großer Erzähler bewältigt er seinen
Er ballt ihn Zu
Lungen geworden sind'. So wäre er nach pem. Umsturz erlöst? und Hände fliegen durch einende., dazwischen erscheint Fedja, unk
Die Montage wird mit jener außerordentlichen Souveränität
gehandhabt, deren heute allein die Russen fähig sind. OZep hat
die besten Traditionen der Filmkunst sowohl wie der russischen
Epik ausgenommen. Frei und erfinderisch wie nur irgendein
sammen, zerknüllt ihn, läßt ihn sich dehnen und vernichtet nicht
selten um der ästhetischen Wirklichkeit willen die ganze photo-
graphierbare Realität. Zu den Höhepunkten gehört die Zi
geunerszene, mit der einS andere, später in sie einmündende
Bildfolge virtuos parallel geführt wird. Die Zigeunerinnen
spielen und singen in glitzernden Gewändern, und Fedja verfällt
ihnen allmählich. Seine Teilnahme' wird Zum Taumel, zur
Raserei. Dieses Crescendo ist im Film meisterhaft dargestellt.
Glaubt man, die Steigerungen seien nicht mehr Zu überbieten.
so beginnt eine neue überraschende Kaskade. Die Zigeunerinnen
treten aus ihren Konturen, sie lind keine Einzelwesen mehr, Köpf
Mit dem unter der Regie von Fedor OZep hergestellten
russisch-deutschen Gemeinschaftsfilm „D erlebende Leich
nam" haben die Russen einen Vorstoß in das Gebiet des Indi
viduums gemacht. Nicht das Kollektivum ist hier der Held, sondern
der Einzelne, der an der Institution zerbricht. Er geht zugrunde,
weil die Kirche ihm das Recht auf Ehescheidung nur unter Be
dingungen einräumt, die er als wahrhaftiger Mensch nicht erfüllen
kann.
So war es im zaristischen Rußland, in dem Tolstoi dichtete.
In Sowjet-Rußland kann man sich bekanntlich ohne Schwierigkeit
scheiden lassen, und dieser unbestreitbare soziale Fortschritt erstickt
scheinbar Tragödien wie die Fedjas im Keim. Was lag näher, als
den Film so ausZugestatten, daß der Akzent vorwiegend auf den
Mängeln der alten Gesetzgebung liegt? Als ein Manuskript zu
schaffen, das die Nöte Fedjas dazu benutzt, um allgemeine Miß
stände Zu geißeln?
Durch die starke Betonung des revolutionären sozialen Motivs
ist aber ein thema t i s cher Bru ch entstanden. Fedja, der an
ständige Fedja, der sich die Freiheit nicht erschwindeln will, wird,
der ganzen Anlage seiner Person entgegen. Zum Vorkämpfer der
kommenden Umwälzung gestempelt. Wie verhohlen immer, wird er
Zum Träger eine politischen Tendenz. Gut, mag er es sein. Das
Pech des Filmverfassers ist nur, daß Fedja die ihm hier Zugedachte
Tendenz , gar nicht vertreten kann. Gemeint ist allenfalls mit ihm
die Emanzipation des Einzelmenschen aus einer Sklaverei, die ihn
als Person vernichtet; in keiner Weise erschöpft sich jedoch die Be
deutung seines Leidens darin, ein Hinweis auf die gegenwärtige
russische Gesetzgebung Zu sein. Denn das Leiden entspringt bei ihm
einer Auffassung von der Liebe und von dem Sinn des Menschen,
die.mit dem zur Zeit herrschewden Kodex in Rußland nicht nur
nicht übereinstimmt, sondern ihm Zuwiderläuft., Von ihm aus be
trachtet, derm die Person sich erfüllt, wenn sie im Kollektiv auf-
geht, wäre dieser Fedja nur ein verstiegener Bürgerlicher. Seine
Innerlichkeit jedenfalls und sein Pochen auf die individuelle
Autonomie hätten der offiziellen Lehrmeinung als Ketzereien zu
gelten.
