Die große Unbekannte. Sie ist eine Prinzessin aus dem
Lande Hespcrien, die mit dein väterlichen Exkönig unO dem Prinz-
lichen Vetter des Landes vertrieben worden ist. Bas temperament«
volle Trio schlägt sich im Haag schlecht und recht durchs Leben:
der Papa schwerenötert nach älter Gewohnheit fort und fort, die
Prinzessin tritt als Kunstreiterin auf, und das Vetterlein ein
drolliger Bajazzo produziert sich als Zauberkünstler im gleichen
Variete. So bliebe es bis an den jüngsten Lag, wenn nicht oer
Prinz das große Los gewönne, das er bei der Flucht aus Hespe-
rion in einem Bande des Konversationslexikons liegen gelassen
hat. Dieser Zufall setzt die Handlung in Bewegung, und eine
richtige Operette entwickelt sich, die Staatsaktionen travestiert,
Todesurteile ins Lächerliche zieht und den Scheimrnst mit lustigen
Episoden umrcmkt. G Alexander spielt den Prinzen als
Hans iw Glück, dem alles zuerst mißlingt, damit es ihm nachher
umso besser glückt, und Ellen Richter, die Darstellerin der
Prinzessin, vereint spanische Grandezza mit biegsamer Verfüh
rungskunst. Was beide auf der Suche nach dem Los in Hespe-
rien erleben, ist garnicht zu sagen. Sie werden erkannt und ver ¬
urteilt, sie retten sich wieder, durchstreifen verkleidet das Land,
finden das Los'und verlieren es von neuem: Kurzum die Verket
tungen sind unerschöpflich, und um der Situationskomik willen
geschehen die unwahrscheinlichsten Dinge. Nur nebenbei sei be-
nnrkt, daß die Prinzessin einen der Aufrührer liebt, was dre Hand-
lung'noch verwickelt, und daß das Eingreifen des Exministers,
ernes gar niedlichen Schuftes (Karl Huszar), manche pein
liche Zwischenfälle zeitigt- Die zweite Abteilung des in den U.
T -Lichtspielen laufenden MnG, der wundervolle Land
schaftsausnahmen aus Holland, Spanien, Portugal bringt, folgt
dgsnäM Mast
- ^.„f^otographische Ausstellrmg.l Im Frankfurt«!
SMAeMerbemuseum wird zur Zeit eine Ausstellung zweier
Leipziger Akademie für gra
Phische Künste und Buchgewerbe vorzeführt. Die von
Pros. Goetz geleitete Klaffe für Reproduktionstechnik
»K «ne bis ins feinste durchgearbeitete große Wiedergabe deS
Mnheimer Mars und Faksimiles englische Schabkunst-
Matter, die völlig den Eindruck der Originale erwecken Grstaun-
lich vor allem die farbigen Lichtdrucke nach einem Stammbuch
öfs 18- ^Jahrhunderts, Matter von minutiöser Treue, die sogar
die Rucksert« ihrer Vorlagen peinlich genau nachbilden und In
nichts mehr an Photographien erinnern. Pros. Eugene Smith
der Leiter der Klaffe für N atu r ph ot ograph te, bietet eine
RZe -Mner Arbeiten dar, die eine sehr reizvolle (wenn auch
Mcht unproblematesche) Verbindung von Technik und zeichne
rischer Kunst sind. Dadurch, daß der Mater in diesen Blättern
den Photographen taktvoll unterstützt, entstehen Aufnahmen, die
das Vorbild «st zu ferner vollen Wirkung bringen und nicht selten
den erregenden Zweifel wecken, ob er sich um die Wiedergabe
eines Naturobsekts oder eines Gemäldes handle. Sämtliche Ar
beiten bekunden den Sinn für zart« Zwischrntön« und model
lieren noch der Hauch einer Rundung sorgfältig heraus Akten
im Freie^auf denen d'.« Glanzlichter spielen, reihen sich Porträts
aus der Münchner Gesellschaft und Künstlerwelt an, unter denen
mm manche bekannt« Gesichter erblickt. Sehr lehrreich zu be-
°b?°An, wie bei diesem Jneinandergrelfen des Technischen und
Künstlerischen di« Wiedergaben einen stark subjektiven Hua er-
KmS-n, und persönliche Auffassung jede Einzelheit des Bilde»
prägt. Die Schülmarbsiten, die durchweg Qualttätsleistungen
Znd- düngen -mß-r den Porträts einig- behutsam abgatönte
Landschaften und Stilleben von guter illustrativer Wirkung. —
Me Ausstellung soll von Frankfurt aus noch eine Anzahl deut-
Mr Stadt« dMwmchW, M sie W .Heimatort zurück-
Aeber die jüngste Dichtung.
