dessen, was fehlt?
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Zwei typische Nöte, denen die neuen KunsLerasketen "immer
wieder verfallen, lehren deutlich, daß der Gestaltung jener Zwi
schendinge Zum Teil die reale GesamtstLuatisn säber Wider
stand leistet. Einmal führt die Besinnung auf die Wichten
Grundformen zu einer Art von Substraktionsverfah-
xen: man zieht von den voll ausgerüsteten Stücken einfach die
sogenannten Ornamente ab und erklärt den kärglichen Rest zur
Form schlechthin. Indessen, durch bloße Negation wird das
Positive noch längst nicht erlangt — O sei denn in umgekehr
tster Fichtescher Dialektik, die das Ich aus dem Nicht-FH ent
springen ließe — und an den mond anen Ergebnissen steht man
sich allzu schnell satt. Zum andern kehrt man zur Form nur
zurück, um die Form selber sogleich wieder ornamental
rmWrMM Man HM ihre MöAn zwar ttW W, ArK ober,
bloßes Dasein schon die Berechtigung der Wsckbundaus-
stellung ^Die Form".
MeMNnLaussLellung: „Die Form".
Der Name „Kunstgewerbe" hat im Lauf des letzten Jahr
zehnts mit gutem Grund einen üblen Beiklang erhalten. Er r
trifft jene Gebilde der Werk- und Kleinkunst, die entweder,
beziehungsloser Eigenbrödelei entstammend, eine unrechtmäßige
Selbständigkeit stch anmaßen oder das Erzeugnis romantischen
Fluchtwillens sind, der von verblichenen wirtschaftlichen, kul
turellen und künstlerischen Traditionen nicht lassen mag. Ge
meinsam ist ihnen allen, daß sie stch den Bedingungen des
realen Lebens entziehen und darum innerer Notwendigkeit
entbehren.
Angesichts der Ausartungen des mißleiteten „Kunstge-
weröes" erlangt die von der Württembergischen Ar
beitsgemeinschaft des Deutschen Werköunds in dessen
Auftrag durchgeführte Ausstellung: „Die Form" program
matische Bedeutung. Die These, auf der sie stch aufbaut, stimmt,
äußerlich' zum mindesten, mit der in Wien einst verfochtenen
Forderung: „Los vom Ornament" überein, einer Forderung,
die inzwischen nicht zuletzt deshalb mißachtet worden ist, weil
die unkontrollierten Ansprüche der Neureichen stch Befriedigung
erzwängen. Die Veranstalter der Stuttgarter Schau nämlich
sind der Auffassung, daß der jetzigen Situation nur eine Kunst- -
Übung entspreche, die unter Verzicht auf schmückende Zutaten !
Zunächst danach trachtet, den Gegenständen eine gebotene Form
zu verleihen. Freiwillige Selbstbeschränkung und Besinnung
auf das sachlich Geforderte: so lautet die unsentimentale
Losung, in deren Zeichen die Ausstellung steht.
Eine Gestaltung der Dinge aus dieser asketischen Gesinnung
beraus scheint in der Tat der einzige Weg, der gegenwärtig mit
Anstand beschritten werden kann — freilich ein Weg nicht
eigentlich, sondern ein Engpaß eher, von dem stch vorab kaum
auswachen läßt^ wohin er denn führe. Die geistige Wirklichkeit,
die der Nährboden unseres Erbes an Zierformen war, ist nicht
mehr, die gesellige Kultur, in deren Mitte die geschmückten
Dinge gediehen, hat in immer zunehmendem Maße den Zer
streuungen der Masse das Feld geräumt Hinzu kommt, daß
auch, rein wirtschaftlich und sozial gesehen, die betont indivi
duelle Behandlung der Gelwauchsgegenstände stch verbietet; ein
Volk, das stch das Notwendige erarbeiten muß, bat dieses Not
wendige zuerst zu gestalten, bevor es seine Kräfte aus die
schönen UeberWssigMten des privaten Lebens verwenden kann.
Gebricht es aber an den geistigen und praktischen Voraussetzun
gen für die ornamentale Ausbildung, des Nutzdings, so ist ein
Verharren bei ihr Lüge und Schein. Was ^ruher Symbolg-ewalt
ständen Zu gehorchen ist, und anders als bei Ziergeräten wird
hier die PAmMe von vornherein in eine feste Bahn gelenkt.
