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darüber aus, daß es gelungen sei, in diesen fünf schweren Jahren'
das Gemeinwesen im großen und ganzen so zu erhalten, wie
man es übernommen habe. Es komme darauf an, in stiller Arbeit
weiter Zu wirken. Weder Ludendorff noch Lenin könnten uns >me
Rettung bedeuten; es komme vielmehr darauf an, sich praktisch
und nüchtern auf den Boden der wirtschaftlichen
Tatsachen Zu stellen, (Lebhaftes Bravo!)
StaLLv. Dr. Kercher (Air.), der ebenfalls die Aufstel
lung des GoldetatH anerkannte, brächte vorwiegend E i n -
zelanlieZen vor. Er wünschte dringend, daß die städtischen
Elektrizitätswerke ihr VertragZgebiet ausdehnen und forderte auf
dem Gebiet des Verkehrswesens, zumal den Ausbau deZ Straßem
bahnnetzes. Ferner sprach er sich Zugunsten bor kleinen Sparer aus
und empfahl auch Berücksichtigung der Erwerbslosen an. Von
seinen übrigen Wünschen sei noch hrrvorgehoben, daß er dem Ma
gistrat eine bessere Behandlung der Stadtverordnetenversammlung
nahelegte, schleunige Durchführung des Brückenbaues und geeig
netere Räume für die S ch u lki n d e r sp e i s u n forderte
usw. Zum Abbau bemerkte der Redner, daß den Nichibeftoffemn
dre Verpflichtung Zuwachse, den Entlassenen und Bedürftigen tat
kräftig Zu helfen.
Stadtn Landgrebe (Lib.) erkannte die rechtzeitige Ein
bringung des Goldetats mit Befriedigung an. Der Etat verpflichte
dazu, Einnahmen und Ausgaben aufs genaueste zu errichten; er
verpflichte ferner, weil die Zuschußwirtschast aufgehort habe, und
nun die stabile Währung aufrechterhalten werden müsse. Der Etat
Die Astsrig-Mhue.
Da wir den Faschingsdienstag noch in den Knochen spürten,
besuchten wir am Aschermittwoch die Ast o r i a- B üh n e. Haupt
sächlich aus Pflichtgefühl gegen Me „Naturaeietze Denn, io
es doch, die Natur macht keine Sprunge, sie kennt nur die langen
organischen Uebergänge Wie also? Wäre es mcht ^revel ge-
! Wesen zu plötzlich aus unserem Lebenswandel herauszusprmgen.
- Wir Zogen es vor. natürlich zu beiden und auf dem Umweg ub^r
das Kabarett organisch ins Bert ü^ , , ..
Die Sache begann damit, daß der Conferencier eigentlich mn
Conferencier ist, waS nicht, wie wir anfänglich vermuteten, auf
Sinnestäuschung berühre, sondern schlichte Wirklichkert war unv
bleibt. Nein. Henry Lorenzen ist eigentlich etwas ganz
anderes als ein Conferencier, aber er kann auch, was er nrcyt rst,
und zerrt den Klepper Publikum nett und lustig von Nummer Zu
Nummer fort- Das Amt wächst eben mit dem Vechano und wer -
den Faschinasdimstag im Blut hat, treibt den Aschermittwoch aus
den Gliedern.
Ria Rie ck, die den Reigen eröffnet, stellt mehrere Tänze auf
die Beine, oder vielmehr: sie stellt nicht, sondern hupft wie ein
Füllen jung und ungeberdig auf der Weide umher, unser Kater,
der offenbar an Füllen nicht seine Freude hat, kommt dabei ganz
auf den Hund und schleicht sich betrübt davon. Man ftM in oer
! Zoologie nie ganz aus«
bau zu Lasten unsrer Arbeiter Anoestellten und Beamten. Darum
ist der Etat ein fiktiver, denn es ist auf die Dauer unm Sqlich
mit so gedrückten Gehältern zu arbeiten. Der Ve-rnol-
tunoSovvärat muß unbedingt verkleinert werden; freilich l^n
das nur »rqanisck qesKeben, nickt gewaltsam, wie man bis
her vorgeaanasn ist Mr allem wird d'irck eine
systematische Konzentration der Verwaltung
manches zu erreichen sein. Gegen Stadtverordneten
Heißwolf erklärte der Redner, daß seine Ausführungen
durch die Steuergesetzgebung längst überholt seien. Im Vorjahre
habe man als einzige ertragreiche Steuer die Gewerbesteuer
gehabt; man könne wohl sagen, daH die Einnahmen hauptsächlich
aus Handel, Gewerbe und Industrie zusammengek-m-
men seien. Was die ErundvermSgenstsuer betreffe, so hab- man
ihr zuacstimmt, um den Zusammsnbruch d«: städtischen Fin-amen
zu verhüten. Jetzt werde die Frage ihres Abbaues aktuell. Den
HauSbesitz heute noch mehr zu belasten, dagegen sprecyen die
schwerwiegendsten Bedenken. Im übrigen sprach sich der Redner
für äußuste Vereinfachung des Steuerwesens aus.
