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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

mangeln. Seine Wahl ist ein aussichtsreicher Versuch, bis 
beiden Generationen miteinander zu verbinden. 
V-k 7s 
Der Deutsche Werbbund. 
Rheirr-R^H^-TagUrrg. 
(Von unserem Sonderberichterstatter.) 
Hr Essen, 23. bis U. Juni. 
Der Verlauf der 15. Jahresversammlung des Deut 
schen Werkbunds in Essen bewies aufs neue, was 
schon seit mehreren Jahren aus den Diskussionen stets sich er 
geben hatte: daß die Geschlossenheit des in einer behüteteren 
Zeit geborenen Werkbundgedankens schwer nur sich durch-- 
halten läßt. Mochte er sich früher als eine in sich gegründete, 
selbständige geistige Zielsetzung behaupten, so hat er den 
Schein der Unabhängigkeit heute eingebüßt. Die Stellung 
nahme zu den ökonomischen Fakten und sozialen Gegensätzen, 
die nach dem Krieg aus ihren Hüllen getreten sind, bestimmt 
die Art seiner inhÄtlichen Erfüllung. 
Träger des sachlichen Widerstreits sind in der Regel die 
Wortführer der verschiedenen Generationen. Sie sind es im 
Werkbund, in dem die Gruppe der Jungen sich theoretisch und 
praktisch von den Aelteren merklich abhebt. Der von uns (im 
Abendblatt vom 24. Juni) bereits mitgeteilte Entschluß Rie 
mers chmids, sein Amt als erster Vorsitzender niederzu 
legen, entbehrt nicht der Größe. Er entspringt, so darf vor 
ausgesetzt werden, der Einsicht, daß dem Werkbund dann nur 
über die Zeit zu helfen sei, wenn der Geist der jüngeren Kräfte 
ihn mitgestalten kann. Durch den mit begreiflichem Bedauern 
ausgenommenen Rücktritt und seine Begündung wird eine 
stetige Fortentwicklung zwar nicht verbürgt, doch ermöglicht. 
An Riemerschmids Stelle ist Geheimrat Bruckmann ge 
treten, der namhafte Senior des Werkbundes, dessen Rat und 
organisatorische Erfahrung niemand missen will. Mit ihm ver 
eint wird Mies van der Rohe wirken. Es war ein 
glücklicher Gedanke, ihn gerade zum zweiten Vorsitzenden zu 
berufen. Er ist ein radikaler Künstler, der um die sozialen 
Zusammenhänge weiß, und ihre Wirklichkeit in die richtige 
Beziehung zur ästhetischen setzt, ohne der Urbanität zu er 
M^»X LAt«LL 8 4LOHV 
1)3,8 „Marx-Lngels-^i-obiv", dosson erster Band 
jstLt vorÜSKt (Lraukkurt, Marx - Lngsis-^rokiv 
VerlagSASsoUsedalt. VIII, 547 Seiten. 12), wird 
vorn Marx-Lugois-InstituL in Moskau und der 
Oosbllsedalt kür LoLialkorsobung (e. V.) ru Lrank- 
kurt unter der Leitung von L. Ljaranov der- 
ausgsgobon, der aueb irn ^uitrag des Moskauer 
Instituts die kritisebe Oesarntausgade der lVerke 
von Marx und Lngels übernommen bat. Lie 
deuisebs Ausgabe des ^robivs, das in Lwang- 
ioser Loige ersobeinen soll, ist keine reine Leber - 
setxüng der gleiebnamigen russisoben Leitsobrikt, 
sondern eine selbständige, auk die Interessen der 
intern8.tion2.Ien Lesersebakt rugesebnittene Lu- 
blikation. 