Es rächt sich, daß man ihn dazu gezwungen hat, den gesell
schaftlichen Empörer Zu spielen. Ueberall weisen die Intentionen
auseinander. Einmal scheint die ganze Tragik in der ungerecht
fertigten Härte des Gesetzes beschlossen zu sein. Fedja wird mit
seinem Anliegen vom Synod und vom Gericht abgewiesen und
mag seine Freiheit auch nicht durch die erbärmlichen Schliche er
kaufen, die unter dem Druck der Zustände zu. stehenden Einrich-
Muß noch gesagt werden, daß dieser Film sich hoch über unsere
Durchschnittsproduktton erhebt? Er übertrifft sie selbst , in seinen
Mängeln, die Mängel nur im Hinblick auf das von ihm Gewollie
sind. Ihn anzusehen ist wichtig. Man erfährt bei seiner Betrach
tung wieder einmal, was die Filmkunst vermag und wie minder-
werti . g . die . so . nst uml . au . fe . nden Erzeugnisse sind . .
(Der F ? ilm wird demnächst im Frankfurter Gloria-Palast
ken wie Dekorationen, die unter allen Umständen etwas bedeuten
möchten. Literari'sche Absicht hat sie herbeigeholt, und nun wölben
sie sich, ohne zu leben.
Längst nicht so vollständig wie im „Potemkin" etwa wird der
Gegalt durch rern filmische Mittel produziert. Mitunter finden sich
Le er stellen, an denen der Film die nicht in ihn eingegangene
sprachliche DialeM unzureichend illustriert. Der Schwerpunkt
die Titel abgerückt, und die Bilder werden Zur Dreingabe. Aus
der Empfindung heraus, daß die Hohlräume gefüllt werden müssen,
mag OZep zu den breiten M i li e u m a l e r e i en gegriffen ^aben.
A und da im Milieu. Großartig« Gemäldes Elends ,
und der VerkommE«t sie ragen^r
Aur dre Gestalt sind .sie überflüssig. Sle gleichen
m ^lerch, das Wucherungen treibt, statt strafs anzusitzen.
Auch mit den Typen wird nicht eben ökonomisch umgegangen.
Sie treten so prächtig auf, dah jeder Folklorist an ihnen seine
Freude haben kann, und stellen den Charakter immer gleich extrem
dar. Durch ihre Ueberzähl und durch die Intensität ihres Äus-
drucks schwächen sie den mit ihnen beabsichtigten Effekt eher ab?
diesem Gebiet nicht konkurrenzlos, und es ist bezeichnend genug, Etwas Sparsamkeit und etwas mehr Dämpfung wären hier vermut-
daß sich, wie aus dem Film: „Therese Raquin" hervorgeht, ge-lich von Nutzen gewesen.
rade die Franzosen bei der Aufnahme des Zimwerinventars als *
ihnen durchaus eberrbürtig erweisen. Ozep macht immerhin seine P ud o w k i n als F e d j a — ein Feldherr, dem es beliebt,
eigenen Eroberungen, und zwar gewinnt er dem Stille bens^ einmal in einen gewöhnlichen Leutnant Zu verwandeln. Die
blondere Ausdrucksmog^ ab. Flasche und Glaser aus dem ^^eren Darsteller spielen ihre Rollen; er selbst spielt nicht, er ist
^isch machen das Absteigequartier zu ernem traun-geren Aufenthalt, ^in Schauspieler, sondern einer, der das Spiel dirigiert. Da
als es se durch die Dirne zu werden vermöchte; ein Stuhl in großer Regisseur ein Mensch ist, der Menschen schafft, kann
Großaufnahme reoet wie -er van Gogh; dre Schatten, die über den auch sich zum Fedja umschaffen. Man denkt an Frank Wedekind,
Vodemschlerchen sie, erinnern an dre Zecken spalten rm Füm: ^r sich in seine Stücke Legab. Dieser Fedja ist darum eine so
sind ern ^epptch des Grauens. Unvergeßlich ist Merkwürdige und bedeutende Leistung, weil ein Mann ihn der-
durch die Glasscherbe ms Restaurant: inmitten des m-ensch- xörpert, dem während des Spiels anzumerken ist, daß er mehr- ist
lrchen Aquariums steht dre Silhouette einer kitschigen Büste. als Fedja. Pudowkin bleibt auch in der Fedjagestalt Pudowkin,
* und die Döacht, die ihm in der Rolle des Regisseurs eignet, beglänzt
Die technische Komposition hat ihre spürbaren Mängel. Vor von außen her seine Rolle im Film.
