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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Küs 
rLo. 
auch trage. Hegt er Zweifel an der Haltbarkeit ihrer Konstruktion 
WWs Is«M. 
In der Vereinig ung für 0 rienta 5 rscheSpra - 
chen plauderte am Dienstag Dr. Lüring, ein genauer Kenner 
malayffcher Verhältnisse, über einige der wichtigsten T i e r e 
Hinrerindiens. Er begann mir dem Tiger, der bei der 
Bevölkerung in dem Rufe der schwarzen Kunst steht. Der Malaye 
Klaubt nämlich, daß manche Tiger, die des Nachts auf Raub aus 
ziehen und Schlafende Überfällen, Menschen sind, denen die Fähig 
keit innewohnt, sich durch einen Zaubertrank in ein Raubtier zu 
verwandeln. Wie jeder Aberglauve, zieht auch dieser aus allen 
möglichen Beobachtungen seine Nahrung Es wird etwa ein Tiger 
angriff abgeschlagen und die Bestie hierbei gehörig gekennzeichnet. 
Am nächsten Morgen kommt vielleicht, wenn der Zufall es will, 
der Nachbar nicht zum Vorschein, oder trägt, weil er sich verletzt 
hat, den Arm in der Schlinge. Der ungezwungene Schluß hieraus 
ist der, daß er der Tiger war. Furchtbare Strafe harrt seiner: er 
wird erstochen oder eingepfählr. Um seinem grausamen Geschick zu 
Die Brückenfrage. Auf das im Stadt-Blatt vom 16. Februar ! 
veröffentlichte Schreiben des Rates für künstlerische An- ! 
gelegenh e i t en an den Magistrat, in dem um eine Ausstellung 
der vorliegenden Brückenprojek^ nachgesucht wurde, ist jetzt, wie 
wir erfahren, eine in der Hauptsache zu stimm ende Antwort 
erfolgt. Der Magistrat teilt dem Rate mit, daß es auch in 
der Absicht der Brückenbau-Kommission liege, die Pläne und das 
Modell des offiziell genehmigten Projektes für den Umbau der 
alten Mainbrücke der Öffentlichkeit nochmals zu 
gänglich zu machen. Zeit und Ort der Ausstellung werde noch j 
bekannt gegeben. 
umer 
Umständen vrerzig bis fünfzig Tiere eingebracht werden, die aber 
zumeist sterben. Man zieht darum neuerdings vor. bereits 
abgerichtete Elefanten aus Indien Zu kaufen. 
Weiterhin gedachte Dr. Lüring noch des Tapirs, von dem 
un Senckenberg ein wunderbares Exemplar zu sehen ist. Der 
Tapir rst völlig harmlos, nur richtet er in den Plantagen großen 
Schaden an. Eme schöne Varietät ist der Schabrackenträ "'er, der 
eine Sattelzeichnung auf dem Rücken hat.— Zu den Dickhäutern 
gehört auch das Schwein. Den mohammedanischen Malayen 
grlr es als unreines Tier. Da es von ihnen nicht verzehrt wird, 
vermehrt es sich stark und dient dem Tiger als Nahrung, der so 
gleichsam mittelbar Schutz genießt. 
Zu den seltenen Tiercn gehört die Bergzi eg e, auf die man 
zuerst aufmerksam wurde, als man in den Bvrratssäcken der 
Zauberer einige Hörner fand, deren Herkunft man nicht kannte. 
Auch eme Varietät der Seekühe findet sich in der Gegend von 
Smgapore. Das Tier hat anderthalb Meter Länge und gleicht 
im übrigen nicht im mindesten einer Kuh. Seine Schnauze ist 
seehundartig, sein Fell braun. Es ähnelt den Robben umsomehr, 
als seine Hinteren Gliedmaßen flosienariig ausgebildet sind. Aus 
den Augen scheidet es eine Flüssigkeit aus, die der Malaye 
„^.ranenöl" nennt und als Liebestrank verwendet. Lr. 
