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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Die kleinen Idylle sind füllte Saal bewies, daß emeinde hat. Das Pu- --- sEW Grab am Nordpols Dieser Foxfilm — er wird zur Zeit in den Frankfurter Ufa-Lichtspielen gezeigt — ist von den Brüdern Snow gedreht worden, die im Jahre 1924 in die Arktis vordrangen. Ihr Ziel war die Heroldsinsel, die nur alle zehn bis zwölf Jahre einmal angelaufen werden kann. Dort suchten und fanden sie die Ueberreste eines Teil der SLeffenson-Expedi- Lion, die zehn Jahre vorher unternommen worden war. Anders als die üblichen „Kulturfilme" begnügt sich dieser nicht damit, mehr oder weniger interessante Ausschnitte vorzuführen, sondern gibt eine geschlossene, dichte Handlung, Er vergegenwär tigt die allmähliche Einkehr in die Eiswelt, das langsame Anwachsen des Eises um die Menschen. So ausführlich berichtet der Film und so gut ist er geschnitten, daß man mit allen Sinnen spürt, wie die Einsamkeit sich mehrt, das Packeis zunimmt und Gaukelbilder der KUte vor den Augen schwirremMe ein Phantom steht zuletzt die Heroldsins-vl in der Lust. Und es ist von erschüt ternder Folgerichtigkeit, daß Gräber Heu Schluß bilden. Wunderbare Tier- und Jagdaufnahmen gehen den Erscheinun gen des Todes voran. Robbenbullen führen ihr glitschiges Dasein zwischen Wasser und Fels, gewaltige Renntierherden flüchten vor den paar Menschen in die Oede. Das ist überhaupt das Los aller lebendigen Wesen in dieser Zone: sie tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder im leeren Raum, der mächtiger ist als sie. Walfisch, Walroß und Eisbär geistern durch die anorganische Natur. Die Kamera hat sie peinlich genau festgehalten, und die Folge der Bilder vermittelt wirklich einen Eindruck von dem gespenstigen Walten der Geschöpfe in der lautlosen Kristallwelt. Vor allem wird das Geheimnis des Eisbars erschlossen, der über tretende Schollen ins Meer und wieder auf Schollen schlüpft, endlos weiter im trüben Licht. Wen verwundert es noch, daß er im Zoologischen Garten fortwährend auf und ab läuft und immer mit dem Kopf nickt? Das Nicken repetiert nur die Monotonie der Heimat. Fast erregender noch als die Fauna — zu ihr gehören auch die Eskimos, deren Gesichter mit der rätselhaften Runenschrift unzäh liger Falten bedeckt sind — ist das Phänomen des Eises. Es ragt in der Gestalt ungeheurer Gletscherberge aus dem Meer, ein nie zu betretendes Land, ein ewiges Gegenüber. Es schwimmt wie ein in seine kleinsten Elemente zersprengter Wer auf der Wasser fläche umher. Es weicht vor dem Schiffsbug zurück und schließt sich darr nur um so fester zusammen. Die Zähigkeit, mit der es nach und nach die Dinge umschnürt und sie in seinen Tod hinein« ziehen mochte, flößt Grauen ein. Nicht umsonst heißt das Grauen kalt. Man. sollte sich dieses Bilddokument ansehen, aus dem nur die Titel entfernt werden müßten, deren Asterpoesie abscheulich ist. (Auf der Heroldinsel wird u. a. eine Taschenuhr gefunden, die einem der verschollenen Expeditionsteilnehmer gehörte. Der Titel lautet: „Eine Taschenuhr! Tickte sie den Entschlafenen das Toten lied?" Weg damit.) Von dem Schönheitsfehler des Textes abge sehen, ist der Film ein bedeutendes Zeugnis von den Rändern der bewohnten Regionen. k 3, aL. Mob? Keile. Zur Erholung vom der DanaideMrbeiL verläßt er vyn Zeit Zu Zeit die WektbHne und bereist. Holstein, die VoG die Phrenäem UrrpoMsche Oasen, in denen