Drandkurt a. N.
Dr. 8. L r a e a u e r.
--- Weil und Dreieck.^ Es handelt sich nicht um mathe
matische Figuren, sondern um zwei neue Zeitschriften, die ihre
Titel der Geometrie entlehnen. Vorab „Der Keil". Beileibe
kein gewichtiger Donnerkeil, aber immerhin ein Keil, den eine
kunstsinnige Gesellschaft gleichen Namens in das Bonner
Leben hineintreiben will. Der Herausgeber Paul Bourdin
IBsMl ist zugleich der künstlerische Leiter dieses keilförmigen
Kreises; und da er für die Gesellschaftsabende ein Programm
durchzuführen gedenkt, das Zumal die junge Kunst einbezi^hr,
steht zu hoffen, daß ihm die Quadratur des Zirkels in BMn
gelinge. Die Hefte, für die auch Roland Marwitz verant
wortlich zeichnet, erscheinen in zwangloser Folge zu den Ver
anstaltungen und umspannen, wie das uns vorliegende beweist,
die Welt von Georg Büchner bis zu Valeska Gert, von Mary
Wigman bis zu Frank Wedekind. — Ein reiner Ausdruck unserer
polygonalen Zeit ist „Das Dreieck" (Dithmarschen - Verlag,
Büsum), das als Monatszeitschrift sur Philosophie, Dichtung
und Kritik sein kantiges Dasein zu fristen trachtet. Der Trivia
lität, auf diese erhabene Trias nur symbolisch hinzuweisen, setzt sich
der Herausgeber Dr. Walter GutkelK (Berlin) nicht gerne aus,
er nimmt vielmehr den Titel wörtlich und verleiht seinen Heften
wirklich die dreieckige Form. Warum? „Jawohl, auch aus Re
klamegründen", wie das Geleitwort bekennt. Die angestrengt
geistigen Beiträge, die auf sehr hohe Themen zielen, mühen sich
ohne Erfolg, der Originalität des Formats nachzukommen. Es
bedurfte wohl des Berliner Ingeniums, um dieses eckige Produkt
gerade von Büsum aus in die Welt hineinzustoßen. Lr.
-- I Demokratisches Weltgefühl.jl Aus Einladung^ des
Republikanischen SLudentenbundes hielt der
bekannte Berliner Essayist und Kritiker Julius Bab'
in Frankfurt gestern emen Vertrag, der die Wirksamkeit des
demokratischen We'ltgefühls im Laufe der Ge
schichte klar herausarbeitete. Diesem Weltgefühl, das er mit
Shaw als das Gefühl unbedingter Achtung vor jedem Mit
menschen definierte, stellte er das aristokratische WelLgefühl
gegenüber, dessen Tiefe er nicht verkannt wissen will. Die
Geschichte nun läßt sich nach Bäb als ein ewiger Kampf der
beiden unwiderleglichen Prinzipien begreifen. Er wurde im
Altertum Zwischen dem antidemokratischen Orient und Griechen
und Römern ausgesuchten und endigte mit der Aufsaugung
embik-republikanischen Geistes durch orientalische Cäsarenver-
gottung. Erst der Eintritt der Germanen in die Geschichte
brächte eine Erneuerung der demokratischen Idee; zum vorläu
figen Siege verhals ihr das erstarkende Christentum, dessen
Lohfr» von der Gotteskindschaft einer jeden Menschenseele Bab
als reinsten Ausdruck demokratischer Gesinnung würdigte. Seine!