Die ^nlase des ^.rebrvs ist weiträumig. Man 
gedenkt in ibm die Lntstebung, Lntwieklung und 
Verbreitung des Marxismus 2U verfolgen und 
Leiträge 2ur kritiseb-wissensebattbeben Leband- 
lung der Lebensgesobiobte von Marx und Lngels 
Lu Üekern; ?umal ibre praktiseb-polltisebe Lätig- 
keit soll berüeksiebtigt werden, Lerner sind kort- 
lautende Mitteilungen über die Arbeiten des 
Instituts und die Oesamtausgabe geplant, ^ls 
Lernstüeks werden die Lande jeweils Vorab- 
druoke neu aukgekundener, kür das Marx-LnZels- 
Ltudium wiebti§er Manuskripte und Dokumente 
entboten. 
Der erste Land reugt kür die Oründliobkeit 
seiner Herausgeber. Lr verökkentliebt rum ersten 
Male einen Lei! der „Leutsebsn Ideo 
log i e", jener Lamplsebrilt, in der sieb Marx 
und Lngels Lu ibrer „Lelbstvsrstandigung" mit 
der naebbegebseben Lbilosopbie auseinander- 
gesetrit baben. Ljaranov erxäblt in der Vorrede 
die abentsuerliebe Oesebiobte der Havdsebrikt, 
niobt ebne irn Vorbeigeben Kerrn v. Lelow, der 
sieb dessen gewik niekt verseben batte, gegen > 
Lombart ausxuspielen. ver publizierte ^bsebnitt! 
des Lrüb werks ist Leuerbaob gewidmet und ein 
bedeutender Lundort der Motive, denen die 
matsrialistisobe Vesebiebtsaukkassung entspringt. 
— Line weitere Lrstverökkentbebung, der Lriek- 
weebsel Lwiseben Vera TasuIiL und Marx, 
bringt ^.eukerungen von Marx über die russisebe 
Lauerngemeinde. 
In der Oruppe der ^bbandlungen beginnt 
veborin seine Studien xur Vesebiebte der 
vialsktik mit einem ausgedebnten Lssa^ der via- 
lebtib bei Laut, veborin ist 2ur 2eit der okki^ielle 
Moskauer Ltaatspbilosopb. Leine Lritik an Laut, 
dem er im übrigen eine ebrenvolle volle in der 
Oesebiebte der vbilosopbie anweist, labt sieb 
unsebwer aus den Voraussetzungen des rus- 
siseben Marxismus ableiten, der vielleiebt so 
ortbodox niebt ist, wis er sieb gwt. Vie ent- 
sekeidenden Linwände riebten sieb gegen den 
„Subjektivismus" Lants: daL er die Hukt 
Lwisoben der Lrsebeinung und dem ving an sieb 
verabsolutiere und die V^abrbeit kür unerkenn 
bar balte, statt die Mögliobkeit ibrer Lrkassung 
vrorek des Werdens rurugesteben. Viese 
Urteile ergeben von einem dialsktiseben Mate 
rialismus aus, der so objektivistiseb ist, daü er 
nabexu wie ein Neukantianismus mit umge- 
kebrtem Vorlieben sieb anlakt. Indessen rübri 
der Radikalismus veborins trotr seiner Leer 
stellen und Llöüen immer voob mebr an die 
^Vabrbeit als die meisten unserer epigonen 
bakten Lbilosopkies^steme, die reine Ideologien 
sind. — Line bistorisob-kritisebs Arbeit V. 
Volgins dient dem Naobweis, daL 8t.-8imon 
niobt eigentlieb ein Lorialist gewesen sei, son 
dern die ^narobie der Kapitalistisoben Ordnung 
babe überwinden wollen, obne ibre ^Vur^eln 
an^ugreiken. Leine Oesobiebtsaukkassung wird als 
Vorläukerin der materialistisoken erkannt. — 
ver Herausgeber IX LZa 2 anov selber beban- 
delt auskübrlieb die Lntstebung der Internatio 
nalen Arbeiter-Association. 
Lrn besonderer l'eil ist der Literatur ge 
widmet. Neuere ^erke aus den Vebieten des 
bistoriseben Materialismus, der politisoben Oeko- 
nomie und der Oesobiobte der Arbeiterbewegung 
werden gewürdigt. Dankenswert ist die s.vste- 
matisobe L i b l i 0 g r a p b i e, die den LobluÜ 
des Landes bildet; sie stellt die Literatur (mit 
^usnabme der russisoben) über Marx, Lngels 
und den Marxismus seit dem Beginn des ^Velt- 
krieges cusammen. 
