— Kairo—Kopenhagen. Der Ellen Richter-Film: „Die
tolle Herzogin", den die Ufa - Lichtspiele Zeigen,
ist eine internationale Hochstapleraffäre, wie man so spannend
noch selten sie sah. Ein Spielsaaldirektor aus Kairo, eine Her
zogin, ein Lord, ein erpresserischer Graf sind darin verwickelt, um
von den Staffage-Figuren zu schweigen, die sämtlich dem Reper
toire der Hotelhallen entstammen. Es geht um einen Geheim
vertrag, und Liebe wird erheuchelt, um belastende Briefe in die
Hand zu bekommen. Der Graf wird ermordet, was in Ordnung
ist; nur waren es eben nicht die Personen, die sich der Tat schul
dig glaubten. Ein Kriminalinspektor sieht sich endlich dem Mörder
gegenüber; nur eben verhaftet er ihn nicht, obwohl er den Haft
befehl in der Tasche hat. Der Mörder beginnt als Abenteurer
in Kairo und wirkt in Kopenhagen als Chauffeur; nur eben ist
er keines von Leiden, sondern ein Markgraf gar, dessen Sinn nach
der Herzogin sieht. Dieser leiht Ellen Richter schwarze Ent
schlossenheit und ein reifes Temperament, das zum Schluß seine
Belohnung findet. Mehr zu verraten, hieße die Zuschauer um
, Heberraschungen bringen, die zahlreich sind. Schöne Städte-
ansichien bilden als Dreingabe die wechselnden Hintergründe.
Die Regie hat die Scenen gut gemischt, und auch der Komik, die
der Handlung die Schwere nimmt, ihr Recht eingeräumt. Die
Erregung hält bis zum Ende an, der Zickzack-Kurs der'Gescheh-
nisse vereitelt jede vorschnelle Kombination. Fazit: man sehe den
- Film sich an, er gewährt die unverächtlichen Genüsse eines gehobe
nen Detektivromans. — Das Beipro grämn: unterrichtet über die
besonderen Sensationen des Trabrennsports und bringt in der
Ufa-Wochenschau die üblichen Neuigkeiten aus aller Welt.
schiedene Kreise und Berufe. Es entstehen im 18. Jahrhundert
Sraatskalender, genealogische, historische und literarischeKalender,
Theater-, Jagd-, Forst- und Garten-Kaender. Verbreitung finden
vor allem die ! i t e r a r i i ch e n M' N.ujahrsgeschenken werden
reizvolle Kalender für Da m en h . ..erichtet, zierlich eingebunden,
mit mo ernen Kupfern und poetischem Inhalt. Eine Mode, die,
wie alle Moden, aus Frankreich kommr, wo von 176Z an der
„HImÄNüeK äe5 MU8S8" erscheint, der 1769 in Deutschland von
Götter und Boje im Musen-Almanach nachgeahmt wird.
Die Musen-Almanache, die dem deutschen Gemüt be
sonders gut liegen, lösten ein Problem, das bisher unlösbar
schien: wie bringt man das Publikum dazu, Geld für Gedichte
auszugeben? Antwort: man macht Almanache, die den Damen
geschenkt werden. Künstler, Dichter und Verleger haben dieses
Verfahren weidlich ausgenutzt. Chodowiecki hat unermüdlich
Kalenderkupfer gestochen Schiller hat seinen berühmten
Musen-Almanach c egründet, weil, wie er in einem seiner ersten
Briefe an Goethe sagt, diese Entreprise für seine ökonomischen
Zwecke sehr glücklich war und seine Ünabhängi keit sicherte. Die
Verleger fanden auf diese Weise unverhofften Absatz für Verse, die
in den verschiedensten Einbänden und in allen Preisen zu Weih
nachten auf den Büchermarkt kamen. So geschah es, daß
Hermann und Dorothea" als Kalender mit Mode-
kupfern erschien, was heute immerhin seltsam anmutet; zumal
dann, wenn wir hören, daß zu der feinsten Ausgabe in gewirktem
Seiden-Einband eine Schere und ein Messerchen beigegeben wur
den, um das Buch von vornherein als Geschenk für den Nähtisch
zu kennzeichnen. Noch absonderlicher vielleicht mutet es an, daß
Schillers Geschichte des dreißigjährigen-Krieges drei Jahre hinter
einander in kleinstem Format als Kalender für Damen erscheint.
