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einem Verstoß zu ertappen. Hatte ich in einer schwachen Minute
den Anschein der Gleichgültigkeit erweckt? Durch verdoppeltes
Sorgfglt suchte ich das Maschinchen wieder auszusöhnen. Ich
zwang mich in seiner Gegenwart zur Fröhlichkeit und ersann
neue Spiele auf der Tastatur, die das lahme Stangchen viel
leicht zerstreuten. Indessen, sein Zustand veränderte stch nicht.
Es drang ein fremder Mann in mein Zimmer. Während
der letzten Tage hatte die Unruhe mich aus dem Haus ge
trieben. Wenn ich auch meinen Kummer ängstlich verbarg, so
konnte er doch von einem LaMaus-Bekan^ worden
sein. Am Ende hatte er mir den Mann geschickt; nur so jeden
falls ließ sich seine Anwesenheit ungezwungen erklären. Die
Züge des Mannes waren grob, ohne einer Art von populärer
Gutmütigkeit zu entraten; er trug eine große schwarze Tasche
unter dem Arm. Der Mann verlangte das Maschinchen zu
sehen, das verwaist auf dem Bette stand. Im Bewußtsein
meiner Machtlosigkeit begnügte ich mich damit, ihn scharf zu
beobachten. Wie er durch das Zimmer schritt, Zertrat er un
achtsam mehrere Papierbögen, die aus Platzmangel auf dem
Boden lagen. Den Kasten öffnete er mit einem Griff.
Um den Mann von seinem Vorhaben abzulenken, sprach
ich in einem fort. „Ist es nicht ein wunderbares Maschinchen,"
sagte ich hastig, „die eine Taste freilich fühlt sich im Augenblick
etwas unwohl, ich weiß es, aber ich benötigte sie garnicht, sie
ist so empfindlich, müssen Sie wissen, man sollte sie nur schonen
und gut zu ihr sein, ich weiß genau, daß sie sich von selber
wieder ermuntern wird, wenn bestimmte Vorbedingungen er
füllt sind, die in Bälde eintreten werden, rnüffen Sie wissen."
— Der Mann antwortete mir nicht. Er legte die Tasche auf
den Stuhl, hob das Maschinchen in die Höhe und betrachtete
es mit Kennerblicken von unten. Mein Schamgefühl war ver
letzt. Nie noch hatte ich, der ich doch mit dem Maschinchen zu
sammen lebte, das Untere mit solchen Blicken geinustert wie er.
Jetzt redete er mich an; vielleicht war es auch nur ein Mono
log. Ich müsse Zu M auf die Taste gedrückt oder das Gestänge
zerknittert haben. Verwirrt schaute ich zu Boden. Der Schelm
sprach gegen mich.
. Bedächtig entfaltete der Mann seine Tasche. Ein Glanz!
drang aus ihr, der mich quälte. Er ging von riesigen *
Schraubenziehern aus und von Zangen, die Geburtszangen
glichen. Ich wollte nicht Hinsehen und war doch von den ge
walttätigen Stahlkurven gebannt. Der Mann streifte die
Aermel -empor; er erinnerte mich an meinen Hausarzt, der
mich als Kind einmal operierte. Mit seinen plumpen Fingern
nahm er das verletzte Flamingobeinchen und richtete es auf.
Furchtsam verharrte es in der ihm angewiesenen Lage. Auch
die Nachbarstangen teilten sein Schicksal. Nach etlichen
weiteren Handgriffen rief mich der Mann Hechel «d hieß
Das SchreiömaHinchen
Von Raea.
Seit kurzem nenne ich eine Schreibmaschine mein eigen.
Ich bin jetzt über dreißig Jahre alt und habe zuvor noch "nie
eine Maschine besessen. Es wäre mir auch unerfindlich ge
wesen, wie ich in ihren Besitz hätte gelangen sollen. Gewiß, die
meisten Menschen machen es sich damit leicht. Sie betreten ein
fachmännisch gebildetes Geschäft, prüfen die Fabrikate und wäh
len ein passendes aus. Aber der Gedanke, eine Maschine wie
einen Schlips zu kaufen, sie sozusagen auf öffentlichem Wege
zu erwerben, war mir niemals gekommen; ich hielt ihn für
vermessen und billigte ihn nicht. Nur durch eine Verkettung
sonderbarer Umstände, die aufzurollen das einfache mensch
liche Taktgefühl verbietet, geriet die Maschine in meine Hand.
