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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

gemeinhin ahnt. 
Lr 
Die H. ^.-Lichtpiele Zeigen ein Filmstück „Ilona", in 
dem die bekannte Filmgröße Lya de Putti Gelegenheit hat, ihre 
Zahlreichen Reize zu entfalten. MaP sieht sie als Gänftmädchen 
und im Gesellschaftskleid und freut sich stets ihres Temperaments, 
gleichviel, ob sie gassenjungenhaft -ein Pußtapferd reitet oder sich 
des zudringlichen Liebhabers mit der Reitpeitsche erwehrt. Das 
in Ungarn spielende Stück erinnert an Romane der Marlitt; es läßt 
sich lange Zeit sehr schlimm an, geht aber zuletzt doch so gut aus, 
daß man die umsonst zerdrückte Träne bereut. — Hervorragendes 
leisten die vom Pech verfolgten amerikanischen Groteskkomiker Fix 
und Fax, die erfahren müssen, was einem alles passieren kann, 
wenn man sich ohne Billett in einen Zirkus einzuschmuggeln ver 
sucht. Daß sie in einen Löwenkäfig geraten, ist noch das geringste: 
außerdem werden sie in Fässern gerollt, ins Wasser gestoßen, und 
auf ganz unwahrscheinliche Weise durch Zelte, Käfige und Straßen 
gehetzt. Kurzum, nichts bleibt ihnen erspart, und mit fabelhaftem 
Geschick benehmen sie sich stets so ungeschickt, wie die Situation es 
erheischt. 
sKlerne Bücher-Anzeigen.) Von Georg Simmel l 
i die gesammelten Essays: „Philosophische Kul-l 
r" in dritter: Auflage vor (Kiepenheuer, Potsdam). Sie- 
wd um verschiedene früher gesondert erschienene Aufsätze, so 
lw die bekannte Abhandlung: „Der Begriff und die Tragödie 
-er Cultur" vermehrt worden. 
gesehene Material nicht immer zu beschaffen war. Soweit man 
nach dem Geleisteten urteilen darf, ist es dem Architekten gelungen, 
den sachlichen Bestimmungszweck des Gebäudes sowohl nach außen 
hin wie im Innern in ästhetisch einleuchtender Weise Zur Geltung 
Zu, bringen. Es fehlt Zumeist noch die Farbgebung, die viel zur 
Wirkung der Fassaden, der Höhe und der riesigen Raumfluchten 
vertragen wird. Die Besichtigung, die besonders deshalb sehr lehr 
reich war, weil sie, das Werden des Gebäudes bis in seine kon 
struktiven Einzelheiten hinein vor Augen führte, erweckte den 
Wunsch, daß das Werk in Uebereinstimmung mit den künstlerischen 
^ntentronen des Architekten weiter wachse und sich einst wirklich 
zum Hochhaus auftürme. 
Frankfurter kunsimeffe. 
SondersHau der Stuttgarter Werkschule. 
Im Rahmen der vor wenigen Tagen eröffneten Frankfurter 
KunKneffe (vgl. den kurzen Bericht im Ersten Morgenblatt vom 
18. ds.) Wird ehne Reine Svnderschau der Stuttgarter 
Versuchsgrundschule und Werk schule gezeigt, einer 
Gründung des Architekten Albrecht L. Merz, die ihre? Absichten 
und ihrer Ergebnisse wegen gleich beachtenswert ist. Merz hat im 
Krieg die Erfahrung gemacht, daß die meisten Menschen infolge 
ihrer allzu abstrakten Denkweise kein unmittelbares Verhältnis 
mehr zu den schaubaren und greifbaren Dingen der Umwelt haben, 
daß sie sozusagen mit stumpfen Organen dahinwandern, unfähig, 
mit irgend einem gestalteten Gebilde in leibhafte Fühlung zu 
treten. Diesem Mangel will er nun durch eine Erziehung abhelfen, 
die, stetig unterstützt von zeichnerischen Uebungen, die lange ver 
nachlässigten Kräfte des „Erkennens und Gestaltens" der Dingwelt 
ausbilden soll. Merz fängt beim Kinde an. Er erweckt in ihm 
etwa, durch Vorzeigen oder Beschreibung entsprechender Gegen 
stände. die Vorstellung eines rund in sich geschlossenen oder eines 
steig ansteigenden Gebildes und läßt es dann zeichnerisch das 
Wesen des „Geschlossenen" und des „Ansteigenden" ausdrücken. 