Bei diesen lirerarischen Almanachen tritt der Kalender selbst
immer mehr Zurück. War „Hermann und Dorothea" 1797 noch als
richtiger Kalender mit Monatskupfern herausgekommen, so fristet
in der 1803 erscheinenden Ausgabe von Goethes Fragment: „Die
natürliche Tochter" der begleitende Kalender nur noch ein
kümmerliches Dasein auf dem Futteral. Ein Jahr später erscheint
der „Tell" als Neujahrsgeschenk ganz ohne Kalender. Allmählich
entwickelt sich so aus dem Musen-Almanach des 18. Jahrhunderts
das T a s ch en b u ch, in dem im 19 Jahrhundert die Gedichte
Zimmer mehr von Erzählungen in Prosa, von Novellen und
Liebesgeschichten verdrängt werden.
Kalender sind das verbreiterte Zeugnis der Buchdruckerkunst.
Als Wandschmuck dem Augen stets sichtbar, als Taschenbuch täglich
durchblättert, sind sie die gegebenen Verbreiter derReklame;
vor allem der Wandkalender, der eigentlich ein Plakat ist. Die
mittelalterlichen Almanache mit ihrem astrologisch - mythisch
symbolischen Inhalt haben sich im 17 und 18. Jahrhundert zu den
großen Staats- und Ratskalendern mit ihrem allegorischen und
heraldischen Inhalt umgewandelt Aus diesen StaatsLalendern
ist dann später der moderne Geschäfrskalender, der
Reklamekalender, hervorgegangen
§ Seinen beifällig aufgenommenen Vortrag schloß Herr Sond-
heim mit dem Dank der Bibliophilen - Gesellschaft an Professor
Schmidt. Die Ausstellung selber, die sehr reich beschickt worden ist
und eine Fülle kostbarer Stücke aus allen Epochen enthält, wird
noch eingehender gewürdigt werden kr.
/V-
— ^Jst das Theater noch lebensfähig^ In den Frank
furter Kamm erspielen entwickelte gestern abend der Ber
liner Theaterkritiker Dr. Kurt Pinthus seine theoretisch gut
fundierten und durch praktische Beispiele hinreichend beglaubigten
Ansichten über die gegenwärtige Krisis des Theaters und
die Möglichkeiten ihrer Behebung. Vorwiegend an Berlin exem
plifizierend, legte er mit Recht den Nachdruck auf die Struktur des
heutigen Publikums: sein Ueberwältigtsein durch den Anprall der
TaLsächlichkeiten, seine gegen früher unerhört gesteigerte Erregbar
keit. Eine Situation, die dem Film besonders günstig ist. Der
Redner grenzte ihn in einer ziemlich eingehenden Analyse treffend
vom Theater ab, zeigte vor allem, wie der Film dank seiner Tech
nik, die ihn zur Ueberwindung von Zeit und Raum, zur Dar
stellung der faktischen und möglichen gegenwärtigen Realitäten be
fähigt, den Bedürfnissen der Massen entsprechen kann. Das Thea
ter hat sich ihnen nicht angepaßt. In einer Zeit, aus der ein Lava-.
ström glühend hervorbricht, spielt es ein veraltetes Repertoire,
traktiert es Probleme, die abgewirtschaftet haben. Die Kritik des
Redners, die sich, auch auf die heutigen Intentionen Max Rein
hardts erstreckte, wies im einzelnen die Unangemeffenheit der szeni
schen Leistungen an die Grundgefühle der Gegenwart auf — eine
Unangemeffenheit, die recht, eigentlich den finanziellen Niedergang
der Theater erklärt Wie kann dem ab geholfen werden? Man habe
den Mut, so formulierte der Redner, und fordere, daß dieses er
starrte Theater sterben müsse, damit es in neuer Form auf-
erstehe. Es gelangt aber nicht dadurch zur Aktualität, daß es sich,
wie jetzt in Berlin, durch „Reißer" aufzuhelfen sucht, oder gar
Film und Revue auf die Bühne verpflanzt, sondern lediglich durch
die Besinnung auf die ihm selber angestammten Möglichkeiten. Im
Kontrast Zum Film und im Kontakt mit der Zeit
wird es sich zu entwickeln haben, um wieder den ihm gebührenden
Rang einzunehmen. Me Richtung dieser Entwicklung deutete der
Redner durch den Hinweis auf das russische Theater Tai-
roffs und Mey erhold § an, das mit den Kunstmitteln arbeite,
die dem Theater allein zugehörten, und in Tempo und Rhythmus
der gemäße Ausdruck unserer Epoche sei. — Der aufschlußreiche
Vortrag war leider wenig besucht.
Die jüdische Gesellschaft.
— Der Präsident der zionistischen Vereinigung für Deutschland
Her, Kurt Blumen selch sprach über die Entwicklung
der jüdischen Gesellschaft in Deutschland. Kein Vortrag
eigentlich, sondern ein historisch-soziologisches Seminar, das über
zwei Stunden währte, — eine abendfüllende Länge, die das Auf
fassungsvermögen des nornialen Hörers überschritt.