Als BeifpÄ nur seien die Bosch-Fabrikate herausgegriffen,
^'utolampen und Zünder, die mit ungemeiner Genauigkeit das
eheißene auf die letzte Formel bringen^ Auch die Eisew-
öftn dO Frankfurter ArMtekten Krämer etwa oder die
schweren Offenbacher Lederkoffer sind Gebilde von gleicher
Dichte und Konsequenz. Wie sehr die Formsicherheit dieser
Bedarfsartikel, Zu denen noch Gegenstände der Haushaltrmg
und andere Stücke treten, mit ihren Grund in dem realen
Zwang hat, der sie gleichsam vorsormt und dem willigen
Interpreten auf die richtige Spur verhilst, wird indirekt da
durch bewiesen, daß überall, wo das Schöne an stch gefordert ist,
die objektiv ungebundene Gestaltungskraft das von ihr frei
zu Setzende leicht verfehlt. Die wenigen Vorgefühlen Edel-
steinfaffungen sind willkürliche Schöpfungen, die der Hast er
mangeln; mrf diesem Gebiete erscheint es immer noch ratsamer,
die Formen des vergangenen Lebens zu bewahren, als Neues
gewaltsam zu züchten, das unserem Leben nicht entspricht.
Zwischen dem Reiche der DechnA und dem des Win
Schönen, in der Mtte von Zw^k und Ausdruck, Retorte und
Schmuck sind die meisten Dinge der Werkkunst zuhause—sofern
es gerade ein Zuhaufe für fie gibt. Objektivs Erfordernisse
walten über ihnen, aber auch die Seele will ste mit sich erfüllen.
Möbel, Tücher, Vasen, Kannen, aus vielerlei Materialien ge
bildet: ihre Form entquillt verschiedenen Gründen, und selten
nmg es so schwierig wie heute gewesen fein, die rechte in ihnen
zu finden. Enthaltsamkeit von jeder künstlichen Zutat soll
ihnen die Beziehung Zu imserem Leben zurückgewinnen; doch
ist der Rückgang zur puren Sachlichkeit schon ihre Rettung, ist
Meldung erlogener Zutat mehr als das ehrliche EmgestE
besitzen mochte, wird uns zur Attrappe, was in einem wirklichen
Verhältnis Zwischen den Menschen gründete, behauptet stch
fort als substanzlose Larve, die vergeblich ihre Bedeutung
erfragt.
Nichts anderes ist mit der Losung des Werkbunds gemeint
(oder darf doch mit ihr gemeint sein), als daß die Gestalt der
Dinge sich in die Wahrheit setzen solle. Technik und Industrie
sind die herrschenden Mächte der Gegenwart, und wirtschaft
liche Notdurft meldet in ihr sehr dringlich ihre Bedürfnisse an.
Dem Zwang dieser Realitäten muß auch die Bildung der
Gegenstände Genüge tun, wenn sie sich aufrichtig zu der Welt
verhalten will, die nun einmal die unfrige ist. Gefordert wird
aber heute von den Dingen, daß sie sachgemäß konstruiert sind,
daß sie, sofern es sich um Massenerzeugnisse handelt, die un
glaubwürdige Geste der Jndividualschöpfung vermeiden, und
daß sie die in der Zeit wirksamen Kräfte sinnfällig ausdrücken
und wiederspiegeln. Das ist wenig, doch mehr als das Vor
gegebene ästhetisch d-arzubietm, wäre ein Trug. Und wird
die Ablehnung des Ornamentes nur richtig verstanden, so be
sagt sie eben dies: daß man die Bedingungen endlich an-
erkenne, denen das Getriebe der Gegenwart unterliegt, und
durch ihr Überspringen den Gebilden die mögliche Substanz
nicht vorenthalte. Sie gebietet Bescheidung, damit wir Grund
fassen, sie begelnt Nacktheit, damit keine Illusionen mBr die
Ralität verdrillen
Die AufnHmekomnnssion, der außer dm Geschäftsführer
Herrn Stotz (Stuttgart) die Herren Geh. Rat Dr. Bruck
mann (Heilbrorn) und Geh. Rat Pwf. Riemers chmid
(München) angehörten*), hat diktatorisch ihres Amtes ge
waltet, und so zeigt die Ausstellung reinlich an, in welcher
We'se etwa jene Grundsätze heuie verwirklicht werden. Ibre
Gliederung und ihr Aufbau sckwn, vom Achi^ekLen Pros. G.
