wilhelm v. Keppler brächte ledig
lich die katholische Auffassung von der heutigen Universi
tät zur Geltung, wenn er die abseitige Stellung, in die sie
gedrängt wmdsn ist, aus der völligen Emancipation der Ms-
ftnschnften von jedem religiösen Bezugspunkt erklärte. In der
Tat trägt ja die Hauptschuld an der Verbannung der modernen
Universität (oder doch zum mindesten der geisteswissenschaft
lichen Fakultäten) in eine fern der geistigen Mitte gelegene
Provinz der tragische Selbstverzicht der Forschung auf das
Eingsbundenftin in die Spannung des wiEchen Lebens; und
dieser Isolierung wiederum ist mittelbar ein ahnungsloser Wisi
srnschastsdünkel entwachsen, der die Kluft zwischen Volk und
Intellektuellen nur noch vertieft hat. Den verderblichen „Hoch-
fchulhochmut" geißelnd, warnte der Bischof die katholischen
Akademiker vor Eigenbrsdelei und Wechter Absonderung
und ermähnte sie dazu, mit dem katholischen Volk, das als
Volk hoch über dem „Bildungspöbel" stehe/gemeinsame Sache
zu m achen.
Von derselben auf Au^leich bedachen Gesinnung unter
baut waren auch seine weMugen Worte über das Problem der
Glaubenstrennung und Glaubenseinheit in Deutsch-
land, daI überdies der Meißener Bischof Dr. Josef Schreiber
in einem besonderen Kursus erörterte. Vorbehaltlos gestand
Bischvf Keppler Zu, daß die Kirche die konfessionelle Spaltung
mitZrwerantwmten habe und in den Kreisen der Andersgläu
bigen sich mitunter ein religiöser Eifer finde, der fo manche!
Katholiken beschämen könne. Mag auch eine Vereinigung der!
Konfessionen vorerst auf unüberwindliche Schwierigkeiten
stoßen, so mußte doch der versöhnliche Geist seiner Rede gerade
den Andersgläubigen wohltuend berühren.
In einer Zeit, in der Spengler surm den Nnter-
tzang des Abendlandes verfügt, war es besonders lehr
reich, Pros. Hermann Platz über die Zukunft eben dieses
Abendlandes sprechen zu hören. Ein wenig gar zu konstruktiv be
stimmte er dessen Aufgabe dahin, daß es sich sowohl gegen das
seelenlose Amerika wie gegen das formlose Asten als „Land der
Mitte" M behaupten habe. Ihm, dem Rheinländer und Ka
tholiken, dünkt das möglich nur dann, wenn Germanen und
Romanen sich endlich Zusamwenflnden und inmitten einer ent-
wiMchten oder noch nicht Wirklichkeit gewordenen Welt sich
gemeinsam Zu jenem gestalthaften Geist bekennen, der in der
W. M 1S. Asgust.
Wurde der Raum, den diese den Kongreß beherrschenden
Grundgedanken absteckten, auch nirgends überschritten, ss ent
falteten sich in seinem Bereich doch vielerlei Stellungnahmen
und Auffassungen und man erfuhr wieder einmal, daß die rich
tig gelegte Grenze unbegrenzte Möglichkeiten der Haltungen
und Aeußerungen umschließt. Ueberhaupt mochte die Tagung
die Gültigkeit des Goetheschen Gleichnisses von den gemalten
Fensterscheiben bestätigen und gerade den Nichtkatholiken leh
ren, daß sich die gelebte Wirklichkeit der Kirche (wie natürlich
jeder anderen wohlgegründeten Gemeinschaft auch) nicht einfach
auf Formeln abziehen läßt und seien sie von deren Gliedern
selber geprägt. Was dem Blick von außen etwa an Dogmen,
Prinzipien und Leitsätzen sichtbar wird, stellt im Innern sich
nicht in der gleichen Abgchobenheit dar, es ist in die Span
nung einverwobenes Fundament und Ziel, zwischen demn
das eigentliche Leben, das Leben der Mitte, sich frei von dem
Druck -er Grenze und so reich gegliedert, wie Dben nur immer
sein kann, hinerstveckt. Das in drin Kursus Wer das Wesen
des Katholizismus geäußerte Wort des Tübinger Dogmen-
lMorikers A d a m, daß der katholischen FrönMigkeitsfo
so viele seien wie Blätter an einem Baum, ist lediglich eine
Bestätigung dieser Einsicht. Und noch eines gibt dem von
außen Eindringenden sich kund: ketzerisch genug spürt er, daß
die besondere Erfüllung des wirklichen Lebens, welche die
Kirche gewährleistet, über sich hinaus auf ein Unsagbares weist,
dem man sich Zwar nur in der Besonderung annähern kann und
darf, aber wohl nicht ausschließlich in dieser einen Besonderung
allein; spürt, mit anderen Worten, die Weite des Kreises,
der die „Mannigfaltigkeit der FrömwigkeiNformerr" embegreist
und ahnt, ohne mehr als bloß zu ahnen, daß Mischen ihnen
allen eine geheime Verwandtschaft besteht.
Einer Erörterung der verschiedenen typischen Richtungen,
die während der Tagung Vertretung fanden, muß schon aus
dem Grunde unterbleiben, weil sie allzu tief in rein inner
katholische Fragen hineinführen würde. Gedacht sei nur der
starck hervortretenden liturgischen Bewegung, die sich,
zumal in den Kreisen der katholischen Akademiker wie über
haupt der katholischen Jugend, einer wachsenden Anhänger
schaft erfreut. Nach den Worten ihres Vorkämpfers Romano
Guardini ist sie an das Heute gebunden, sie ist Ausdruck
der Sehnsucht eines Geschlechtes, das, dem Einflüsse der Um
welt nachgebend, die volle Wirklichkeit katholischen Daseins im
Stich gelassen hat und nun den alten Besitz neu zu erwerben
trachtet. Genau jene für das kirchliche Leben so sehr
zeichnende „Mitte" gilt es wiederzugewwnen, me eine
Tymnnis der Seele über den Leib so wenig duldet wie eine
Vergewaltigung der seelischen Ansprüche durch die nur-leib-
Lichen. llnd zwar will die ursprünglich von Mürm-Laach aus-
gHMMMne Bewegung hauptsächlich der aktuelleren ersten Ge
fahr begegnen, d. h. sie will das bis tief ins katholische Lager
eingedrungene abstrakt-begriffliche De.^n überleiten in ein
Denken, das die Wahrheit des Satzes: „uniina loiunn eor-
porlL" mit allen ihm anhangenden Konsequenzen neu erfaßt
— eine Bemühung übrigens, die von manchen Vertretern des
Protestantismus (erinnert sei etwa an Pfarrer Wilhelm
Stählin) und auch des JudentruW durchaus geteilt wird. Die
Bildkraft der Seele bewährt sich aber laut Guardini Zuhöchst in
der Liturgie, in der das Geheimnis Gestalt gefunden) IM und
die zur sichtbaren Gemeinschaft geeinten Körperchristen
im Einklang mit den Dingen das Mysterium wirllich
leben. Sollen die abgerissenen Fäden Avisen Seele rmd
i Leib angeknüpft werden, so muß darum im Sinne der liturgi
schen Bewegung vor allem anderen die Liturgie wieder den
ganzen Menschen ergreifen, der ganze Mensch sich wieder so
bereiten, daß er voll eingeht in die kirchliche Handlung. Erst
die Zurückerlangung solcher „Shmbolfühigkeit" macht ihn
gemäß der hier wiedergegebenen Auffassung dazu tauglich, die
M Tagung der lEoWeuMMWer.