. Hon Blnmenfeld begann seine Skizze mit der Schilderung
zcner Gejellschaft, in die ein geringer Bruchteil der Juden zur Zeil
'der Emanzipation einlrat. Es war eine von kämpferischen:
Rationalismus beseelte Gesellschaft, die von den religiösen Dingen
ab gewandt lebte und im übrigen nicht die volle G ewißheit ihrer
selbst hatte. Die wenigen Juden, die zu ihr stießen, wurden als
Einzelne ausgenommen und anerkannt. Man achtete ihre kritischen
Fähigkeiten, besuchte die Salons der geistreichen Jüdinnen, die in
der Kunst des Gespräches excellierten, und gewährte den Juden
Einfluß in der Polier, deren demol'ratisch-fdrtschritN Gesinnung
der ihren entgegen kam.
Der Optimismus, der damals die Juden erfüllte, schwand in
der Zeit der Restauration. Ihr Out^io'rtnm deutlicher
zu Tage und eine gewisse Zwiespältigkeit ihr^Z Wesens entwickelte
sich, deren Prototyp Heine ist. Immerhin kam es nach 1848 zur
Emgliederung der kleinen aufgestiegenLn Schicht in die Gesellschaft.
Dre damals herrschenden materialistischen Ideen begünstigten die
Assimilation. Der Antisemitismus blieb vorerst latent.
1865 wurde die Judenfrage zum soziologischen Problem.
Erngehend Zeigte der Redner, welche Folgen das starke Anwachsen
der jüdischen Akademiker damals hatte. Es bildete sich eine jüdische
Oberschicht, die in zahlreichen Broschüren einen Teil der Juden
von sich abstieß, um sich selber gesellschaftlich zu managen. Die
Oberschicht war zugleich eine solche des Mäzenatentums: noch
jüdisch zwar, aber bereits ganz entjudet.
Der seit 1880 immer stärker und offenbarer werdende Antise
mitismus rief mehr und mehr jüdische Organisationen auf den
Plan, unter denen der 1893 gegründete C e n t ral - V e r e i n
eine hervorragende Stellung einnimmt. Ein großer Teil der Juden
freilich sperrte sich zuerst gegen die durch solche Organisationen
beton e Absonderung; er ging in die Parteien, um Gleichberech
tigung zu erwirken, vor allem in die liberale, ohne freilich sein
Ziel zu erreichen. Die seltsame Bestimmung aller jener Organi
sationen ist nach dem Urteil des Redners, daß Juden in ihnen
als Juden für die Aufhebung der Unterschiede zwischen Juden
und Christen eintraten. Trotz des Optimismus, der sie beherrschte,
stand die Tatsache fest: daß die Juden infolge des Anschwellens
jener über die ganze Welt sich erstreckenden antisemitischen
Welle aus der Gesellschaft, ausgeschlossen waren. Ein Fakmm,
das dazu führte, daß nach 1900 immer mehr Angehörige der an
fänglich sich Zurückhaltenden jüdischen Oberschicht in die eigenen
Organisationen hereinftrömten. Der Zwang dazu hing auch mit den
wirtschaftlichen Veränderungen Zusammen. Mit der Zu
nehmenden Vergesellschaftung des Kapitals gewann ^das immobile
Kapital mehr an Einfluß: Schwer-Jndustrie und Grok-Grundbesitz,
Mächte alio, denen dir Juden nicht Zugchör'en, stiegen empor.
Lauter Erscheinungen, die auf die gesellschaftliche Position der
Juden ungünstig wirkten.
Gegen den Schluß seines Vortrages charakterisierte der Redner
noch d-is-SEnug der Juden in der G e g e nwar t, in der Restau
ration und Reaktion wieder herrschen. Ihre Stellung hat nach ihm
etwas Unmögliches: werden doch feiner Auffassung Zufolge die
Juden heute in ein Sonderleben gedrängt, d< sie aber lediglich
in der Tendenz führen, sich mit den andern w .eines Tages zu
identifizieren. Sie verhalten sich imitati , mnerhalb ihrer
separaten Zirkel, die sich, als Anhängsel freilich nur, in der Regel
auch ein jüdisches Programm Zugelegt haben.
Mit dieser soziologischen Interpretation der Stellung des deut-'
scheu Judentums innerhalb der Gesellschaft verband der Redner
einige kritische Auslassungen: so auch an der „Frankfurter
Zeitung", der er ein widerspruchsvolles Verhalten den Deutsche^
Südtirols und den zionistischen Juden in Deutschland gegenüdv
vovwarf. Es erübrigt sich, auf diese flüchtig vorgebrachte
Haltungen einzugehen, da zu diesem Gegenstand bereits das Nötige
gesagt