Schneck (Stuttgart) zielbewußt durchgeführt lassen d'e W-
sicht des Ganzen erkennen: nur das Unerläßliche wird vor
gewiesen, und alle Gegenstände kommen vor neuwalem H'nt-'v-
gründ durchaus als Einzelstücke zur Geltung. Da sie in
nüchterne Helle gesiegt sind. mMen sie un^ckminki sich be
währen.
Nicht zu verkennen, daß (ähnlich wie in o.- ..Bauaus
stellung") die technischen Dame die gemäßeste und
lauterste Form erhalten haben. Ihr N.stimmn-gszweck erlegt
von außen her No'wendchkell n auf, d ^en nnsier eben Rm-
indem man sie Zackt und windet, hinreichend dafür, daß ste sich
eine Blöße nicht gibt- Wodurch die eigentlich doch angestreots
Ofienbamng ihrer Reilcheit voreilig verhindert wird.
Was diese oft fein durchgebildeten Halbheiten weinen —
Halbheiten, die untief sind, weil sie den Ernst der Sitzratwn
nicht ganz in Rechnung setzen, und tief wi^erum, weck sie der
Situation Zum Trotz, die versagte VollgehQlLrMt dock) dar
stellen wollen —: die Oesterreichs allein haben es erreicht. Dre
materialgevÄ)ten Arbeite der Wiener Werkstatte und
des Oesterreichischen Werkbundes sind von erner
Zartheit und Ausgeglichenheit der Form, wie 1« nur den Nutz
nießer» einer alten, in das Sinnliche sich himnigenden Km-
tur qevade noch zugänglich sein mag.. Ein leichter HmrtMüt
allerdings geht von diesen so süßen wie verderblich
Gebilden aus; man spurt, daß sie ein spatschones Ende h
zeichnen, dem keiUe Nachfolge mehr blüht. In Dmitschland W
der Bruch mit der Wirklichkeit, aus der ste erwachsen, bereits
allzu fühlbar geworden, als daß ihre naiv-fragile Vollkommen
heit uns noch beschieden sein könnte.
Die vielleicht urwollkommenen, aber radikale» LSsruW-
versuche, die den industriellen und wirtschaftlichen Realitäten
des entzauberten Lebens angemessen stch verhalten, sind hier
darum die wesentlichen. Voran die Schöpfungen des Staat
lichen Bauhauses zu Weimar das den Konstruktivis
mus zum Prinzip erhebt. Seins Schränke und Schachflglwm
sind von kubischem Fanatismus besessen, seine Stichle werden
in unsere maschinelle Welt von einer Logik heraufgezwuwgen,
die ste zu Ssitenstücken der Hohlplastiken Archipenkos macht.
die dogmatisch« Stilisierung der Konstruktionselemente
E zu neuer Romantik verleite, ob der Engpaß sich nicht am
Ende «ils Sackgasse erweise — wer wollte leichthin es saM?
Gewiß ist: in dieser Richtung muß gedacht und MIdet
werden, denn ihr furchtloser Nihilismus zielt aus die Wahr
heit hin.
Manche wie Herre, von dem die straften Plakate her
rühren, oder auch Docker übertrumpfen beinahe GropiuZ an
FolgerichtiMt, wcs nicht heißen soll, daß ste hi AÄe so
näher kämen. Im Gegenteil: ihrer Eisenbetonhastrgkert droht
die Erstarrung, und die zu weit getriebene Konsequenz führt
sie aus dem Leben heraus, dem nur ein rechtzeitiges W-
biegen von den wie immer gültigen Prinzipien wieder zu-
tra gen kann.
Nachaiebig in diesem Wen Sinne sind Ms Möbelentwürft
von Pros. Schneck,'die stets neue Kombinationen der typi
schen KonstrMionsmSKWeiten bringen. Sie hauchen den
> Notwendigen, das Ae n^erchs MMMW, ÄM W«