jähren als, Pflanzstätten des Ungeschmacks genossen. Die breite
OeffentlichkeiL erfuhr von den errungenen Erfolgen zuerst
durch die große Schülerausstellung bei der Eröffnung des Neu-
baus im Jahre 1913. Eine zweite Ausstellung anläßlich der
Tagung des Gewerbefchulverban Pfingsten 1923 mochte ihr
dann beweisen, daß die Schule trotz der KnLgsnöte ihren hohen
Rang behauptet hatte.
Was die äußere Entwicklung betrifft, fo sprechen
die Zahlen zur Genüge. Die Schule, die 1909 mit fünf Klaffen
und zehn Lehrkräften begann, umfaßt jetzt 9 Sommerklaffen
und 13 Wmterklassen mit 28 Lehrern, von denen neuerdings
außer dem Direktor drei abgebaut worden sind. Die größte
Schülerzahl, die sich auf 308 beließ, brächte der Winter 1919.
Im letzten Semester wurde der Hochbau- und Tiefbau-abteilung
noch ein Kursus für Vermessungstechniker angre-
gliedert, dessen Teilnehmer sich im April einer besonderen
Prüfung unterzogen. Ihre Abhaltung war die letzte Amts
handlung des Direktors. Er schied, wie es seinem stillen und
zurückhaltenden Wesen entsprach, ohne Feierlichkeit von der
Anstalt, die untrennbar mit seinem Namen verbunden ist.
Nicht auf die Schule allein bieb das Wirken Pros. UngerZ
beschränkt. Wo immer man in der engeren und weiteren
Heimat des vielbeschäftigten Mannes bedurfte, stellte er seinen
Rat und seine Arbeitskraft bereitwillig zur Verfügung, und
stets war sein uneigennütziges Eintreten ein Gewinn für die
Sache. Wie er dem Frankfurter Architektenverein
wiederholt als Vorstandsmitglied angehörte, fo fühE er den
Vorsitz der Bauberatungs stelle für Hessen-Nassau und
lieh dem Verein für Förderung des Arbeiter-Woh
nungswesens tätige Unterstützung. Sicheres Urteil,
Unabhängigkeit der Gesinnung und organisatorisches Geschick
machten ihn zu einem Vecha-ndlungsleiter, den; auch der
Gegner Achtung darbringen mußte. Ein besonderes Augen
merk richtete er jederzeit — darin wie in so vielem anderen
der echte Schüler Sittes — auf die Erhaltung des Frank
furter Stadtbildes. Unermüdlich setzte er sich für
seine Pflege ein, zuletzt an maßgebender Stelle in dem Kampfe,
den ein Unterausschuß des Rates für künstlerische
Angelegenheiten um die Reform des nicht mehr zeit
gemäßen OrLsstaA gegen d'K Verunstaltung des Stadtbilds
führte und noch immer führt.- Wir möchten hoffen, daß Frank
furt den in voller Rüstigkeit aus seinem Amt Scheidenden nicht
verliere, denn nur schwer und ungern können wir ihn missen.
ss.L5
Lantfeier der Universität Frankfurt.
Am Sonntag tmrmittag fand in der Aula der Universität
die akademische KanLfeier statt, eröffnet durch den
feierlichen Einzug des Lehrkörpers und der Chargierten. Die
Festrede hielt Pros. Hans Cornelius. Er deutete zunächst
darauf hin, daß zwischen dem Elend, in das unser Volk hinab«
gestoßen sei, und dem Elend der Philosophie, die man seit einem
halben Jahrhundert habe verfallen lassen, ein tiefer, innerer
Zusammenhang obwalte. Nur wenn wir, beseelt von dem
Streben nach letzter Klarheit, die Philosophie wieder zur Füh-
rerm erwahlren, könne es gelingen, die Zielsetzungen mensch
lichen Handelns dem Zufall zu entreißen und uns von neuem
eucharzuarbeiten.
Was vermag uns in solcher Krisis Kant zu bedeuten?
