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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Lr. 
berKvreis ruteil geworden ist. 
Zu den Zukunftsplänen, die erörtert wurden, gehörte vor 
allem die Stuttgarter Ausstellung des nächsten 
Jahres. Von der württsmbergischen Arbeitsgemeinschaft des 
Werkbunds angeregt, hat die Stuttgarter Stadtverwaltung 
beschlossen, 60 Wohnungseinheiten ihres kommunalen Bau 
programms der Regie des Werkbunds zu überantworten. 
Mietshäuser mit Wohnungen bis Zu sechs Zimmern sollen er 
richtet werden. Von dem Werkbund ist Mies van der Rohe 
als Organisator ausersehen. Es besteht, wie man hört, die 
Absicht, bekannte Architekten des In- und Auslandes heran- 
zuziehen. 
Das Projekt einer der Veranschaulichung des Werkbund 
geistes gewidmeten internationalen Ausstellung 
19 3 0 hat noch gute Weile. Auf Grund der Vorbesprechungen 
ist von dem Reichskanzler und dem Innenminister jede För 
derung zugesagt worden. Ueber den Ort herrscht vorerst Un 
einigkeit; die Städte rivalisieren miteinander. Daß für eine 
solche Veranstaltung Berlin geeignet wäre, duldet wohl 
keinen Zweifel. Die Platzschwierigkeiten dort werden sich lösen 
lassen. Der Werkbund bereitet eine Denkschrift vor, die der 
Reichsregierung vorgelegt wird. 
Zur Gegenart noch: man begrüßte, besichtigte, tanzte. 
Prominente wie Poelzig, Bruno Paul, Höger waren er 
schienen und zeigten sich menschlich. Die Stadt Essen hatte 
alles aufgeboten, um ihre Gäste zufrieden zu stellen; sehr zu 
Recht dankte Geheimrat Bruckmann ihrem Oberbürgermeister 
Bracht. Einladungen nach Krefeld, der Düssel 
dorfer Gesolei und Duisburg wurde Folge geleistet. 
Als kommender Tagungsort stehen Frankfurt, Mannheim 
und Stuttgart in Wahl. 
Ton Lrnsf Bar- 
r k 6 i. Bonn, F>. (7oksn. Lsr'ten. 
Brnst BartlleI, dessen wertvolle Sellrikt „Ooe- 
tkss Wisssnsellaktslellre in illrer modernen TrZK- 
weite" s>n dieser Atolle seinerzeit KswürdiDd worden 
ist, rielit in dsr „Debensnllilosonllm" die 8umme aus 
trüberen Adelten. Das von Llun entworkeno Welt 
bild ist ein Verein von ^nsebauunken, deren Bünd 
nis illres vsrsebiedsnen BsdeutunKssellalts wSLSn 
ein wenis skurril anmutst. Hölzerne Blattitüden 
stellen neben ^ussasen, die als materielle Intuitio 
nen gelten dürken; naive Zirkulationen Knostisoller 
^bkunkt misellen Hieb un^ellemmt mit einer l^atur- 
erkeNntnis im ^sieben Ooetllss. Die Welt wird von 
Bartbsl auk den xöttliellen Do^os surüekLeküllrt und 
die Dnsterbliebkeit durell die ^nnallme der Bxisten? 
einer weiten Welt 2U siollern sesuebt, die unsers 
Welt sur Totalität erKänM. Die VtzLründunK, -warum 
diese Dnsterdliellkeitstllese von „sanr sveriellem 
sorialsn 'Wert" sei, lallt siell so komisell an, dall sie 
llisr dar^sboten -werden mö^e: „Wenn jeder Uensell 
in seinem näellsten Dasein in dieser Welt möÄieller- 
weise in jeder anderen Lomalsrunne geboren werden 
kann, so ist es eine 8aolle des wolüverstandenen 
D^oismus, dall jeder Uensell wällrend seines Dellens 
daru beiträ^t, das llarmonisolle Oleioll^ewiellt swi- 
sellen den ZomalKruvVen 2U kordern . . Loleller 
Aeielltlleiten linden siell viele, man wundert siell nur, 
mit weleller 8elllstverständliellkeit sie vor^etrasen 
werden. Diaenss (Aenrä^s tragen allein die natur- 
pllilosonllisellbn Xnüellauun^en: so die Dellre 
von dsr Dntstellun§ des orLanisellen Debens, die dem 
Darwinismus den bedanken einer kosmisellen Drsen- 
Lsun§ ent^egensstLt, und das aut' brund der Riemann- 
sellen Lu^elKsometrie auksellauts astronomisells 
Weltbild. LeZeiellnend kür diese Mturpllilosonllie ist 
das Bestreben, dem kosmisellen Deben jenen abstrak 
ten Dnendliellkeitsellarakter ru nellmen, den die bis- 
lleri^e blaturwissensellakt illm verlieben llat, und es 
den besrensten Nallen msnselllieller ^nsellauun^ ru- 
LänÄiell ru maellen. Das kyselliellt Zumeist ollno 
Büeksiellt auk die Lontrollsellranksn eines kritisellen 
Verstandes: doell verdienen die Tlleorien. insoweit 
sie erweisbar sind, eins saelllielle Brükuns. Der 
strotssndsn blaturvllantasie des Autors mas: es rum 
Teil 2u danken sein, dall dem Vuell der Ltrind- 
böswillige Erfindung, die Medaille wurde im Lichtbild 
gezeigt. 