Geoen den Schuldendienst bezeige er eine gewiss? Reserve. Dre
Stadt Frankfurt habe bisher einen blanken Ehrenschild als Schuld
ner asbabt, auf den sie ackten müsse. Es erschein« darum dringend
notwendig, die städ'isch'n Anleihen zu konvertftr-n und
in ein- einzige Goldanleihe umzuwandcln. Die KriegSwlrtscha,rs-
ämter seien zu liquidieren, auch das Wohnungsamt. Zur Forde
rung des Wohnungswesens müsse die Zwangswirtschaft aufge
hoben werden. Die Ruinierung des Hausbesthes, dem man die
ihm zukommenden Meten vorenthalten habe, fei ein« unmora
lische Politik g-wesen Das Bauen scheitere vor allem,-m
dem mangelnden Kredit Der Redm- schlug vor das städtnche
Hvpothekenamt zu einer zentralen Vermittlungsstelle
für die Beschaffung von Bougeldern auszugestalten.
Wien könn« uns hierin kein Vorbild sein, da es unter ganz an
deren Bedingungen steht. Bei den sozialen W o h l fa h - - S-
«in richtun gen, die natürlich zu unterstützen seien, können
vielleicht durch'fruchtbare Organisation manche Ersparnisse erzielt
werden Für die Zwecke der Erwerbslwen sei wohl die Schmr-ng
eines SpezialsondS zu empfehlen, zu dessen Sveisung auck d,e
g-oßen Betriebe heranqezogen werden könnten. Auf dem Gebiet
des Gesundheitswesens sei wohl auch an größer? Konzentrinon
durch Vereinigung von Instituten, Kliniken usw. zu denken- An
d-r Jugend dürft nick« acspart w-rden, freilich gelte es, unnuhe
Ausgaben nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Bestr-bungen zu-
Erhaltung und Verschönerung der Altstadt hob der Redner der
der Erörterung be^ Kultur- und Bildunqswesens besonders rüh
mend hervor 'Zum Schluß drückte der Redner seine Genugtuung
Dem Vorhang entsteigt dann gravitätisch der LauLensänger
Paul Roland, und uns wich Lalladesk Zu Mute. Er ist Wander-
bursch und Landsknecht in einer Person und beschwört den Geist
sämtlicher Zecher von den Kavalieren auf Ekböe bis zu Frank
Wedekind herauf. Wir lassen durch seine bösen Beispiele unsere
guten Sitten nur allzu willig verderben.
Woldemar Sacks ist den_ Frankfurter such in diesem Monat
treu geblieben. Der Flügel ist mit ihm verbunden wie ein Lebe
wesen dem anderen, sie scherzen zusammen und verstehen sich in
jeder Lebenslage. Auf freundlichen Zuspruch des Meisters hin ver
wandelt sich das Zauberinstrument in einen Leierkasten, oder m
eine menschliche Smgsümme, oder gar in eine Nähmaschine, die
Melodien an Melodien flickt. Die Leiden Gefährten find noch
etwas von der vergangenen Nacht mitgenommen, und da ist es kein
Wunder, daß in eine ungarische Rhapsodie von LiszL mit inem
Male als „äeus ex Walzerklänge hineingeraten. Sie
lieben überhaupt den Walzer, die beiden Junggesellen, zumal den
altmodischen Wiener, und werden ganz sentimental, wenn sie s.Lner
gedenken. Aber das Gespräch gleitet schnell weiter, un-d bald
mokiert man sich einträchtig über eine kleine Klavierschülerin. die
sich beflissen müht, oder über ein verstimmtes Piano, das in irgend
einer Bierstube zu Leipzig Zlbend für Abend zu neuen Missetaten
und -tönen aufgereizt wird
An das Duett schließt sich ein Tanztrio der beiden Don
Alfonsos und d^r Loni L i st- Das ist nicht Schlesien, sondern
innerstes Rußland: 'Lieb es werben im Kaukasus, Nationaltracht so
echt wie Geberde. wildester Rhythmus verkörpert mit flämisch un
erschütterlicher Miene. Gewiß, so g-eht es in der Steppe zu, und
man möchte ein Gogol sein, um auszudrücken, was man fühlt.
Die VortvagZkünsÜeftn Toni v BukovicZ versetzt wieder
nach Westeuropa in die Gefilde der Großstadt zurück. Sie verfügt
über das grelle Lachen des Clowns gbeich sehr wie über die
leichten, um nicht zu sagen frivolen Töne der Dame von Welt.
