Kalender und Almanache.
--- Die diesjährige Ausstellung der Frankfurter Bibliophilen-
Gesellschaft: „Kalender u n d A ! m a n a ch e", die wie die
vorigen im Kunstgewerbemuseum, in den Räumen der
Linel-Sammlung aufgebaut ist, wurde Sonntag früh vor ge
ladenen Gästen eröffnet. .Der Direktor des Kunstgewerbemuseums,
, Prof. Robert Schmidt, dankte in feiner kurzen Begrüßungsan-
»prache den Spendern der Leihgaben und seinen Helferinnen Frl.
>Dr. v. Lieres und Frl. Gertrud Oppenheim. Herr
! Moritz Sondheim leitete sodann mit einer historischen Be
trachtung zur Bssichnguna der Ausstellung über. Seine Dar ¬
. legungen waren so iesselend, daß wir sie möglichst getreu repro-
! dozieren wollen.
! Die Geschickte des Kalenders, so führte er aus, ist nicht nur die
Geschickte der Zeitreä nung, sie ist durch Inhalt und Beiwerk die
Geickichte unserer Sitten und unserer Kultur Diese kommt von
der Kircke. Die ersten Kalender sind daher kirchliche Kalender
immerwährende Kalender, welche die unbeweglichen Feste und die
Feste der Heiligen enthalten und Tabellen für die Berechnung der
beweglichen Feste. Solche Heiligenkalender sind die Begleiter aller
liturgischen Bücher. Sie finden sich als Einleitung zu Missalen
und Brevieren und auch in den Srundenbüchern' der Laien zm
Regelung der täglichen Andachten.
Neben den Kirchenfesten und den religiösen Uebungen
bis zur Renaissance die Astrologie tief in das tägliche Leben
der Menschen ein. Sie kennen und verfolgen die Stellung der
Planeten zueinander und zu den Bädern oes Tierkreises. Sie
kennen ihren Einfluß auf das Temperament, auf das geistige und
leibliche Wohl, auf die Wege des Schicksals. Kalender lehren,
wann die Stellung der Sterne den verschiedenen Handlungen
günstig oder ungünstig ist, wann die Menschen reisen oder Ge
schäfte beginnen sollen, wann sie am besten pflanzen und säen.
Aderlässen, Arznei nehmen, die Haare schneiden usw Sorgten
die Heiligenkalender für das seelische Wohl, so diese mehr für das
leibliche. Man nannte sie daher Praktiken oder auch nach
ihrem wichtigsten Zweck Aderlaß- Kalender
Schon im 15. Jahrhundert treten die gedruckten Kalender
sehr zahlreich am. Die Wandkalender, die mit Vorliebe zu
Neujahr verschenkt wurden, tragen oft den üblichen Glückwunsch:
Ein selig neu Jahr; man nannie sie von Anfang an „Al
manache". Diese Almanache des 15. Jahrhunderts sind eine
Verbindung des Heiligen- und Aderlaß-Kalenders mit einer be
scheidenen Zugabe von astronomischen Angaben.
Den gleichzeitig auftauchenden Buckkalendern wurden
allgemein nützliche Notizen beigefügt: Gesundheitsregeln, Heil
mittel für Mensch und Vieh, Ratschläge für die Landwirt'chafl und
besonders wirksame Gebete. Vom. 17. Jahrhundert an kommt an
Nachrichrenmaterial hinzu: Märkte, Messen, Posten, politische
Begebenheiten. Kriegs-und Naturereignisse: im 18. Jahrhundert
reiht sich die Genealogie der Fürstenhäuser und die Uebersicht über
die hohe Geistlichkeit an. Für die Unterhaltung sorgen Anekdoten,
Erzählungen, Gedickte.
So wandelt und erweitert sich der mittelalterliche Kalender
mehr und mehr zu dem Bauern- und Volkskalender,
den wir heute noch jährlich erscheinen sehen. Er ist zumal in
politisch und religiös aufgeregten Zeiten ein geeignetes Werkzeug
gewesen, um das Volk zu belehren und zu lenken. Männer wie
Gubitz, Hebel, Horn, Nieritz,Auerbach haben durch
ihre Kalender auf die breiten Massen gewirkt
Mit der wachsenden Bildung und stärkeren Differenzierung
der Volksschichten erwackt das Bedürfnis nach Kalendern für ver-