Wie ein herrenloses Hündchen lief sie mir zu. Ihm die Auf
nahme zu verweigern, wäre Unrecht gewesen.
Von dem ersten Augenblick an liebte ich die Maschine ihrer
Vollkommenheit wegen. Sie ist graziös gebaut, federleicht und
blitzt im Dunkeln. Das Gestänge, das die Typen trägt, hat
die Schlankheit von Flamingobeinen, Wenn ich, was oft ge
schah, in ihre Betrachtung versank, gewann ich stets den Ein- !
druck, daß man ihr nichts hinzufügen oder wegnehmen könne;
so wie sie war, mußte sie sein. Mitunter kroch ich nach dem
Schlafengehen noch einmal aus den Federn, öffnete den Kasten
und stellte die Maschine neben mich auf den Stuhl. Dann erst
schlummerte ich ein. Während einiger Nächte verfolgte mich
ein böser Traum. Ich träumte, daß ich bei der Ankunft in
einer fremden Stadt — sie lag im Süden, ich entsinne mich
ihrer deutlich — die Maschine als Handgepäck aufgegeben
hätte, ganz so, als sei sie ein Koffer. Leichtsinn ist mir nicht
ckngeboren, eher bin ich pedantisch. Der Gang durch die Stadt
war eine einzige Folter.
Lange Zeit hindurch wagte ich nicht, die Maschine zu be
nutzen. In ihrer Vollendung erschien sie mir als ein höheres
Wesen, das durch Mißbrauch nicht geschändet werden durfte.
Nur verlegen liebkoste ich -— damals, in den Anfängen unse
rer Beziehung — ihre kühlen Teile. Die leichte Berüh
rung schon machte mich glücklich. Oder ich ließ die Walze
laufen und verstellte die Spulen. Wenn die Menschen, die
mich besuchten, das Maschinchen nicht bewunderten, haßte
ich sie.
Allmählich gewöhnte ich mich an das Maschinchen. Der
Umgang mit ihm veredelte mich. Hatte ich früher mit dem
Geschriebenen etwas mrsdrücken wollen, so lernte ich- nun be
greifen, daß allein die Tätigkeit des Schreibens selber erstre
benswert sei. Auf große Papierbögen von untadeliger Weiße
setzte ich Zahlenkolonnen und Buchstabenbilder, die nicht die
geringste Andeutung eines Sinnes enthielten. Zum Lohn für
das zwecklose Tun, das in zartsinniger Weise der Vollkom
menheit des Waschinchens huldigte, war es immer zu meinem
Empfang bereit Es galt mir bald mehr als eine Frau oder
die Freunde. Wir schnellten von dem linken Bogenrand ins
Unbekannte vor und fuhren wieder zurück; jeder Fleck des
Papiers wurde mit Chiffren bedeckt. Wochen verstrichen uns
so. Selige Stunden verbrachten wir in der Dämmerung, wenn
ich die Tasten nicht mehr recht sah. Ich phantasierte dann,
wie die Empfindung mich trieb, und herrliche Gebilde aus
Zeichen sprangen hervor. Festfahnen gleich flatterten sie über
den Hellen Gründen. Immer seltener suchten die Menschen
uns auf. Sie verstanden die Schriftfiguren nicht und schüttel
ten bedenklich die Köpfe. Zuletzt blieben sie aus. Ich bedurfte
ihrer nicht; vor mich hinzuklimpern, war mir genug. Oft
gingen die Tasten von selber weiter, so unzertrennlich ver
bunden war das Maschinchen mit mir. Die beschriebenen
Papierbögen häuften sich in meinem Zimmer.