Nicht gegen die Auffassung des ausgezeichneten Fach 
mannes, daß die wirtschaftlichen Überlegungen heute ent 
scheidend seien, kehren sich die Bedenken; wohl aber gegen die 
Sonntags ästhetik, die er ausgepfropft hat. Sie ist 
eine Ideologie in Reinkultur. Werden die Gesetze, denen die 
Industrie untersteht, zu starren Notwendigkeiten verding- 
licht, wie es vom Standpunkt des leitenden Ingenieurs aus 
leicht geschehen mag, so muß in der Tat die Kunst herhalten, 
um das Leben des Arbeiters in den Feierstunden zu ver 
schönern. Die Kunst als ein Ding, das den Ausgleich und 
ein beruhigtes Gewissen schafft: der zitierte Goethe hat es so 
nicht gemeint. 
So auch meint es der Werkbund nicht. Unumwunden 
wies der Korreferent, Geheimrat Riemerschmid, die Mei 
nung zurück, daß die Kunst eine PrmMngÄegenheit sei. Ge 
rade weil der Großindustrie, deren technische Leistungen er im 
übrigen nicht genug zu rühmen wußte, die führende Rolle 
heute zufalle, müsse sie sich von jener Gesinnung durchdringen 
lassen, die nicht übervorteilen wolle, sondern übertreffen, und! 
die Grundvoraussetzung jeder Formgebung bilde. Er warf 
der Großindustrie ihre „Lieblosigkeit" vor; sie hänge nicht am i 
Werk, sondern am Geld. Liebe aber könne, wenn die Phan- 
taste von der rechten Art sei, sogar die Kosten verringern. Er 
geißelte auch die „Verlogenheit" der Industrie, die in der 
Fabrikarchitektur sich nicht selten zeige. Zur Werkarbeit lege 
man das schlichteste Kleid an, und häßlich würden die Dinge 
dann, wenn sie etwas Besseres sein wollten, als sie sind. Die 
Industrie müsse sich ihrer Verantwortung bewußt wer 
den, sie dürfe sich nicht mit dem Mäzenatentum mancher Fudu- 
strieherren zufrieden geben, das nur ein Kennzeichen der Gleich-! 
gültigkeit gegenüber der Werkarbeit sei. 
Der Mahnruf Riemenschmids fand allgemein Anklang, man 
spürte aus ihm den persönlichen Einsatz heraus. Ideologisch 
sein Glaube, daß die gemeinsame Arbeit am „Werk" die Grup 
pen der Unternehmer, Arbeiter, Banken vereinen könne. Erst 
wenn sie real vereint sind, mögen die dauernden Werke ent 
stehen, die er ersehnt. Indessen sprach fein beschwörender Idea 
lismus zu den Betroffenen; man hat ihn gebeten, seine Dar 
legungen in Jndustriellenkreisen Zu wiederholen. 
In der anschließenden Diskussion formulierte Dr. Riez - 
ler die Erkenntnis, daß die Persönlichkeit im Sinne Goethes, 
deren Begriff und Wirklichkeit seit der Renaissance die abend 
ländische Menschheit bestimme, durch die Macht der Technik 
mehr und mehr den großen anonymen Komplexen weiche. Die 
Formen, die ihnen entwachsen werden, so überspitzte er geist 
reich, sind nicht mehr dazu da, um gesehen zu werden. Zum 
Schlüsse deutete er auf die Beseeltheit der Welt hin, die zu 
ihrer Auswirkung der nun schwindenden Persönlichkeit nicht 
bedürfe. —- Freiherr v. Pechmann erklärte unter anderem, 
daß die Industrie überall dort, wo sie bewußt gestalte, die Mit 
arbeit des Werkbunds nicht entbehren könne, der sie sich gleich 
wohl viel zu häufig entziehe.
	        
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