Verantwortlich : Für den redaktionellen Inhalt: I. V. Dr. S. Kracauer
reglement uns neues Heil widerfahre.
c.
dus vergilbte Postauto, des sich zwischen Schulkindern und Mist
wagen nach Furtwangen durchschlägt und an scharf konturierten
Hängen vorüberzischt, die Mündigen Augen ein Labsal sind.
Der Triberger Wasserfall verdient einen gesonderten Ab
schnitt. Ob Triberg um seinetwillen, ob er für Triberg.besteht/
mag füglich unentschieden bleiben. Gewiß ist, daß die beiden in
einer Symbiose leben, wie sie sich inniger kaum denken läßt, daß
sie auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind. Wäre
er nicht: wer kühlte Triberg im Sommer, spendete Wasserkraft,
erzeugte die üppige Vegetation und gäbe sich als malerische
Staffage her? Und wäre Triberg nicht: wer umschmeichelte ihn
mit Parkwegen, beleuchtet' seine Kasradenkünste bengalisch,
meißelte Erinnerunastafeln in die Felsen ein und verewigte jede
seiner Eskapaden auf Ansichtskarten ohne Zahl? Freilich, er steht
in der Ehe unter dem Pantoffel und bezahlt den Ruhm mit Ge
fangenschaft. Die freie Bahn, die man seiner Tüchtigkeit zubilligt,
ist "begrenzt, seine Wildheit unterliegt der Kdntrolle, und abge
messen sind die Ausschreitungen, die er begehen darf. Tröstlich
immerhin, daß ihm die Gitter so erspart sind wie den Bestien bei
Hagenbeck, die hinter unsichtbaren Gräben stolzieren. Zwischen
Bänken, Gasthäusern, Brücken, um die er sich nicht zu kümmern
brauchte, kann er scheinbar ungezügelt herab stürzen Und als tosen*
des Spektakel-Stück älle Welt entzücken. In dem ehrwürdigen
Naturschutzpark nehmen sich seine Bekundungen auch recht gewal
tig aus, und wiesen nicht überall Schilder zurecht, man vergäße
für Augenblicke die Zivilisation.
Friderims Rex. Die ersten beiden Teile des vielgewürdig-
Len Films laufen jetzt in der Neuen LichLbühne (Vilöeler-
gaffe). Was man auch gegen seine Tendenz vorzubringen habe:
er bewältigt das Technische durchaus. Das Nebeneinander der
verschiedenen gleichzeitigen Aktionen verwandelt sich in eine film
gerechte Folge, geschickt eingelegte Großaufnahmen fordern die
Anteilnahme des Beschauers, und das Heranwachsen der Bilder
aus dunklem Grund erhöht hie periphere Spannung, die auch
durch fremdartige Perspektiven wachgehalten wird. Der Inhalt
ist bekannt: Die Auseinandersetzung von Vater und Sohn, hö-
frische Jntrigen in Menge, Flötenspiel und Liebssaffaire,
Exerzieren, Tabagie, Flucht, Kattes Erschießung, Versöhnung
Rheinsberg, Thronbesteigung des jungen Königs. Von den
rohen Späßen an bis zum heimlichen Bällvergnngen ist alles
historisch glaubhaft, und an der Montur der Riefengarde hätte
gewiß kein Unteroffizier etwas auszusehen. Indessen, so bercit-
willig man auch die Bemühungen der Darsteller und Militär
Märsche mit ästhetischem Wohlgefallen hinnimmt, so wenig mag
man sich dazu bekehren lassen, daß von dem preußischen Exerzier-
Oberhalb dieses bezwungenen Naturphäno
mens setzt die gewellte Hochebene an, ein