Oder er gibt ihm auf, eine Fläche nach eigenem Gefühl mit Schrift 
zu füllen, befiehlt ihm an, sich ganz in eine Blume, einen Vogel 
Zu versenken und das in solcher Versenkung Erfahrene dann mit 
Buntstiften frei zu -gestalten. Die wenigen vorgelegten Versuche 
beweisen, daß so angeleitete Kinder einen erstaunlichen Sinn für 
das Wesentliche der Formen und Farben bekunden und eine ge 
haltvolle Ornamentik Zu erzeugen vermögen, die der verbildeter 
Kunstgewerbler überlegen ist — sie lehren zugleich, doß offenbar in 
jedem Menschen Fähigkeiten des Gestaltens schlummern, die ledig 
lich infolge ihrer Nichtachtung meist verkümmern müssen. 
Diese Fähigkeiten anzuregen, hat Merz auch eine „Bauschachtel" 
erfunden, deren Inhalt aus einem Haufen HolzRötzchen von ver 
schiedenster Größe, Form und Tönung besteht. Die Idee ist ein 
fach und sinnreich: das spielende Kind setzt bei dem Zusammen 
stellen der Klötzchen seinen Gestaltungswillen unbewußt durch, 
wirkt, ihre Stumpfheit beseelend, seine Phantasie dauernd aus 
und bleibt zudem, ein nicht Zu überschätzender Gewinn, der läh 
menden Mühsal des Einräumens nach äußerer Vorschrift enthoben. 
Auf allen diesen Uebungen, die Merz nicht nur mit Kindern, son 
dern auch mit älteren Schülern und in besonderen Kursen an der 
Stuttgarter Volkshochschule anstellt, baut sich der weitere Unter 
richt in der „Werkschule" auf. Er zielt darauf ab, die Lernenden 
mit den Eigentümlichkeiten der verschiedenen Materialien vertraut 
zu machen, so daß sie instand gesetzt werden, mit ihren erschlosse 
nen Sinnen aus dem Material heraus Gebrauchgegenstände und 
freie Kunstgebilde zu schaffen. An den vorgeführten Beispielen 
einiger Metallschalen, Holzleuchter usw. kann man ermessen, daß 
das Einwachsen des Schaffenden in Werkzeug und Werkstoff schöne 
FrHAte zeitigt, — Mr^-effen Bestrebungen denen des „Staat 
lichen Bauhauses" in Weimar in mancher Hinsicht verwandt sind, 
hat seine Schule — „Werkhaus mit Werkschule, freie Akademie 
mit staatlich anerkannter Versuchs-Grundschule", so lautet ihr 
offizieller Titel — nach Befiegung anfänglich großer Widerstände 
ganz aus eigenen Mitteln errichtet. Ein Kopf voller Ideen, will 
er seinen Anschauungen auch an der Universität eine Statt- berei 
ten, ferner zur Gründung eines Kindergartens schreiten, um schon 
die ganz Kleinen in seinem Sinne Zu erziehen. Mögen die Hoff 
nungen, die er an sein Unternehmen knüpft, übertrieben sein, so 
ist es doch jeder Förderung wert, denn es dient auf seine Weise 
dem guten Ziele des WiedereinpflanzenZ entwurzelter Menschen 
in den Grund des wirklichen Lebens — einem Ziele, dem man sich 
heute ja von vielen Seiten her anzunähern sucht- Da die jetzige 
Schau nur einen unvollständigen Einblick in das Geleistete ge 
währt, wäre die Veranstaltung einer größeren Ausstellung der 
Schularbeiten in Frankfurt sehr zu begrüßen. Lr. 