, ro 
iL5> ' 2 
>re - 
Die Erörterungen innerhalb des WerGunds haben in den 
letzten Fahren vorwiegend feinem Verhältnis zu Handwerk unh 
Industrie gegolten. Wie ist die von ihm gelehrte rechte Form 
gesinnung zu erreichen? An welchem Punkte wird anzusetzen 
sein, damit die Qualität einer jeden Arbeit genau und 
glaubhaft ihrem wahren Sinn entspricht? Man hat sich oft ge 
nug Wer diese Fragen ausgesprochen, dem Kunstgswerös die 
Grenze gezogen, Sachlichkeit Zum neuen Evangelium gemacht. 
In der Sphäre des Ideellen fand man sich in Essen zusammen; 
man Mied sich, sobald man die Möglichkeit seiner Realisie 
rung erwog. Sie ist an die Erkenntnis der unwiderleglichen, 
wenn auch nicht unwandelbaren wirtschaftlichen -und sozialen 
Gelegenheiten geknüpft. 
Den Werkbund enger als bisher mit dem Handwerk 
zu verquicken, war die Forderung des Reichstagsabgeordneten 
Dr. Wienbeck (Hannover). Nicht das Gros der Käufer nur, 
auch die Masse der Kleinproduzenten muffe Ar die Qualitäts 
leistung genommen werden. Er unterbreitete Vorschläge nach 
dieser Richtung hin und stellte den (später angenommenen) An 
trag, der Werkbund möge die handwerkliche Bewegung in er 
weitertem Maße zu der seinen machen, statt das. Kunsthand 
werk einseitig Zu bevorzugen. 
Die Gefahren einer solchen zu stabilen Verdoppelung wer 
den gerade in den Kreisen der Jungen gesehen. Man ist ge 
wiß bereit, auch das Handwerk erzieherisch zu beeinflussen, 
man hat ein Verständnis für seine schwierige Situation. Doch 
der Werkb-und Lmn sich nicht auf das Handwerk beschränken 
dessen Kampf um die Selbst-erhaltung im Bereich der Wirtschaft 
geführt und entschieden wird. Das Hauptaugenmerk hat sich 
zudem, unsenLiwental durchaus, aus die GGaltuna der 
Maschinenarbeit zu richten, die den 
Sie prägt das Gesicht des öffentlichen Lebens, bei ihr ist in 
folge der zunehmenden Thpisterung und Normalisierung das 
aktuelle Interesse. * 
Der Anteil der Großindustrie an der 
Formung der Zeit war das eigentliche Thema der 
Tagung. Da der frühere Reichskanzler Dr. Luther abgesagt 
hatte, eröffnete Direktor Dr. Rummel die Verhandlungen; 
in seinem Vortrag gelangten, nicht wenig lehrreich, charak 
teristische Anschauungen des Ingenieurs zur Selbstdarstellung. 
Den Zwang der Gesetze des Wirtschaftslebens verglich er dem 
von Gleisen, die den Weg der Lokomotive vorzeichnen. Aber 
auch die Gleise sind von Menschen gebaut. Aus dein Vor 
handensein jenes von ihm fraglos Hingenommenen zog 
er etwa die Folgerungen, daß die Großindustrie ihr Daseins 
recht aus der Verbilligung der Produkte herleite und die 
Zweckgestaltung von ihren Wirtschaftlichkeitsberechnungen ab 
hänge. Wo aber bleibt dann das Künstlerische, das sozusagen 
Aesthetische? Es wird, begreift man Rummel recht, des Sonn 
tags geschossen, bietet sich z. V. in der verführerischen Form 
üppig bedeckter Medaillen>jungen Sportvereinigungen an. Als: 
Festbraten, von einem technischen Institut gestiftet. Das ist keine!
	        
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