weiteren Darlegungen Umrissen auf Grund der Ausgangs
antithese die Entwicklung des Abendlandes' in den folgenden;
Jahrhunderten: das allmähliche Abweichen der Kirche von ihrer
urdemokratischen Form, den Protest der Reformation, die aber
-durch Luthers Schuld dem Bauernkrieg sich versagte und den
Triumph des Absolutismus im 18. Jahrhundert. Diese Linie
freilich wird entscheidend unterbrochen durch die Gottesrepublik
Oliver Cromwells), deren demokratischen Grundgedanken Quäker
und Puritaner in Amerika eine bleibende Stätte bereiten. Von
den angelsächsischen Ländern aus dringt dann die demokratische
Idee nach Frankreich vor, das durch die Proklamation der Men
schenrechte Europa endgültig aus dem Schlummer weckt. Im
19. Jahrhundert greift demokratisches Weltgefühl auch aus die
Wirtschaft über; aus dem Zwang zur Idee heraus, wandelt sich
politische Demokratie zu s o Z i a l e r D emok r a Li e, die, wie
das Beispiel der Fabier in England beweist, mit Marxismus
und Klassenkampf keineswegs gleichzusetzen ist. — Die Schlutz-
betrachtungen galten der Gegenwart; leicht zu verstehen, daß
hier Erkenntnis in Bekenntnis überaina. Trotz aller reaktio
^Frankfurter RlrWLeNür^Ausstellung^ Die kleine
Auslese der im Kunstverein gezeigten Architektur-Ent
würfe bestätigt wieder einmal, daß auch die Architektur heute
der überindividuellen Bindungen entbehrt. Die Stilbildung ist dem
Einzelnen überlassen, sie hängt durchaus von der Artung seines
persönlichen Wesens ab. Soviele Künstler, soviele Richtungen;^
selbst die sachlichen Forderungen, die der Vestiwmungszweck des
Bauwerks auferleat, schränken die freie Setzung der Formgebung
nicht ein. Manche, wie Bernoully mit seinen Siedlungs
häusern und Lhyriot mit seinem preisgekrönten Entwurf für
das Festhallengelände, nutzen noch vorgegebene Stilelemente, ver
weben sie aber unbefangen zu selbständigen, sicher in sich ruhenden
Gebilden Heb er er s vereinfachter Entwurf der neuen Frank--,
furter Brücke, der in dieser Gestalt nicht zur Ausführung gelangt,
ist eine reine Eisenbeton-Schöpfung, die das amorphe Material
forrnklar bezwingt und mit schöner Prägnanz das Notwendige gibt.
Ganz aus der Tradition gebrochen ist Paravicinu der, wie
sein Wettbewerbsentwurf für den Königsberger Lorsenhof von neuem
beweist, den Satt im Kubus sucht und findet. Drängt er zur Am-
türmuna massiger Würfel, so liebt VoggenLerger mehr oaS
Mondäne, das di« Schwierigkeiten auslockert und umspielt; auch
seine Villen haben etwas Prickelndes und verraten weltmännischen
Schliff. Fucker schließlich, ein starkes Talent, das, an den alten
Aufbauprinzipien kein Genüge mehr findet, dmchdrmgt ferne Ar
chitekturen mit expressionistischem Geist. Die von rhm Vorgefühle
Ladeneinrichtung vermag eine gute Wirkung zu erzre^en, Werk yrer
das Kunstgewerbe an seinem Platz ist.
nären Umtriebe glaubt Bab die Frage, ob das demokratische
Prinzip in der Zukunft sich durchsetzen werde, doch unbedingt
bejahen zu dürfen. Aber in merkwürdiger Befangenheit kenn
zeichnete er das heutige Rußland als das antidemokratischste
Land der Welt, da es die absolute Herrschaft einer Klasse über
das gesamte Volk durchgeführt habe, und stellte ihm das von
demokratischem Geists beseelte^ Amerika gegenüber, dessen
Dichter Walt Whitmann er als oen Künder wahrhaft demokra
tischen Weltgesühls pries. So sehr man auch mitgehen mochte,
diese-allzu westliche Einstellung stimmte kritisch, denn sie wird
der Wirklichkeit in tieferen Schichten nicht gerecht. Der Vox-
Lrag, der. durch manage feine psychologische und historische -
Bemerkungen fesselte, fand den dankbaren Beifall der Zuhörer.!
lO.
<s«,.) -r o ,
/ .^o
Versuvds. Von K 0 m a n 0
(luaräini. Bä. 1. NotkenkE am Nam, Ver-
. IaZ veMLeves Huiekdorniiaus. 92 Zeihen.