Prost Cornelius erklärte von vornherein, daß man sein Werk
keineswegs ohne weiteres übernehmen dürfe. Und zwar ver
lieh er der Ueberzeugung Ausdruck, daß gerade die Bestand
stücke der Bernunftkritik, die etwa Schopenhauer noch für un
vergänglich hielt: also die Raum- und Zeitlehre und die Lehre
vom Ding an sich, heute preiszugeben seien, da sie sich als
Irrtümer erwiesen hätten. Dennoch: der Kern der Gedanken
Welt Kants bleibt dem Redner zufolge unerschütterL in Kraft.
Einmal hat Kant, was die theoretische Seite seiner Grkennt-
: nisse berifft, uns aus dem „dogmatischen Schlummer" der Leib-
niz-Wolffscheu SchulphilosoMe geweckt und endgültig den
Dogmatismus des vorwissenschaftlichen DerrNens vernich
tet; zum andern hat er erfolgreich die Skepsis Humes be-
kämpst, der eine -von der Erfahrung unabhuLgige Erkenntnis
überhaupt bezweifelte. Dieser Skepsis setzte Kant die unum-
streiLliche Lehre entgegen, daß der Einheit des Bewußtseins Be
griffe entspringen, die allererst die Bedingung der Möglichkeit
unserer Erfahrung sind, Begriffe, durch die wir die Erscheinun
gen formen und den Zusammenhang erzeugen, der als Natur
uns gegenMertritt.
Den gewaltigen theoretischen Einsichten Kants reihen stch
die Ergebnisse der praktischen Philosophie ebenbürtig an. Von
allen früheren ethischen Lehren unterscheidet stch die seine da
durch, daß sie an die Stelle bedingter Normen den katego
rischen Imperativ setzt, der die Verwirklichung des
Guten rein um seiner selbst willen begehrt. Man verstünde
ihn nach Pros. Cornelius falsch, wenn man aus ihm bestimmte
inhaltliche Gebote entwickeln wollte. Er HM die Menschen
lediglich dazu an, im Einklang mit dem Vernunstgesetz ihre
Pflicht zu erfüllen und überläßt es im übrigen jedem einzel
nen, sein eigener Richter zu sein. Eines freilich ist not: daß
die Bedingungen hergestellt werden, unter denen die Menschen
überhaupt sittlich handeln Wnnen. Auch hierzu weist Kant den
Weg in seinem Traktat „Zum ewigen Frieden", der Von den
Staaten fordert, daß sie ihre gesetzlose Freiheit aufgeben und
Ü.W AU iener überstaatliöben Gemeinschaft zusam^
menschlichen, die schon die SLoa ahnte und Dante in seinem !
Epos dichterisch gestaltete.
Zum Schlüsse pries Pros. Cornelius Kant als den Führer,
der uns den Kompaß in die Hand gegeben habe und dessen Leh
ren bleibende Richtschnur des Handelns und Erkennens imen.
Wolle unser Volk zu neuer Größe hera-nreifen, so muffe es
den inneren Kampf gegen die falschen Götter des Mam
mons und der Eitelkeit aufnchwen, die von uns Besitz ergrif
fen haben, und sich in seinen Entschließungen einzig vom
rengesetz bestimmen lassen. — Blaserchöre rahmten dre würdige
Feier ein.
Das Institut der Elsaß-Lothringer.
Das wissenschaftliche Institut der ElsaßH
Lothringer im Reich hielt am 17. und 18. Mai in FrcmH
furt seine Hauptversammlung ab. Generalsekretär Prost
Wolfram dankte in sfeeiinnem Jahresbericht den auWMschertz
Freunden und Gönnern des Instituts, veorbdreirtete sich über das rege
wissenschaftliche Leben im Vorjahr und erklärte, daß trotz des auÄ
mancherlei Gründen eingetretenen Rückgangs der Mitglied erzaW
die Aussichten auf die Zukunft Zu Hoffnungen berechtigten. Die
Bibliothek sei, nicht zuletzt dank einigen Vermächtnissen, auf 12 000
Bände angewachsen, und die Herausgabe einer Reihe weiterer mist
senschaMcher und schöngeMger Publikationen vorgesehen Von!
