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Object: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Kalender und Almanache. 
--- Die diesjährige Ausstellung der Frankfurter Bibliophilen- 
Gesellschaft: „Kalender u n d A ! m a n a ch e", die wie die 
vorigen im Kunstgewerbemuseum, in den Räumen der 
Linel-Sammlung aufgebaut ist, wurde Sonntag früh vor ge 
ladenen Gästen eröffnet. .Der Direktor des Kunstgewerbemuseums, 
, Prof. Robert Schmidt, dankte in feiner kurzen Begrüßungsan- 
»prache den Spendern der Leihgaben und seinen Helferinnen Frl. 
>Dr. v. Lieres und Frl. Gertrud Oppenheim. Herr 
! Moritz Sondheim leitete sodann mit einer historischen Be 
trachtung zur Bssichnguna der Ausstellung über. Seine Dar ¬ 
. legungen waren so iesselend, daß wir sie möglichst getreu repro- 
! dozieren wollen. 
! Die Geschickte des Kalenders, so führte er aus, ist nicht nur die 
Geschickte der Zeitreä nung, sie ist durch Inhalt und Beiwerk die 
Geickichte unserer Sitten und unserer Kultur Diese kommt von 
der Kircke. Die ersten Kalender sind daher kirchliche Kalender 
immerwährende Kalender, welche die unbeweglichen Feste und die 
Feste der Heiligen enthalten und Tabellen für die Berechnung der 
beweglichen Feste. Solche Heiligenkalender sind die Begleiter aller 
liturgischen Bücher. Sie finden sich als Einleitung zu Missalen 
und Brevieren und auch in den Srundenbüchern' der Laien zm 
Regelung der täglichen Andachten. 
Neben den Kirchenfesten und den religiösen Uebungen 
bis zur Renaissance die Astrologie tief in das tägliche Leben 
der Menschen ein. Sie kennen und verfolgen die Stellung der 
Planeten zueinander und zu den Bädern oes Tierkreises. Sie 
kennen ihren Einfluß auf das Temperament, auf das geistige und 
leibliche Wohl, auf die Wege des Schicksals. Kalender lehren, 
wann die Stellung der Sterne den verschiedenen Handlungen 
günstig oder ungünstig ist, wann die Menschen reisen oder Ge 
schäfte beginnen sollen, wann sie am besten pflanzen und säen. 
Aderlässen, Arznei nehmen, die Haare schneiden usw Sorgten 
die Heiligenkalender für das seelische Wohl, so diese mehr für das 
leibliche. Man nannte sie daher Praktiken oder auch nach 
ihrem wichtigsten Zweck Aderlaß- Kalender 
Schon im 15. Jahrhundert treten die gedruckten Kalender 
sehr zahlreich am. Die Wandkalender, die mit Vorliebe zu 
Neujahr verschenkt wurden, tragen oft den üblichen Glückwunsch: 
Ein selig neu Jahr; man nannie sie von Anfang an „Al 
manache". Diese Almanache des 15. Jahrhunderts sind eine 
Verbindung des Heiligen- und Aderlaß-Kalenders mit einer be 
scheidenen Zugabe von astronomischen Angaben. 
Den gleichzeitig auftauchenden Buckkalendern wurden 
allgemein nützliche Notizen beigefügt: Gesundheitsregeln, Heil 
mittel für Mensch und Vieh, Ratschläge für die Landwirt'chafl und 
besonders wirksame Gebete. Vom. 17. Jahrhundert an kommt an 
Nachrichrenmaterial hinzu: Märkte, Messen, Posten, politische 
Begebenheiten. Kriegs-und Naturereignisse: im 18. Jahrhundert 
reiht sich die Genealogie der Fürstenhäuser und die Uebersicht über 
die hohe Geistlichkeit an. Für die Unterhaltung sorgen Anekdoten, 
Erzählungen, Gedickte. 
So wandelt und erweitert sich der mittelalterliche Kalender 
mehr und mehr zu dem Bauern- und Volkskalender, 
den wir heute noch jährlich erscheinen sehen. Er ist zumal in 
politisch und religiös aufgeregten Zeiten ein geeignetes Werkzeug 
gewesen, um das Volk zu belehren und zu lenken. Männer wie 
Gubitz, Hebel, Horn, Nieritz,Auerbach haben durch 
ihre Kalender auf die breiten Massen gewirkt 
Mit der wachsenden Bildung und stärkeren Differenzierung 
der Volksschichten erwackt das Bedürfnis nach Kalendern für ver-
	        
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