Dies« Zediikt uaräiniA, äie seine krüners, „Vom (leist
äer lätuiAie", weiter küdrt, variier das Ibema äer litur-
Lisedeii LiläuiiA in einigen „Veisueiien", äenen anäere noek
tollen soll-en. V/as in äer Oe^en^ait. 2n äem UtnrZiseiion
Dienst hinleitet, äas ist naod ivm äas L-nmal in ä-er jungen
Oeneration siod anmeläenäe VerianAsn, dem nnMäenimten
Individualismus su entrWnen und in die VfirkIiekLeit ru
treten, die den Nenseden in LerüevunS Lu den ^ieiov idm
und mit idm ^irLIiehen DinZen setrt. Dieser ^anLe Nensen
t'Mt kür Ouardini mit dem iratiioiliseüen Nenseüen Lusammen,
der unter dem Lreu^e lebt und sied üinsxanut rur Nöttiieüsn
Dnade. DiturAiseüe Dedun», die sied an Keele und l^id su-
ssieied riedtet, beanspruedt inn in seiner Oanrdeit, sie stellt
die Uenseden nieder in die reale Demeinsedakt ein, die sied
niedt auk nur sudzedtives „Drlednis" gründet, und nötigt sie
2ur ^.nerdennunss des odjedtiven Dedalts der vin§e, dem ein
ül'ertriedener Ludzedtivismu« lanFe A-enuss den Oedorsam ver-
veifert dat. ^.tles in allem dandelt es sied Also um eine dleu-
l-ereitun^ mensedlienen Leins, um eins ^i-edereroderukNA der
IVirdlieddeit kür den Uenseden. IVie sied Duardini diese sedon
beim Linde einse tuende Lultivterun^ des DesamtEsens
denüt, L-eiKt er dured manede (seiner LedriktenkolAe „Von
deili§en Leieden" entnommene) Beispiele in 'Wünsedens^erter
Londretdeit.
Din^änds^ die sied aukdränAen, ^veist Duardini ssller Lu- )
rüed. Dr kennt et^va die romantisede Med^endunA Lum
mittelalt-erlieden ordo sedr bestimmt ad und betont ausdrüed-
lied den durchaus positiv einrusedütrenden 2uvmeds an per
sonalen Werten, der eme Druedt der letzten lladrdunderte sei.
6-leied entsedieden sendet er sied ^e§en einen starren OdjeL-
tivismus, der die Ordnung Aan^ Kxiere und damit völlig aus
dem Lud^edt derausdeho. Medt i^uletrt maedt er auk die
Oekadr aukmerdsam, die der Ditur§ie drode, Tvenn sie rn
„religiöser Dulturspielerei" vmrde.
Drots dieser ^dvedr triktiMr Ded-enken dleiden, ^ie nrir
sedeinen vüll, Linsprüede sseZen die Haltung Ouardinis niedt
odne Deent. Ob man den von idm einAesedlaMnsn 'VVeF
desedreiten Lann und darr, krängt iedenkalls duredaus davon
ad, vne man unsere deutiM Situation beurteilt und v^elede
Dolxerun^en man aus idrer Beurteilung kür das eigene Ver-
daiten isiedt. Drkädrt der um V^irdlieddeit Bemüdte vor allem
das dokknunxslose Lerdroedensein sümtlieder Dormen und Bin
dungen in der Oegen^art'und die Zerstreuung der Nensenen
in He Deere der Leriedungslosigdeit, so vürd er niedt leiedt
g.lauden mögen, daü das Din^vaedsen in Uturgisedes wun ie^e
Verdnüpkungen nieder Erstelle, die Ouardini meint. Viel
eder vnrd er annedmen, dak das ausgesonderte Individuum
erst riedTg Lum „LiElnen", das deiLt Lu einem ganLbn,
dingespanrrten Kenseden werden müsse, -venn gemeinsames
Deden in der Dorm üderdaupt rtziken soll. L^var bedingen sied
die Oamdeit de« Nenseden und der Oedorsam gegen das
verpkliedtende OesetL v^eedselseitig; aber es ist doed ein
anderes, od man in einer 2eit der OesetTlosigkeit müt
seinen ersten Ledritten bei dem Oesetr beginnt, oder in ^.n-
»erdennuvg der Situation runäedst su dem Ouellpundt vorLu-
drinZen traedtet, dem das Oesets entspringt, dens dung-
Datdoliden, die in dem dadrbued „Direne und 'Mrdlieddeit"
maLgedend 2u IVorte gelangen, daden den rrveiten V^eg er-
-rvMlt; sie verweigern sied niedt der Dorm, doed sie geben
aued niedt von idr aus, sondern ringen um sie als DinLelne
die idr Dimelsein niedt oder noed niedt ru tilgen wissen. Line
Lösung bietet der eine ^Veg so wenig wie der Andere Idre
Vereinigung indessen ist niedt 8aede des VMens, der auk sied
nedmen muL, was die Situation idm bietet und niedt unbe-
grenLt über sie dinauswollen dann.