Mikrokosmos für sich, den die Landstraße nach
Schon Wald durchzieht. Sumpfwiesen und
saatbereite Felder drängen der Morgensonne
entgegen und verebben im Blau. Eingebettet
in sie, streichen Waldungen hin, glänzt ein
Staubecken, vom Winde gezupft. Dicht an der
Chaussee kleine Bauerngüter, eine Uhren
fabrik und in kurzen Abständen Wirtshäuser,
die den Bedürftigen mit Benzin und
anderen Getränken versehen. Zugänge zu
den Höhenwegen Zweigen ab, Schwarz ¬
waldjugend — blondes Haar und braune Augen — bevölkert das
Land. Irgendwo um die Ecke liegt frei und hoch Schönwald
selber, der richtige Sommerfrischlerort, voller renovierter Pen
sionen und altmodischer Lädchen, überragt von der Kirche und
einem monströsen Riesenkasten, der jetzt als Erholungsheim für
Beamte dient. Harmlose Spaziergänger, die sich nur auslüften
wollen, und gewichtige Touristen, die es nach ernsthaften Zielen
gelüstet, treiben als bewegliche Punkte rings in der Gegend um
her. Eine nicht unwesentliche Unterbrechung des Stillebens bildet
Jn Donau eschin gen schließt die tunnelreiche Episode
der Schwarzwaldbahn ab. Dafür entspringt hier die Donau der
kleinen Ursache eines figurengeschmückten Wasfertopfes, dem man
es keineswegs zutraut, daß er so große Wirkungen aus sich ent
läßt. Die Bedeutung der Stadt beschränkt sich indessen nicht dar
auf, Ausgangs-, End- und Durchgangspunkt zu sein. Sie nennt
sich vielmehr mit Recht ein Solbad und ist der Wohnsitz des Für
sten zu Fürstenbera. dessen Brauerei einen guten Ruf genießt. >zu
den Qualitäten des Biers gesellt sich die berühmte altdeutsche Ge
mäldesammlung, treten die Handschristenschütze der fürstlichen
Bibliothek, die in dem aus Meßkirch stammenden spätheiteren Ro
kokogetäfel des Schau-Saals geborgen sind. Parzivaltext . und
Schwabenspiegel liegen kühl hinter Glas und die frühen Minia
turen betören durch ihr Gold und ihr Blau, in denen der Blick
sich unendlich verliert. Lastet man aus den Dämmergewölbsn
ins Freie, so findet man sich kaum noch in dem Jahrhundert zu-
recht. Erst die Neustadt wieder trägt Gegenwart heran; sie ist
nach dem Brand von 1908 errichtet worden und besteht aus einer
Gemeinschaft ichbewuhter Hausindividuen, die sich betont male
risch gruppieren. Der Rückweg aus diesem schaufensterreichen Be
zirk führt an Barockgiebeln und einer klassizistischen Pfeilerfassade
vorbei in die Zeitenthobenheit des fürstlichen Parks, den hinter
mcrmorerfülltem Ziergarten die weiß gezuckerte Schloßfront als
Point äs vue begrenzt. Er verkörpert die Idee des Parks in ihrer
aanzen Reinheit, und grüben nicht fleißige Männer im Schweiße
des Angesichts ihr Stückchen Pachtland um, man versänke durch
aus im Glück der Faulenzerei. Hie und da weiten sich inselgleich
Baumrondells, die nach vielsilbigen Frauennamen heißen. Schwäne
aus Andersens Märchen schwimmen auf den Teichen würdig ein
her, die Schürzen der Kindermädchen blinken durchs Grün, und
im Laubgang wandelt ein Geistlicher, übers Brevier geneigt.
Dr. 8. Lraeäuer.