Auch das urbayrische Idiom bringt sie ohne Hitlerschen Nach
geschmack heraus.
Nach der Pause führt Henry LorenZen sich selber ein und
zeigt sich endlich, wie er in Wahrheit ist. Er ist aber jedesmal
der, in den er sich verwandelt. Zunächst ein junger Mann in
einem Restaurant, der mit der Gabel in den Zähnen stochert, einem
unsichtbaren Hündchen unsichtbar^ Knochen zuwirft und Kirsch
kerne, die nicht vorhanden sind, graziös in die Luft spuckt; dann
ein Chansonnier, ein Tänzer und der Superlativ eines Komikers;
schließlich ein Zauberkünstler, der etwa seine Finger hinter der
Handfläche versteckt und Zu dem Bekenntnis Zwing:, daß dieses
höchst natürliche Ereignis ein Wunder sei. Jeder Zoll ein Vojas,
' empfindet er ersichtlich selber das größte Vergnügen darüber, daß
er so drollige Gestikulationen vollbringen kann und darf.
! In Annemarie Hase ersteht Zille und Groß-Berlin. Sie
- berichtet der Provinz auf echt Berlinisch von Fräulein Raffke und
lerzählt^eine Moritat aus der Gegenüber AckersLrgße, Lei der er
Das Frankfurter Adreßbuch 1924.
» Das Frankfurter Adreßbuch für ISA ist erschienen wo
klangt w der Expedition Kronprinzen^. 6, II. rn der Zert von
9 Ubr vormittags bis 4 Uhr nachmittags zur Ausgabe. Don den
Vorbestellern kann daS Adreßbuch gegen Aushändrgung der ihnen
S Ui aaetqlganuansngenin Ä E uS m w pefa i sn k gar t egennoamc h men V ow llz e i red h e u nngEi d neer beschrankte
Satlgung in Empfang genommen werden. Eine beschrankte
AnM allerer StMpläne sind zum Preise von 2 pro Stuck
Zur Ausgabe des neuen Adreßuchs wird uns geschrwben: Das
Adreßbuch bietet einig« unangenehmeU sb erraschun gen.
Schon sein obgemagertez Aeußese verrät, daß es an innerer Fülle
verloren hat. Und in der Tat: schlägt man es auf, so wird man
gewähr, daß wichtige Kapitel ernfach ausgeschre-
de n worden sind. Vor allem fehlt das für den Benutzer unent
behrliche Verzeichnis der Straßen mit sämtlichen GrundsruMn wo
Bewohnern; an seine Stell- ist eine nur »wer Selten umfassende
Strahentabells gerückt, mit der man so gut we Mir nMS anfangen
kaum Auch das sehr zweckmäßige VnzeichmS d-r PostscheMmden
ist der Einschränkung »um Opser gesoffen. Schließlich hat man —
und das ist vielleicht dar unbegreiflichste — die Umgebung
Frankfurts ganz gestrichen, sodaß die 28 Nachbarorte
im Adreßbuch überhaupt nicht mehr vertreten sind. Die Allgemem-
-heit hat ein Recht darauf, zu erfahren, welche Grunde zu
dieser einschneidenden Reduktion geführt haben, die den Erforder
nissen des Verkehrs geradezu zuwiderläust^
den redlichen Bürger kalt überrieselt. Auch RinLelnatzLns „Ge
seires einer Aftermieterin" wird durch die Monotonie ihres Vsr-
trags zum Ereignis. ,
Die letzte Steigerung bringt KarMen ELtlinger. der .äugst
Bekannte und Vertraute, der eigene Produktionen rentiert. Wenn
man, wie ex behauptet, eine Frau -daran erkennt, daß sie unweiger
lich die Pointe einer Geschichte verfehlt, so beweist er selber ein
Mannestum jedenfalls oadmrch daß er stets m§ Schwarze des
Punktes trifft. Anfänglich noch gleichsam mit Vor- und Zu
namen behaftet, enthüllt er nach und nach immer reiner üne
Karlchen-Natur Unverfälschte Frankfurter Klänge entringen sich
seinem Organ, wenn er die Vawrstadt preist, und wer sreur sich
nicht innig, daß Schneewittchen in unseren Mauern geboren ist
und den Vrinzen von Offenbach zum Manne .gewinnt?
Zum Schlüsse beweisen die Don Alfonsos noch, daß sie nicht
nur Russisch können, sondern auch mit Step und Shimmy auf
- vertrautem Fuße tanzen- Dann beginnt die allgemeine Tanzerei
vielmehr: sie beginnt nicht, denn alles ist müde und Zvtrm^ sich
! schnell nach Haus. Die Natur fordert, wie es an dieser Stelle
heißen mag. gebieterisch ihre Reckte, und der übergangene Nscher-
mittwoch^äßt nicht mit sich spaßen. rme.