allem wird Zu viel mit einer erstarrten Zeichensprache gewirtschaftet. Während er sich zum Fedja herabsenLt, steigen die übrigen
Sie paßt zu den Filmen, in denen das Kollektiv herrscht, das sich Mitwirkenden Zu ihren Rollen empor. Maria Jacobini ist
formelhaft mitteilen will und muß. Je unvermittelter das Jnvidi- nicht mehr als eine zurechtgestutzte Larve, Gustav Die ß l hält
duum Heraustritt, desto mehr verflüchtigt. sich die Gültigkeit des zwischen Ab^MR Verdi die Mitte. Ausgezeichnet gewählt ist die
Symbols. Die stets Wiederkehr enden Kuppeln sind in dem Raum unheimliche des Revolverberleihers, die nur leider wie ein
Fedjas nicht von vornherein mit Bedeutung geladen, sondern wir- Ibsenschemew Mfta^ und verschwindet.
Zuletzt löst sich das Glitzern von den Gswändern/verselbst^
sich und wird zum erregten Transparent, durch das die Zerfallene
Rauschwelt undeutlich schimmert. Sobald dann Karenin eintritt,
er, der ohne Rausch ist, kehren die Elemente in ihre Form Zurück,
und die Zigeunerinnen sind wieder richtige Frauen.
Das Interieur wird so sicher gestaltet wie Anoden Revo
lutionsfilmen der Außenraum. Da der bewohnte Jnnenraum ein
viel wesentlicheres Bestandstück der bürgerliche^ Welt ist als die
Straße oder gar der große Platz, sind die Russin freilich auf
Aber nein. Zum andern nämlich wird eine Tragik einbezogen,
die mit der Revolution nicht erledigt ist, eine allgemeinmensch
liche Tragik, deren Darbietung dem ursprünglichen Fedja mehr
entspricht als die der sozialen. Immer Wieder tauchen die musi
zierenden Marionetten des OrchestrionZ auf, die doch Wohl nicht
nur das Los der Entrechteten, sondern das der Menschen über
haupt symbolisieren sollen. Und mit Nachdruck ist gezeigt, was
vermutlich für jede Gesellschaftsordnung zutrifst: daß die gleiche
Gerichtsverhandlung, die dem, Angeklagten zum Schicksal wird,
für das unbeteiligtes nur eine Sensation bedeutet. Hier
die Marionetten Zum Zeichen der schlechthin menschlichen Unzu
länglichkeit und dort, mit demselben Anspruch eingesetzt, die golde
nen Kirchenkuppeln als Verkörperung der Zu entthronenden Ge
waltherrschaft: das ist eine schlimme Vermischung der
Dimensionen.
Der Riß, der durch den Film geht, wird noch an einer anderen
Stelle drastisch offenbar. Eine kurze Episode schildert das eheliche
Glück, dessen sich die Fmu Fedjas nach seinem Verschwinden mit
Karenin erfreut, schildert es ausgesprochen hämisch als ein
bürgerliches Familie^ das rein durch die Art der Dar
stellung entwertet Werden soll. Aber nirgends ist auch nur an
gedeutet, daß Fedja sich scheiden lassen will, weil er solche häus
lichen Wonnen verachtet. Nur aus dem abwegigen Verlangen,
um jeden Preis einen antibourgeoisen Eindruck zu schinden, läßt
sich die Einschmuggelung der kleinen Szene erklären, die völlig
isoliert und sinnlos im Ganzen sitzt.