— k„Der- Christ und sein Schatten.") Walter T s ch u p- 
piks Streitschrift: „Der Christ und sein Schatten" (Theodor 
Thomas. Leipzig) wendet sich mit einer Erbitterung, hiner der 
man das Leiden an der deutschen Gegenwart spürt, wider die 
„absolute Moral" des Christentums, dessen jüngste und reinste 
Form: der deutsche Idealismus uns vollends aus dem realen 
Leben in irgend ein Wölkenkuckucksheim verschleppt habe. Alle 
Mittel der Polemik werden aufgeboten, um die Gefahren des der 
christlichen Haltung entwachsenden Denkens drastisch darzutun, ge 
schichtliche Belege in Menge erbracht, die Zeigen sollen, wie weitab 
von nüchternem Weltsinn der deutsche Geist seit und infolge der 
Reformation geraten sei. Die idealistische Wirklichkeitsflucht, so 
argumentiert Tschuppik, nötigt nicht nur zu mannigfachen Ideolo 
gien. sie ruft auch ungerechtfertigte Verachtung der wirklichen 
Welt hervor, mit der Zusammenzustoßen nun einmal unvermeidlich 
ist. Aus dem Konflikte aber Zwischen der Realität und den Trä 
gern der „absoluten Moral" wird als deren Gegenspiele? nach 
Tschuppik der „Jude" geboren, er ist Repräsentant jener vom 
Idealisten übersprungenen Wirklichkeit, die sich eben doch nicht 
ganz beiseite drängen läßt, er folgt wie ein ewiger Schatten den 
Anhängern der „christlichen" Ideen Seine mit launigeM Sarkas- 
mus verfochtene These sucht der Verfasser u. a. durch den Hinweis 
auf die in Deutschland übliche Ablehnung des englischen eommnn 
sense Zu erhärten; er begreift sie als Frucht des idealistischen 
Denkens, das den Engländer wie überhaupt alle real gesinnten 
Menschen gleich dem Juden selber am liebsten ms Ghetto verban 
nen möchte Und er gelangt Zu dem Ergebnis, daß dieses Ghetto 
erst dann aufhören werde Zu existieren, wenn die Menschen und 
Völker, endlich befreit von ihrem Hang zu christlichen und ideali 
stischen Ideologien, sämtlich darin Platz gefunden haben. — So 
viel -gegen die teilweise seltsam verspäteten Gedanken Tschuppiks 
einzuwenden ist, man sollte sie darum doch nicht leichthin äbschieben, 
zumal ihre Durchführung manche historische Tatsachen in ein un 
gewohntes Licht rückt und eine Anzahl sehr geistreicher Formulie 
rungen enthält. Gewiß: es geht nicht an, von einer mehr als 
fragwürdigen Position aus, die sich etwa durch die Verquickung 
materialistischer Geschichtsauffassung mit englischem Militarismus 
bestimmt, gegen die Wahrheiten des Christentums Sturm zu laufen; 
ebenso wenig kann, um nur dies noch anzudeuten, der deutsche 
Idealismus ohne weiteres als Nachfolge der Reformation verstan 
den und gerichtet werden. Diese Angriffe von unten und nutzen 
her verfehlen schon deshalb ihr Ziel, weil sie ihr Ziel garnicht 
voll erfassen. Trotz ihrer mangelnden Durchschlagskraft verdienen 
sie aber durchaus Beachtung als Gegengift gegen jene Romantik 
unserer Tage, die vor den wirtschaftlichen und politischen Tat 
sachen sich gar zu gern in den Sand verkriecht — 'ganz abgesehen 
davon, daß sie einem schlechten Idealismus gegenüber natürÜch 
stets Recht behalten. Ihr Hauptverdienst ist wohl die Verteidigung 
der heute so geschmähten „Zivilisation" wider deren modische und 
vorschnelle Ankläger und der Einsatz für die englische Util^ 
taritätsphilosophie, die Liefere und legitimere Wurzeln hat, als man 
Kleine Buch-Anzeigen.) Die Sammlung der Taschen 
Ausgaben des Verlags Kröner (Leipzig), die der Verbreitung 
philosophischer Bildung dienen, ist um vier Bände bereichert wor 
den. Außer der „Ethik" Spinozas (Bd. 24) und HaeckelZ 
Werk: „Die Lebenswunder" (Bd. 22) sind noch Zwei An 
thologien erschienen: eine gar nicht unzeitgemäße Zusammenstel 
lung von Nietzsche-Worten über Staaten und Völker, die 
Frau Elisabeth Förster-Nietzsche heraus gegeben hat (Bd. 21), und 
eine von Karl Heinemann besorgte Auswahl: „Lebensweis 
heit der Griechen" (Bd. 23), die ihre Bestimmung erfüllen 
wird, wenn sie zum eingehenderen Studium griechischer Denker 
und Dichter anregt. 
Oskar Jancke hat Nriel Acostas „Exemplar burnanLe ' 
vitLe", die Darstellung seiner religiösen Kämpfe und der er 
littenen Verfolgungen, unter dem Titel: „Dokumente 
-s-Mn e s Menschenschicksals" neu übertragen. Das im 
Verlag „Die Kuppel", Karl Spiertz, Aachen, erschienene Bünd 
chen weist eine gute Ausstattung auf. 
Der rührige katholische Matth ias-Grünewald-Verlag, Mainz, 
hat einen bedeutenden Ausschnitt aus Jan van Ruhs- 
Lroecks Werswerk, dem „Buch von den zwölf? 
Beghinen" in der Uebertragung von MlliLrord Verkade O. i 
S. B. herausgebracht. Sehr erwünscht ist die Beigabe des alt- ' 
.flämischen Textes. Das Buch wird Lurch die Nachzeichnung^ 
einer Miniatur geziert, die den in Waldeinsamkeit schreibenden 
- Ruhsöroeck darstellt.
	        
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