Das Antiquariat Baer u. Co. hatte am Donnerstag zu
einem Vortrag Pros Dr. Hans Naumann über die jüngste
Dichtung geladen. Eine leichte, schwunghafte Plauderei, die
Verbindungslinien zwischen den Jahrhunderten zog und zeigte,
wie das Gleiche sich immer wiederholt, ohne Laß die Wiederholung
darum als Plagiat anzuspvschen wäre Der Redner begann da
mit, daß er an Hand verschrerdener Analysen nachwies, wie die
N om av^ik in der Dichtung der Mm zwei Jahrzehnts Merck
halben Auferstehung feiert Echt romantisch ist etwa Hauptmanns:
„Und Pippa tanzt", das die Erinnerung an Mörike herauf-
beschwört, romantisch auch sein „FahrhundertfestspieL", deffen
ironische SLoffbehanÄung fich aufs engste mit einem erst nach
seinem Erscheinen aufgefundenen Stücke Rückerts berührt Thomas
Mann wird man ebenfalls unter die Romantiker zu reihen haben.
Wie bei der Bettina spM man hinter dem von ihm Gesagten immer
seine Person hindurch, und der scheinbar leidenschaftslos geschrie
bene Roman: „Die Buddenbrooks ist romantischer als der Lu-
dolf Urslen" der Ricardo Huch, die viel eher in ihren großen
GeschichMomanen nahe an die Romantik rückt. Romantisches
Weltzefühl und Schellingscher Pantheismus machen sich auch bei
Mombert und Morgenstern geltend. Besonders ausführlich ver
weilte der Redner bei Hofmannsthal, den er Zwischen antikisierende
Primitivität und Romantik einsteWe. Lehrreich war Zumal der
Vergleich Mischen des Dichters „Lebenslied" und dem „MuM-
sohn" Goethes, die beide, wie schon ihre Formgebung verrät, von
dem gleichen Lebensgefühl beseelt find. Antike Stilelemente finden
fich außer bei Hofmannsthal auch bei Rilke und George, in deren
Werken nicht zuletzt etwas von der. keuschen Unberührtheit des
Novalis lebt.
Den „Sturm und Drang hat bewußt Hastncbever aus
genommen. Bei ihm setzt sich der einsichtige Kampf gegen den
Absolutismus als Kampf gegen die Familie fort, sein ganzer
Rhythmus und der Radikalismus seiner Gesinnung gemahnen un
willkürlich an die große Geste Schillers. Sturm und Drang atmet
auch die neue Lyrik Diese Dichter, die alle zwischen zwanzig
und dreißig Jahre alt find, rütteln an dem Bestehenden und er
heben das Genie auf den Thron, das Genie, das Ausnahme,
Kraft, Freiheit und Natur ist. Auf der Suche nach dem Mew
scheu schlechthin erklären 'sie der Staatsgewalt und der Wissen
schaft den Krieg, erhöhen den Sünder und verkünden das Evan
gelium der Bruderliebe. Die Parallelen gehen bis ins einzelne:
in Werfet lebt der junge Schiller auf und die Tiraden SchubaM
kehren bei Hasenclever wieder. Auch die empirischen Schicksale
find ähnlich. Die jungen Wortführer verstummen zumeist bald
nach ihrem Auftreten und kriechen in anderen Berufen unter.
Auch die Verwandtschaft mit dem älteren Barock drängt
sich auf. Um Theodor Däubler zu verstehen, muß man bis Zu
Hoffmannswaldau und Gryphius zurückgehen. Hier wie dort die
gleiche Höhenlage der Empfindung, die gleiche Nebeneinandsr-
setzung der Abstrakte! und Konkreta, der gleiche unaufhörliche Wech
sel der Bilder. Man denkt auch an Rubens oder an Tintoretto,
der bisweilen apokalhptisch'e Vorstellungen mit hinreißendem
äußerech Schwung vereint. Werfels: „Christus am Aeserweg"
etwa: das ist Tintoretto und Gryphius, mit allen Zeichen der
Vergänglichkeit Mb Verwesung anMM Bezeichnend genug,
daß "derselbe Werfet seit Jahrhunderten wieder die ersten Choräle
schreibt, die lmmoyant dG Thema der VMeitelkeit anschlagen.
