Von Naca.
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l^ult äs,N8 1s soir rose st grig va^uemsni...
Verlaine-
DaS Klavier ist ein privates Geschöpf; es lebt ganz für
sich tn der Ecke eines Zimmers, das nicht zu ihm paßt. Oel-
bilder kleben an den Wänden, aus dem Boden strömt Familien-
geruch empor. Die Leute, die sich hier angesammelt haben,
nehmen auf die Anwesenheit des Klaviers keine Rücksicht,
unterhalten sich vielmehr laut über persönliche Dinge.
Beschäftigen sie sich einmal in den Pausen mit ihm, so legen
sie ein Oberflächliches Betragen an den Tag, das dazu angetan
ist, es einzuschüchtern, und die ihm von Natur aus inne
wohnende Angst vor der Außenwelt nicht unbeträchtlich ver
stärkt. Tonleitern und andere lächerliche Gemeinplätze sind
alles, was es in einer solchen Umgebung hervorzubringen
vermag. Unter der Unmöglichkeit, sich richtig äußern zu
können, leidet es selber am meisten.
Ich bin gern allein, denkt das KLavier bei sich. Der Trost,
den es aus diesem Gedanken zieht,, hilft ihm freilich nicht
durchaus über das Gefühl des Gekränktseins hinweg- Bezeigten
sich die Leute etwa aus Zeitmangel gleichgültig ihm gegen-
Aer, es fände gewiß mehr als eine Entschuldigung für sie;
ein wenig Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse hat es
ja auch. Aber sie vernachlässigen geflissentlich sein Aeußeres
und verlangen Dienste von ihm, zu denen es an sich nicht ver
pflichtet wäre. Mehrmals bereits ward ihm zugemutet, einen
Kübel zu tragen — als ob es eine Anrichte oder gar eine
Müllgrube sei. Unter dem geschlossenen Deckel verging es vor
Scham.
Mit den übrigen Einrichtungsgegenständen pflegt das
Klavier keinen Verkehr. Sie sind HU verschieden von ihm, jeder
ist gleichsam nur auf einen Ton gestimmt. Dennoch würde es
natürlich, schon um der Einsamkeit zu entrinnen, bei Gelegen
heit mit ihnen in engere Beziehung zu treten suchen, müßte es
nicht fürchten, von ihnen mißverstanden zu werden. Es hat
seine Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht. Der zu seiner
Gesellschaft bestimmte Stuhl, der von ihm einmal restlos ins
Vertrauen gezogen worden war. bat^e als einzige Antwort sich
um sich selber gedreht. Wenn die Nächsten so sind, bleibt von
den Fernstehenden nichts zu erwarten. Durch sein Schweigen
gereizt, haben sich denn auch die Möbelstücke, so uneins sie
sonst untereinander sind, gegen das Klavier zusammen-
geschlosfen. Sie erklären seine Absonderung als den Ausfluß
eines Kastenstolzes, dem die soziale Grundlage ermangle, undi
drücken es überhaupt in jeder Weise herab. Der runde Eßtisch-
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heftig dagegen, daß jenes schwarzglänzende Instrument nur
gewissen Leuten sich öffne; die Möbel seien für alle geschaffen.
Öfters reden die Einrichtungsgegenstände über den Kopf
ihres Opfers hinweg, als bemerkten sie seine Gegenwart nicht,
und verhöhnen es nach eigens ersonnenen Methoden. In der
Nacht quietschen sie hämisch, um es aus seinen Träumen auf-
zuscheuchen, und am Tag lasten sie sich unaufhörlich verschieben,
da sie seine Abneigung gegen Geräusche kennen. Besonders
häufig schimpfen sie über die Musik, auf die sie schon allein
darum nicht gut zu sprechen sind, well sie beiseite gestellt
werden, sobald sie ertönt. „Ja, wenn es noch die richtige
wäre," nörgeln sie, ohne es ernstlich zu meinen, „aber davon
kann ja in diesem Falle die Rede nicht sein." Sie brüsten sich
damit, daß sie Aber, wenn auch plumper - zwar, doch zum
wenigsten ihre Handwerk richtig betreiben, statt wie andere
ihresgleichen lediglich von Einbildungen Zu leben und im
Grunde sich ohne Gegenleistung ernähren zu lassen.
Diese und ähnliche Reden verwunden das Klavier aufs
tiefste, denn es spürt nur allzusehr, wieviel Wahres an ihnen
ist. Um sich aus seinen traurigen Gedanken zu retten, spielt
es am liebsten mit der Vorstellung, ein Flügel Zu sein. Ganz
in das Bereich der Phantasie zu verweisen ist sie übrigens
nicht. Wie ihm ein längst dahingegangenes Stamminstrument
wieder und wieder erzählte, sind aus ihrer Familie in früheren
Zeiten auch Flügel hervorgegangen. In der Tat unterscheiden
sich diese von den Klavieren nur durch die äußeren Pro
portionen, die Gefühle hier und dort sind die gleichen. Ihrer
Schönheit und Ausdehnung allein haben sie es zu danken,
daß sie für etwas Höheres angesehen werden und schon von
Jugend auf eine Erziehung erhalten, die sie zu hervorragenden
Leistungen befähigt. Man behütet sie vor den feuchten West
winden, wacht mit Sorgfalt über der Entwicklung ihres
Innern und bringt sie zeitig in die Öffentlichkeit, damit sie!
sich an ein sicheres. Auftreten gewöhnen. So geneigt das'
.Klavier auch ist. jedem das Seine zu gönnen, es erblickt eine'
'gewisse Ungerechtigkeit darin, daß die Flügel rein um ihrer
blendenden Gestalt willen, die doch lediglich auf den Zufällen der
Geburt beruht, einer solchen Bevorzugung sich erfreuen. Wenn
es sich mit ihnen vergleicht, kann es nicht fasten, daß die
Möbelstücke, von denen manche immerhin weit herumgekommen
sein mögen, seine eigene bescheidene Existenz ihm noch neiden.
Allerdings hat es selber wiederholt den Zeitschriften, die man
unachtsam auf ihm liegen ließ, rührende Geschichten ent
nommen, in denen berichtet wurde, daß Klaviere es zu
großem Ruhme gebracht hätten oder Stifter bräutlichen
Glückes geworden seien. Das junge Paar habe die Instrumente
dann in oer guten Stube aufbewahrt, sie mit einer Damast
decke geschmückt und den Kindern und Kindeskindern als
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