so ist er nicht über sie zu bringen. Gelegentlich werden Elefanten 
rn Hinterindien gefangen. Die Malayensurften Veranstalter: mit 
Hrlfe, ihrer Zwergvolk-Untertanen Treibjagden, bei denen 
, l8u Holzapfels Panideal^ Im Anschluß an den Ar 
' tikel Dr. Siegfried KracauerZ über Holzapftls „Panideal" bringen 
- wir e'ne Aeußerung Klabunds, um unseren Lesern Zu Zeigen, 
daß nicht nur der philosophische Kritiker, sondern auch ein Dichter 
diesem utopischen Kultur-Jdealrsnms fern stehen muß: 
„Der Grundfehler in der Konstruktion des Panideals siegt 
darin, daß es wie das ganze 19. Jahrhundert von einem rein 
rationellen Begriff der Kultur ausgeht. Darwin war sein Pater, 
bis Chemie seine Mutter und der arme Nietzsche hat Lei ihm Pate 
stchen muffen. M. w-, wie der Berliner sa.gt: machen wir! Aber 
eine Kultur wird nicht gemacht, sie wächst, sie wird. Um sie sich 
klar Zu wachsn, machen die Nach-geborenen sich ein „Bild" von 
ihr, sie definieren sie, sie benennen sie „die Antike", „die 
Renaissance", wie man einen Apfel „Borsdorfer Apftl" 
oder einen Holzapfel Holzapfel nennt, um ihn Zu be ¬ 
greifen und von anderen Acpfeln zu unterscheiden. Aber so wenig 
man einen Borsdorfer Apfel erschaffen kann, so weni.a kann man 
„die Antike", „die Renaissance" künstlich, wissenschaftlich hervor» 
bringen. Eine Kultur steigt wie eine Zeder ins Licht. Ein Fakir 
kann seinem Publikum wohl das Wachstum dieser Zeder „vor 
machen", aber er kann sie nicht wachsen lassen. Daß das Panideal 
Genies Züchten will,, das ist nicht nur ein in der chemischen Reiste 
aus geborener, unmöglicher Gedanke: er ist auch Llasvbemisch, 
denn der Mensch vermißt sich hier einer Tat, die nur Gott run 
kann- Warum geht das Panidoal nicht noch einen Schütt weiter, 
der nur konsequent wäre: warum betreibt es nicht die chemische 
Auflösung d"s Menschen in seine Bestandteile, um aus den Ele 
menten den schlechthin vollkommenen Menschen, den neuen Men 
schen den borno novn5, den weisen Menschen, den korno sapiens 
selbstherrlich, sslbstgöM-ch Zu schaffend Warum Lei der Kultur erst 
anfangend Warum nicht aufs Ei zurückgehen? Der Gedanke, 
Genies berd-nwü-e anstuziehen, ist abw auch ein fürchterlicher Ge 
danke. Die Welt hält sich die Wage ja nur durch das G-setz der 
Nolarität: Mann und Weib, Tag und Nacht, Tod und Leben, 
Gott und Teufel halten sie in der Schwebe. Ein Haufen Genres 
ergäbe «ein UeLsrqewrcht, das sie unfeKlbar in eine luciferische Tiefe 
reißen würde Es gibt ein simples Buch von Hamsun- das heißt 
Van. Dem Holzavfelschen Panideal. möchte ich das Hamsunsche - 
Pan-Jd<al gegenüberst-ellen: ein Mensch, der, wie Gott ihn er-! 
schaffen,, neben und mit Blume, Stern, Tier auf der Erde lebt»! 
Ein Menfch^dem^ir Nabelschnur, die ihn mit dex Mutter Natur 
verbindet, noch nichr gerissen ist. Ein Mensch, der nicht in emer 
Schule d^r Weisheit aufgezogen und mit geistigem Hochmut stinkend 
ungefüllt rst. Ein Mensch, der natürlich geworden ist und natürlich 
wird. Ein Mensch, der Gott nicht überMden und die Schöpfung 
nicht korrigieren will wie ein Lehrer in der Klippschule den dum 
men Schüler. Kein Genie in Anführungsstrichen. Ein einfacher, 
von Gott und der Welt erfüllter Mensch. Ein Mensch, der liebt. 
— Klab und." 
entgehen, entflieht er wohl in den Urwald und wird nicht wieder 
gesehen. In Sumatra lebt ein primitiver Bolksstamm, dessen An 
gehörige noch alle für Menswenriger gelten, vermutlich deshalb, 
weil dort bis vor kurzem die Menschenfresserei im Scbwunae war. 
Es g?bt auf der malayischen Halbinsel außerordentlich viel Tiger; 
sie sind sehr fruchtbar und überall hört man ihre Stimme 
Viel gefährlicher als der im Grunde feige Tiger ist der Leo 
pard oder Panther. Besonders häufig kommt derschwarZe 
Panther vor, ein elegantes, schleichendes Tier, das unheimlich 
wirkt, weil es seiner Farbe wegen nahezu unsichtbar ist. Der Scha 
den, den es stiftet, ist ungeheuer. Es beißt den Tieren die Kehle 
durch und faugr ihnen dann das Blut aus; das Fleisch Läßt es 
zumeist liegen. 