er sich wie ein Privatmann mit der Natur unterhält Meditationen ausspinnt, und. ab und zu .sogar seNLimenM wird. dem. Kriegsmann. M — Der gefüllte Tucholsky auch in Frankfurt eine MM Gemeinde hat. Das Pu blikum jubelte radikal; beklatschte gerade die billigsten Apercus am ! lautesten. Es wird sie verdient haben.. Kr. i xTUrMM irr Kr'arrkfE) T uch olskh' las gestern abend. rn F r änkfu r L' aus eigenen Werken. Fährt er in der .MelLUHne" mU dahin, so verdoppelt er durch den münd lichen Vortrag die Zahl der Personen, Er schnarrt und kommandiert, als sei er der Inbegriff des PreußenLums plap pert, wie ein, Kaffeekränzchen und trifft, den entschiedenen Kompro mißton der S. P. D. , So reden-, sie, die StaatZanwälte, die Mili tärs, die.Spießbürger, die. SpHen. der Behörden, so gebärden sie -sich. - Nachdem.er. die Widersacher aufgepäppelt hat, macht er ihnen rmind- und schlM den. Prozeß - mit Kübeln Berliner Witzes, durchbohrt sie mit Zahllosen Pointen. Mitunter stet- gert sich die Aggressivität Zu gutem Rebellentum, oder es geraden jene Bänkelsängers die eine- schöne und nützliche Unruhe verbreiten. Da wächst kein Gms mehr, sollte man nach dem Stück -Der letzte Ruf" und nach EoupletZ wie dem:. „Haben Sie schon mal - . ." denken. Doch das Gras wächst noch, und der Nationalis mus, die Reaktion auf allen Gebieten und . die jaule Bürgerlichkeit sind quicklebendig wie nie Zuvor, Verschlägt es angesichts ihrer Macht sonderlich viel- daß Tucholsky oft Ziemlich wahüos in seinen Mitteln ist? Er pfeffert hinein, was er gerade hat, läßt sich weder- auch übers Ziel hinaus. Aber groben Klötzen gehören schließlich 5^- , 2->>^/N-z Die große Leidenschaft. Rugby ist die große Leidenschaft, sonst nichts als Rugby. Ferner die Liebe. Lil Dag 0 ver, die eine Pariser Schauspielerin ist, liebt einen schwarzen eleganten Rugbymeister in den Pyrenäen. Der nimmt auch das Geschenk ihrer Liebe an, aber sozusagen im Nebenberuf, denn in Wirklich keit liebt er nur Rugby. Und die blonde Mary zieht er allein darum der Schauspielerin vor, weil sie die Rugbvleidenschast m^t ihm teilt. Die Handlung ist nicht nur reichlich blöd, sondern Frau Dagover sieht auch alt aus. Was sollen diese Nichtigkeiten die noch dazu von einer lächerlichen Weltfremdheit sind? Erwähnens wert sind höchstens ein paar Äufna^rm^^m^Pariser Stadion, und von den sportlichen Kämpfen. — Zum Glück läuft im Bei programm der Bieberbau - Lichtspiele ein von Eecil de! Mrlle geschickt gemachter Film: „Gärende Jugend" der emen ganz interessanten Ausschnitt aus dem Leben amerikanischer - äugend zergt. kaoa. --- jEm Heüseher-FLLm.j In dem Film: -Die Hellseherin" soll die Bedeutung des Hellsehens für die Erforschung von Ver brechen veranschaulicht werden. Ein Mord ist begangen worden und auf Grund von Indizien wird ein Unschuldiger verdächtigt: die Hellseherin soll den Justizirrtum rechtzeitig verhindern. Soll es, tut es aber faktisch nicht. Daß sie es nicht tut, kann nur auf die Eingriffe der Oberfilmprüfstelle zurückzuführen sein, der dem Vernehmen nach der Film wiederholt vorlag. Tatsächlich macht der Film in seiner Zweiten Hälfte einen durchaus verstümmelten Eindruck. Zwar verfällt die Hellseherin am Tatort in Trance, aber man erfährt nicht, was sie sieht, und die Entdeckung der wirklich Schuldigen ist nicht, wie es der Anlage des Films nach zu sein hätte, auf sie zurückzuführen, sondern scheint das Verdienst des Kriminalkommissärs zu sein. Das