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Object: H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

räume sind so unbezweifelbar echt wie der FamNenkram in der 
Kantorwohnung. Durch die Montage wird gegen den Schluß hin 
die letzte Spannung herausgeholt. Einige Meter sterbender Kan 
tor, dann wieder ein paar Meter das Revuetheater mit den Girls 
und dem als Neger geschminkten Sohn. Die Parallelität verengt 
sich mehr und mehr, das Tempo wird immer schneller. Auch die 
Kontraste sind keß geschnitten und die zu Rührungszwecken einge 
schobenen Ritardandos richtig ausgeklügelt. Technisch ist hier 
viel Zu lernen. 
In Amerika ist der Film als Tonbildfilm vorgeführt worden. 
Er kann auch erst zu seiner vollen Wirkung gelangen, wenn Al 
Jolson wirklich singt. Man sagt, er habe Tränen in seiner 
Stimme. EZ sind höchstbezahlte Tränen, und vielleicht hat er sie 
versichert wie Paderewski seine Hände. Rein darstellerisch ragt er 
trotz der Tränen nicht einmal sonderlich über die andern hinaus, 
obwohl er auch die Gesangspartien durch mimische Mittel über 
zeugend in die Filmsprache übersetzt. Von erstaunlicher Lebens- 
nahe-ist die Gestalt des Vaters, eine Leistung, die der Darsteller 
des treuen Trabanten der Kantorfamilie beinahe noch übertrifst. 
Denn er ist in jeder Bewegung das Leben selbst. Seine Hände 
halten Monologe, und wenn er nur die Augenbrauen leicht hebt, 
macht er lange Abhandlungen überflüssig. Und die Mutter — sie 
ist eine Mutter. 
Al Jolsons Lebensgeschichte ist auch eine Auseinandersetzung 
Zwischen der jungen und der alten Generation. Soll man das 
Kol-Nidre singen oder für 600 000 Mark auftreten?. Das ist das 
Problem. Ein rein amerikanisches freilich in anbetracht der Höhe 
des Honorars. Aber nun reißt es auch an uns. 
Dieser Film ist ein Reißer, aber ein guter, der wirklich reißt. 
In New Kork ist er Monate hindurch vor ausverkauftem Haus 
gelaufen. Al Jolson spielt in ihm seine eigene Lebensgeschichte. 
Al Jolson, der 600000 Mark für eine Rolle erhält, soll der höchst 
bezahlte Darsteller Amerikas sein. Seine eigene.Lebensgeschichte; 
ein Reißer. 
Die Handlung setzt im New Uorker Ghetto ein. Kantor 
Rabinowitz, ein Mann von gewaltiger Frömmigkeit, will aus 
seinem Jungen ebenfalls einen schwarzbärtigen Kantor machen. 
Der Junge singt so schön. Nur singt er leider viel lieber in den 
Bars als in der Synagoge. Ein Kantorsohn, der Gassenhauer vor- 
Lrägt — unmöglich. Er wird verstoßen, er ist kein Sohn mehr. Die 
Mutter freilich... Nach Jahren treffen wir ihn wieder. Robin, 
so heißt er jetzt, durchreist als kleiner Jazzsünger die Staaten, die 
groß sind. In einer Bar begegnet ihm Mary, eine jener be 
zaubernden Revuetänzerinnen, die man immer wieder mit ein 
ander verwechselt. Mary erkennt sofort sein Talent, betet ihn und 
die Kunst an und setzt glücklich durch, daß er mit ihr für eine 
Broadwayrevue engagiert wird. Der Abend der Premiere wird für. 
ihn der Anfang einer ruhmreichen Laufbahn sein. Aber ausgerechnet 
an diesem Abend beginnt auch der Versöhnungstag und möchte der 
Vater den Jungen, dem er bisher nicht verziehen hakte, das Kol- 
Nidre singen hören. Der Vater liegt nämlich auf dem Totenbett. 
Die Mutter... Wird der Junge die Premiere im Stich lassen? 
Die Vorstellung muß abgesagt werden, er singt dem sterbenden 
Vater das Kol-Nidre. Und ist doch worden der höchstbezahlte 
Mann am Broadway. 