Optimismus getragen waren auch die Ausführungen des Zweiten
Vorsitzenden, Ministerialrats Donnevert, der in Vertretung deH
Schatzmeisters sprach. Er teilte mit, das das JnsütutsvermüMN
sich jetzt insgesamt auf etwa 13 000 Goldmark belaufe. Da diq
„Notgemeinschaft" ihre Zuschüsse nicht nur weiter zahlen, sondern
sogar erhöhen wolle, und das Ministerium des Innern auch fen
nerhin das Institut Zu unterstützen beabsichtige, werde im konÄ
wenden Geschäftsjahre voraussichtlich die Ansammlung eines klei
nen Fonds möglich fein. Die von der Mitglied-ewersammlung eins
stimnng angenommEn Wahlvorschläge ergeben die Kooption zweier
neuer Mitglieder in den Verwaltungsrat. An Stelle des ausschei*
denden Geh.-Rats Pros. Ehrhardt (Bonn) wurde Zum ersten Von
sitzenden Pros. Anrich (Tübingen) gewählt, der in einer kurzen
Ansprache der Toten des vergangenen Jahres gedachte.
Zwei Vorträge rahmten die Tagung ein. Pros. König gab
einen gedrängten Ueberblick über die Geschichte des deutschen
Reichsbodens im Westen, der sich vom Jura bis Zum Meers
erstreckt. Er ist jetzt politisch von Deutschland völlig abgesprengt;
Flandern, Luxemburg, Lothringen, das Elsaß und die deutsche
Schweiz gehören uns nicht mehr an. Aber die Sprachgrenze verq
läuft heute noch genau so wie zur Zeit der Völkerwanderung,
' uno mag es den Franzosen auch gelungen sein, in den von ihnen
eroberten' Gebieten und darüber hinaus dir Sympathien dev
Oberschicht Zu gewinnen, sie emzutun in die civilisLtiou n-nr^
yLkLe, so haben die Massen doch, ihnen selber vielleicht unbe
wußt, ihr Deutschtum bewahrt. Wobei besonders der Bund zu
Lsachtm ist, den in den GrsnZlandsn Bölkstum und Kirche jeder
zeit ewgegangen sind.
M. den durch Krankheit verhinderten Pros. Spähn sprarrg m
letzter Stunde Pros. Platzhoff ein, der die Stellung Elsaß
Lothringens in der europäischen Politik er
örterte. Die elsaß-lothringische Frage, so hob er hervor, ist stets
eins europäische gewesen, denn auf dem Besitz des Elsaß, oas
Frankreich im 17. Jahrhundert eroberte, beruht seine Vorherr
schaft über den Kontinent. Die andern europäischen Staaten
haben diese Hegemonie dauern) beseitigen wollen, doch Opferten
sie das Elsaß und späterhin auch Lochringen fortgesetzt anderen
Interessen, die ihnen gerade näher lagen. Wie sehr die früheren
NsiSskE als Äompensationsobjekt betrachtet wurden, beweist
die Tatsache, dM der erste sie betreffende Vertrag, den nur zwei
Staaten abschlossen, der Friedensvertrag 1871 war. Da Rutsch
land in 'der Folgezeit selbst von seinen Verbündeten keine
Garantien in Bezug auf das zurückgewmmene Gebiet erhielt, war
es für die Franzosen im Weltkrieg ein Leichtes, von den
Alliierten Zusicherungen zu erlangen, die ihm den Besitz MM-
Lochrmgens gewährleisteten. Uns sind die Waffen heute ge
nommen, und so kann es uns nur durch geistige Waffen ge
lingen, drs Verbundenheit Zwischen uns und Elsaß-Lothringen
wieder herzustellen. Wir werden uns ihm aber umso naher
fühlen, je mehr wir ihm gegenüber die Treue und im Innern
die Einheit bewahren.