Eine besonders launige Charakteristik entwarf der Vortragende 
von dem Elefanten. Recht zu trauen ist diesem Dickhäuter 
auch in gezähmtem Zustande nicht. Zwar nimmt er die Mißhand 
lungen, die er durch seinen Führer erleidet, ruhig an, aber er be 
wahrt sie alle in seinem Gedächtnis auf, und wenn das Matz voll 
ist, trampelt er den Führer einfach nieder. Die Urwälder bergen 
noch viele Elefanten, vorausgesetzt, daß die Kultur sie nicht zurück 
getrieben hat. Der abgeriästete Elefant führt die erstaunlichsten 
Leistungen aus. Mir seinen gewaltigen Hauern hebt er Balken 
empor und schichtet sie — kein indischer Arbeiter vermöchte es 
besser — zu regelmäßigen Haufen an. Auch bei Feldzügen durch 
den Urwald m cht er sich nützlich, indem er Kanonen Zieht und 
Versckanzungen baut. Schließlich verwendet man ihn als Reit 
tier oder läßt ihn Gold- und Silbererze durch den Urwald.trans- 
portieren. Der Führer spricht mit ihm eine besondere Sprache, 
die jedenfalls nicht die malayische ist, oder vortrefflich von ihm 
Verstanden wird. Kein Elefant kann dazu bewogen werden, eine 
drücke zu passiven, ohne vorher ausprsWrt zrr haben, ob sie ihn 
(H. Vallent i n) entfesselt zu allem Unglück mff der Insel noch 
eine Revolution, die das kostbare Leben des gekrönten Hauptes 
und Schuldners unmittelbar bedroht. Wer vermöchte Hilfe Zu 
bringen wenn nicht Herr Collie 3.03.5 Professor Pelotard? 
Alfred Abel spielt ihn so geistvoll und scharmant, daß man 
sich ohne Zaudern eingestehen muß, H^rr Collin sei das gute 
Prinzip in unserer verlotterten Welt. Er erledigt den schmieri 
gen Wucherer (Guido . HerZ selb), entführt die Groß 
fürstin listig ihrem brüderlichen Bedränger, befreit den Groß- 
Herzog aus den Klauen des Gauners und ermöglicht am 
Ende 'die Ehe der gefürsteten Gönner. Daß er aus ihren 
Schwierigkeiten beiläufig einen nicht geringen privaten Nutzen 
zieht — ist jemand, der ihm das verargen wollte? — Der Reiz 
der für den Film geschickt bearbeiteten Handlung wird noch er- 
hrht durch die herrlichen Naturaufnahmen von der dalmatinischen 
Der Schrei um Hilfe. 
— Frankfurt, 21. Februar. 
Der Schweizer Dichter und Schriftsteller Mbert Tal- 
hoff, der in seiner Heimat von der deutschen Not berich 
ten will, hielt heute abend seinen von uns bereits angekürüng- 
ten Vortrag über die Erfahrungen, die er im Lause der letzten 
Ich« in ÄeutschlMd gesammelt iMt- Eine Reihe von Licht 
bildern, ausgenommen von einer Amerikanerin, die das Elend 
hier überwältiate begleitete seine Darlegungen, und führte bei-! 
«ahe eine beredtere Sprache als das Wort selber. 
Man sah die Scharen derer, die sich vor dem Obdachlosenasyl 
Berlin drängen und auf dem nackten Boden dort Unterkunft 
finden- Nahm das Asyl vor dem Krieg und noch bis zum ^ahre 
1916 460 bis 600 Menschen auf, so nächtigen heute 5060 bis 6000 
WohnungsLose in ihm. Man iah weiterhin entkräftete Mütter, dre 
ibre Kinder nicht mehr zu nähren vermögen, sah Angehörige oes 
Mittelstandes, die ein Stück ihres Besitzes nach dem anderen ver- 
kausen, bis sie schließlich vor dem Nichts stehen. Kinderreiche 
Familien, in Baracken Zusammengepfercht, verschämte Arme, dre 
gierig nach dem Futternapf greifen, trauriges Hinexistieren in 
Stuben ohne Hausrat: das alles wurde im Bilde gezeigt Zumal 
Las Kind erel end sprach zum Beschauer. Tuberkulose und 
skrofulöse Erkrankungen unterbinden — die Photographien be 
zeugen es drastisch — das normale Wachstum nicht nur 'n den 
Großstädten, sondern auch auf dem Lande. Auch die Statistik 
kündet dnvon; erfäbrt man doch, daß ein Berliner Waisenknabe 
im Durchschnitt fünf Kilogramm leichter und sieben Zentimeter 
kleiner als ein gleichaltriger Wiener Waisenknabe ist. Am möcht- 
barsten vielleicht gestaltet sich das Schicksal der Säuglinge. Die 
Zahl der Totgeburten ist §ewaltig gestiegen und neuerdings hat 
Man gar, um nur ein Beispiel von vielen Zu nennen, in der Bei? 
Nner Charite beobachtet, daß Säuglinge wegen Unterernährung 
blind zur Welt kommen. 
Bei alledem handelt eS sich, wie Talhoff ausdrücklich bemerkte, 
keineswegs um Ausnahmen, sondern um typische Fälle. Er 
stellte sie so ungeschminkt dar, wie sie in Wirklichkeit sind, und 
wies stets darauf hin, daß die leibliche Bedürftigkeit eine „Seuche 
der Seele" erzeuge, die schlimmer noch als das physische Elend sei. 
Sowohl an Deutschland wie an das Ausland richtete er seine 
Mahnungen. Den Deutschen legte er nahe, über dem Parteikampf 
nicht die Nation und üö^r dem Hader der Konfessionen nicht das 
Christentum Zu vergessen. Auch wandle er sich gegen die Prassen-
	        
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