— Dem Redner ward für den fesselnden Uebechlick lebhafte^ Bei
fall der Hörer zuteil. Tb. ?
SlZdwersrtz«elM-V§GWMWKg.
Sitzung vmn 6. Ma^.
Nach Eröffnung dr Sitzung trat man sogleich in die
GeusraldebaLir
zum Haushaltsplan ein.
Stadtv- Heiß wolf (Soz.) hebt anerkennend Las Bestreben
hervor, dem Etat, wieder eine feste Grundlage zu geben, betont
abe:, Latz es richtiger gewesen sei, wenn man statt der verschieoe-
nen Sonderfonds einen allgemeinen Rücklagefo nds
geschaffen hätte, aus dem dann die einzelnen Bedürfnisse zu spn-
sen gewesen wären. Die Praxis müsse Zeigen, ob das Verfahren
des Magistrats richtig sei. Der Redner übte sodann Kritik an der
ungleichmäßigen HeränZfthung der Zenfiten. Die Lohn- und Ge
haltsempfänger müßten das Sieben- bis Zehnfache der früheren
Einkommensteuer zahlen,, was bei den anderen Zenfiten keineswegs
der Fall sei. Es müsse darauf gedrungen werden, Laß Jndustrie-
unL Großkapital die gleiche steuerliche Belastung erführen wie die
Festbesoldeten. In der Herabsetzung der Grundvermögen-
teuer erblickte der Redner einen Beweis dafür. Laß der Ma-
Üstrat die Bedenken gegen diese Steuer an erkenne. Die Gewerbe-
teuer könne unzweifelhaft ertragreicher gestaltet werden. Die Auf-
wärtsbewegung der städtischen Betriebe sei befriedigend,
denn sie Zeuge davon, daß diese Betriebe bei stabiler Wähmng
wirtschaftlich zu arbeiten vermögen. Sehr entschieden erklärte sich
der Redner gegen ihre privatkapitalistische Aufziehung; das Bei
spiel der Gasgesellschaft zeige, welche Gefahren man damit hemuf-
beschwöre. Auch die Durchführung des Personalabbau
Gesetzes unterzog er der Kritik; vor allem forderte er, daß bei der
Kündigung der städtischen Angestellten die Familimverhältniffe zu
berücksichtigen seien Man habe den Abbau viel zu schnell inZ Wer?
gesetzt, und die Tatsache, daß 40 Prozent der Bevölkerung an'er-
stützungsbedürftig sei, gebe sehr zu denken. Von Sparmaß
nahmen bei der S ch u l Verwaltung müsse genau so abgesehen
werden wie bei den sozialen Aemtern Die für die Schulkinder
speisung etwa oder für die Reformschule eingesetzten Zitiern seien
als Zu gering Zu bezeichnen; desgleichen gelte es den Wiederauf
bau der Fachschulen energischer zu betreiben. Weiterhin drückte
der Redner den Wunsch aus, daß auf dem Gebiet des Wohnungs
wesens mehr als bisher getan werde; die Stadt Wien müsse uns
in dieser wie überhaupt in sozialer Hinsicht ein Vorbild sein.
(Bravo!)
Stadtw Dr. HeilLrunn (Dem) wies zunächst die Finanz-
bedürmisse der Stadt am. ^er Etat sei zu begrüßen als Versuch,
wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen. Vor allem gedachte
der Redner dankend des Stadtkämmerers, der Genugtuung darüber
empfinden dürfe- daß endlich wieder einmal der S t a t a n f fe st e m
G r.u n L ruhe. Freilich, Jubelhymnen über unsere Finanzlage
dürfe man noch keineswegs anstimmen. Der Gemeinde ließe sich
keineswegs einen Vorwnrf daraus machen, daß sie so spät zur Gold
rechnung komme. Es sei übrigens sinnlos, die Zahlen des EratS
von 1924 (71 Millionen Mark) mit den niedrigeren des Etats
von 1914 (60 Millionen Mark) Zu vergleichen, denn die heutige
Mark stelle einen viel geringeren Wert dar als die Mark in der
Blütezeit Deutschlands. Hat man sich dies klargemacht, so muß
man ohne weite zum Schluß kommen daß der jetzige Ver
walt u NLs a ppa r atvi e l z u a roß ist. Er ist ein Raub-