Hellsehen wird also eher diskredidiert als propagiert. Nun sind wir ja auch höchst skeptisch gegen die Anwendung unkontrollierbarer übersinnlicher Me thoden und meinen gewiß nicht, daß dort, wo die Kunst der Kriminalpolizei zu Ende ist, die des Hellsehens zu beginnen habe. Das Walten der Filmzenfur indessen hat ebenfalls seine Haken. Sie hat sich gegen den Filmtriumph der Hellseherin gesträubt wie ern Gaul, der nicht vom Fleck will, wenn er Geister in seiner Nähe spürt. Wahrscheinlich aus der Furcht heraus, daß ein Erfolg des Hellsehens das Publikum Zum Glauben an die Kraft der Medien und zum Unglauben an die Polizei bestimme. Das mag unerwünscht sein, war jedoch kein Grund zu einem Verbot oder zur Verstümmelung. Die Filmzenfur hat nicht die Aufgabe, der Vormund des Volks zu sein, sie darf nicht Dinge ausmerzen wollen, die nur unbequem sind. Es ist das Zeichen der furchtbaren Kulturreaktion, in der wir stehen, daß die Zensur sich nicht mehr mrt ihrer ergentlichen Verpflichtung begnügt, das blank Anstößige zu untersagen, sondern dazu übergeht, die Gedanken und Gesin nungen zu reglementieren; daß sie uns die positiven Inhalte vor schreiben möchte, wo sie doch lediglich das schlechterdings Unmög liche Zu verwehren hätte. — Zum Film selbst: die bekannte Hell- seherrn Frau Günther-Geffers tritt in ihm auf und hat glaubhafte Trance-Zustände. Im übrigen wird ein mittelmäßiger Krrminalfall auf mittelmäßige Weise behandelt. Durch die Mit wirkung Fritz Kortners und Erna Morenas darf der Film einiges Interesse beanspruchen. Dur Aufführung des Films in den Frankfurter Alemannia-Lichtspielen.) Ä 6 8». l3eitschrrftett-SchMr.I Das neue Heft der Zeitschrift: ,,DLe Kreatur" (Lambert Schneider, Berlin), deren Haltung 5ä^chNamen der Herausgeber Martin Buber, Viktor von Weizsäcker und Joseph Wittig gekennzeichnet ist, enthält u. a. eine Auseinandersetzung zwischen Eberhard Grisebach und Hermann Herrigel. Auf die knappste Formel gebracht, gelten im übrigen auch die Aufsätze dieser Nummer dem Bemühen, die Wirklichkeit frerzu- legen und den Menschen in sie einzusetzen. ! «« Unpolitischen Jtalienliebhabern bietet das Marzheft der von Werner von her Schulenburtz henmKMg ebenen Zeitschrift: „Italien" (Niels Kampmann, Heidelberg) einige Berichte und Kuriosa, die mit dem Fascismus nichts zu tun haben. So wür digt etwa Alberto Gentili die Mauro Foa-Sammlung alter Musik wecke in der Nationalbibliothek von Turin. Gleich abseitigen Cha rakters ist die Mehrzahl der anderen Beiträge, und nur in einem von ihnen werden die Leistungen der fascistischen Regierung für die Aufforstung gepriesen. Martin Stoß hat in dem Marzheft der Zeitschrift: „Die Tat" (Eugen Diederichs, Jena) emen beachtenswerten Aufsatz über Remarque geschrieben. Das neue Heft des „Archivs für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik" (Deutscher Buchgewerbeverein, Leipzig) bringt eine kritische Erörterung von Emil Köditz über die heute viel geübte Photomontage. In der letzten Nummer der von Arthur Müller-Lehning gut geleiteten holländischen Zeitschrift: „i 40" findet man einen Auf satz Rudolf von Labans über Tanz und Musik und einige Film glossen von radikaler Haltung. m 9" dem Marzheft der Zeitschrift: „Die Form" (Hermann Reckendorf, Berlin) finden sich Ausführungen S. KracauerS über den Film der Gegenwart; ferner mehrere bebilderte Aufsätze über moderne Archrtekturlösungen.
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