Produkte vorgosührt werden, herrscht rastloses Pendelgeknbvel wie'
tn einem Ameisenhaufen!; unzählige Schwarzchalder Uhren, Ät-
„nd neue, holzgeschnitzte und n-etallene, verrichten enchg chre
Anzeigepslichten und schlage« die Zeit mit oder ohne MuMe-
gleitilng toi
Durch die Wälder, durch die Auen Zieht in einiger Höhe der
ebene Panoramaweg/ eine Art von viale 6ei ooUi, der dre
Mulde umkreist und hunderterlei Ausblicke auf das Städtchen ge
währt. Mein ortskundiger Begleiter kommentiert die lose, anem-
andergereihten Impressionen mit aller wünschenswerten E-enamg-
keit. Der Bergsee etwa, an dem wir vorbei wandern, grot rhm
Gelegenheit, Zu" begeisterten Fußnoten über den Eislauf im be
sonderen und die Wintersaison im allgemeinen. Semen Andeu
tungen ist Zu entnehmen, daß man sich hier, dank den vereinten
Bemühungen der Wegeschaffenden Kurverwaltung und der schnee-
ipendenden Natur, auf Skiern ebenso angenehm fonöewegen
kann wie auf Rodelschlitten und daß der Jünger des Bobsports
nicht wenige sind. Ueber solchen winterlichen Gesprächen gelangen
wir zur Naturbühne des Vergwaldtheaters, die zwanglose Hin
weise auf die Sommerereignisse gestattet. Da die Luft sicy seloer
ohne viel schöne Reden preist, gedenkt mein Chro.nist vorwiegend
der geplanten Konzert- und Lheaterveranstaltuugen, läßt em Wort
über die Lesehalle und die Kinos einfließen und erklärt unum
wunden, daß die ganz- oder halbtägigen Höhenautofahrten Zu den
leaensreichsion Einrichtungen der Anfang Juni beginnenden Sai
son gehörten. Während wir den Prisenbach kreuzen, entfallt er
vor meinem äußeren und inneren Auge das ganze Strahlenbundel
von Spazierwegen und Ausflügen, auf denen Erholungsbedürftige
sich erboten, nervös Erschöpfte neue Substanz ansetzen mögen, uno
an dem Dreikaiserfelsen wird er zum Kritiker der Inflationszeit,
die den Rückschlag im Vorjahr auf dem Gewissen habe. Aber der
aumeMsbene Kurhaus-Neubau sei kein aufgehobener, und zum
Empfang der aus. mancherlei Weltgegenden eintreffenden Som
mergäste und Radio-Konzerte stehe alles bereit. In diesem Zu
sammenhang erörtert er auch das trockene Kapitel der Penpons-
weise, aus dem nur soviel mitgeteilt werde, daß man je nach der
Wahl des Hotels von etwa 6, 7 oder 9 Mark an ein gepflegtes i
Dasein führen kann.
Also Zwischen Prospekten und Aspekten hinwandelnd, landen'
wir auf dem Hofeck, einem Sattel, von dem aus man erst das
Doppelgesicht der Landschaft gewahrt. Das Bild nach Westen
zu trägt die bekannten Züg-e Hier liegt mitten im Hoch chwarz-
wald das allseitig umstellte Triberg, sich an die Matten lehnend,
die hinauf nach Schonach Ziehen — ein Waldstrotzendes Ineinander
der dunklen Kuppen, Falten und Schluchten, ohne Eingang und
Ausgang. Nach Osten Zu in der Richtung auf St. Georgm, die
ungehinderte Fernsicht auf die waldürmeren Höhenzüge, die all
mählich in die „Baar", die Hochebene des Ostschwarzwalds, ein
schwingen und ihrer Rasse nach schon an die Rauhe Alb gemahnen.
Die Hellen Flächen, die in dem Licht des Spätnachmittags sich
Wärmen, sind besät mit den grauen Schindeldächern der „Zinken",
weiträumiger Gehöfte, deren jed<s in seinem eigenen Feld- und
Waldbezirk sich selbst durchaus genügt. Auf der Scheide von
Hell und Dunkel begegnet uns ein Waldhüter, in der Hand einen
soeben erlegten Schwarzspecht, den er nicht ohne Befriedigung
vorweist. Er geht nach Kurhaus Teutsche weiter, von wo, ist
das Wetter nur klar, Kniebis und Hornisgrinde am Horizont
Zu erspähen sind.