Der Film ist virtuos gemacht. Die endlose Ghettosiraße spielt 
mit? ein Provinzbahnhüf greift ein, und die Bars und Bühnen 
Ale eigene LeVensgeschichie — ein Weißer 
Zur Aufführung des Films: „Der Jazzsänger" im Frankfurter Capital. 
OsAtse/r Dorr Usr-is I-eipE 
Sr-eMern B Oo- L^Z Leiten. Ask. Z.7A 
PranL KsUsr ist ein MistMebsr Look. In M- 
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mit äsr er ein Medts an Atoll LrLLiös LursedtLupit. 
- L r. 
Zwei Mnerikamsche Filme. Der eine der im Gloria- 
P a l a st gezeigten Filme heißt „Titanic und stellt den An- 
streg eines jungen Mannes in dem titanischen New York dar. 
George O' Brien spielt den Helden mit Muskelkraft und 
anständiger Gesinnung. Aus New Kork East-SDe — ein paar 
schöne Stratzenbilder tauchen auf -- geht es über den Boxerring 
nach den vornehmen Gegenden, wo der Junge erfahren muß, daß 
Reichtum allein nicht glücklich macht, sich daraufhin das immer 
geliebte arme Mädchen (Virginia Valli) aus dem LHten wie 
der holt und mit ihr sehr reich wird. Die oberflächlich gearbeitete 
Handlung wird durch gute Typen und Milieuschilderungen 
einigermaßen wettgemacht. Damit nichts an Titanischem fehle, 
ist auch ein Schiffsuntergana mit grandiosen Eisbergen einbe 
Zogen. — Das andere durchschnittlich ausgemachte Stück: „W a s 
eine schöne Frau begehrt" ist eine leicht satirisch ange 
hauchte amerikanische Filmbetrachtung über die weibliche Eitelkeit 
und'die Vorurteile der Gesellschaft. Die nette Billie Dove, die 
Hotslangestellte ist, spielt sich als Gast dieses Hotels auf und 
kapert sich einen ungemein reichen Junggesellen durch kleine Be 
trügereien, die zuletzt herauskomm-en. Da aber der Junggeselle 
auch innere «Schätze birgt, begehrt er sie dennoch zur Frau. 
Nahme sie rhn doch! Sie nimmt ihn nicht, sondern kehrt zu dem 
geliebten armen Chemiker zurück. Die Parallelität zwischen beiden 
Almen rst merkwürdig. Sie beweist zum mindesten, wieviel die 
Anfall des Herzens cuf der Leinwand gilt; was wieder Rück 
schlüsse auf die Praxis erlaubt. Raea. 
Die Carmen von SL. Paulü Das Beste an diesem in der 
NeuenLichtbühne (und den Kamm e r - L ich tspi e l en) 
gezeigten Ufa-Film sind die Milieuschilderungen. Zwar ist As 
immer Mederkchvende Vergnügungsstraße ersichtlich gestellt, aber 
Äazwischen taucht doch häufig genug der Hamburger Hafen auf. 
Großartige Aspekt besonders gut wirken, wenn ein leichter 
Nebel sie halb verschleiert. Die Handlung ist auf billige Effekte 
hin Aufammengestoppelt und nicht von Belang. Willy Feit s ch 
als junger Seemann erliegt den Reizen Jenny Iugo s, die sich 
Mühe gibt, eine verführerische Carmen zu sein, ohne doch ihre 
im Grund blonde Harmlosigkeit hinreichend verbergen zu können. 
Sie ist das Idol und Ideal einer kleinen Schmugglerbande, die 
aus verschiedenen Utelierapachen besteht. Fritz R a s p gehört ihr 
mit verwegener Miene a^ Wolsgang Zilzer ist der Schüchterne 
lm Kreis. Teils vollfüIren diese Leute Schiffseinbrüche, teils 
treten sie (wie im Grünen Kakadu Schnitzlers) als Attraktion 
der Gäste in einer Kaschemme auf. Zuletzt geschieht ein Mord 
aus Eifersucht, aber das glückliche Ende bleibt doch nicht aus. 
Das alles ist nicht ein glaubhaftes Geschehen, sondern ein Usa- 
Arrangement. Die Regie sucht beflissen das dunkle Treiben Zu 
belichten. .___ K a c m
	        
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