Eines Tages trat ein unvorhergesehenes Ereignis ein: das
Maschinchen wurde krank. Eigentlich nicht das Maschinchen,
und auch krank wäre zuviel gesagt. Nur eine geringe Taste oer-
fagte, ganz am Rand ein Tästchen. Sie schwang sich zwar in
die Höhe, blieb aber, noch ehe sie ihr Ziel erreichte, ermattet
stehen. Das Maschinchen besitzt viele Tasten, und man hätte auf
die Bewegung der einen Taste gewiß verzichten können. Sie
enthält den ueeent Aruvs, den uaaairt olreonklGXS und die
eEIIe ohne a. Rein auf den Inhalt hin angesehen, handelte
es stch also um eine Taste von lächerlicher Nichtigkeit, die von
jedem anderen kaum bemerkt worden wäre. Doch für mich war
gerade diese Taste unentbehrlich, da ich mit ihr besondere
Kombinationen durKZuführen vermochte. Ich schlug etwa die
eEIIs in langer Kette an und stellte darüber den aeeent
olreonklexs. Nun saß er wie ein Dach auf dem Leeren, aus
dem ein Schwänzchen schlüpfte. Setzte ich ein 6 dazwischen, so
war die überflüssig, und das e hatte unter dem Dach
nichts verloren. Die Beschäftigung mit diesen Problemen,
deren Feinheit mich wieder und wieder entzückte, wurde
durch die Lähmung der Taste verhindert. An eine ernsthafte
Krankheit glaubte ich nicht. Die Maschine ist verstimmt, so er
wog ich im Stillen, gewissermaßen eine vorübergehende Indis
position. Bei ihrer Vollendung mochten auch Gedankensünden,
! uneingestandene Schwankungen des Gemüts einen Einfluß auf
sie gewinnen. Vergeblich rief ich mir die Tage und Nächte
unseres Zusammenseins ins Gedächtnis zurück, um wich auf
mich in das Innere sehen. Bisher hatte ich immer nur mit
einem Bürstchen die Außenteile blank geputzt. Nun breitete
sich ein Wunderwerk vor mir aus, lauter" Spirälchen und
Schrauben, die Welt im Waffertropfen. Ich war gerührt und
schämte mich nicht.
Die schrecklichen Instrumente begannen jetzt in den Ein
geweiden zu wühlen. Ich hatte mich abgewandt, der Anblick
war unerträglich. Von ferne hörte ich, wie die Stahlzangen
knackten, und mir schien, als sei ein leises Stöhnen das Echo.
Wut faßte mich an; nur war ich zu feig, sie zu äußern. Sie
verdichtete sich zu dem einzigen Wunsche, daß das Maschinchen
zerstört werden möge. Es ist mein Maschinchen, dachte ich
mir, und ein fremder Mann, der es rein mechanisch auffaßt,
hhat es in seiner Gewalt. Wenn es aber mein Maschinchen ist,
- wein zartes Maschinchen, mit dem ich einst in den Dämmer
stunden improvisierte, so kann es diesen Eingriff nicht
überdauern. Der fremde Mann soll es Zu Grunde richten, ich
wünsche, daß er es in Stücke zerschlägt. Dann werde ich die
Trümmer sammeln, ich werde reine Papierbögen um sie wickeln
und das Paket in meiner Schublade verwahren
Es mußte wenigstens eine halbe Stunde vergangen sein.
Der Mann hatte die Instrumente zusammengelegt und spannte
gerade in das Maschinchen, dem äußerlich nichts anzumerken
war, einen meiner Bögen ein. Er tippte, wie die Leute zu sagen
Pflegen. Ohne eigentlich hinzublicken, sah ich: die Taste
ging. Auf dem Bogen stand geschrieben: Wts, NiultrS,
mu eders. Durch private Fortbildung, erklärt der Mann,-
habe er sich alle französischen Vokabeln angeeignet, die für
sachgemäße Reparaturen erforderlich feien. Er teilte mir die
Unterschiede der Fabrikate mit, und daß er ein jedes kenne.
Man muß mit Maschinen umgehen können. Es empfiehlt sich,
nicht zu fest auf die Tasten zu schlagen.
Das Maschinchen war in Ordnung; die Maschine war
repariert. Ein fremder Mann kam ihr brutal, und sogleich
war sie ihm Zu Gefallen. Daß ich mit der Aufbietung meiner
Kräfte mich um sie gesorgt hatte, bedeutete ihr nichts. Meine
Liebe zu der Schreibmaschine erlosch. Sie war nur eine von
vielen, die alle künstlich hergestellt wurden und nach Mdarf
ausgebeffert werden mochten. War die eine erledigt, lo konnte
man eine andere kaufen. Ihr nachzutrauern verlohnte sich
nicht. Es gibt Fabriken und Läden, in- und ausländische
Marken stehen zur Wahl.
Ich gehe wieder unter Menschen und suche bescheidene
Freuden im Verkehr mit den Frauen. Die Maschine gebrauche
ich wie ein Ding. Das Geschriebene besteht aus Korrespon
denzen, Rechnungen und Betrachtungen gefälliger Art. Meine
Freunde sind zufrieden mit mir, weil sie die Schriftstücke ver
stehen und das Zimmer stets aufgMhrt M
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