--- Der Frosch mit der Maske» Es hat den Anschein, als ob
wieder Detektivfilme in Aufnahme kämen. Das wäre an sich zu be
grüßen; denn immer noch ist die offene Kolportage besser als die
verdeckte, die mit dem Anspruch auftritt, keine Kolportage zu sein.
Nur dürsten die Detektivfilme kein solches Stückwerk sein wie dieser
neue, den die A l e m a nn i a - L ich L s p i el e zeigen. Er ist nach
einem der bekannten Romane von Wallace gedreht, die einige
durchaus schätzenswerte Qualitäten haben, sich aber gerade als
Unterlage für Filme schlecht eignen. Denn sie enthalten sämtlich
em verwickeltes Nebeneinander von Einzelhandlungen, die zwar im
Buch mehr oder weniger Zusammengehen, auf der Leinwand sich
aber mit dem besten Willen nicht zur Einheit fügen lassen. Die
Folge ist ein Zufammensetzspiel aus Illustrationen, an dem nie
mand seine Freude haben kann. Soll der Film als Film wirken, so
darf man sich nicht sklavisch an die Romanvorlage halten, sondern
muß dre Kraft aufbringen, sie völlig umzugestalten, d. h. auf ganze
MoLwrerhen zu verzichten und die filmisch geeigneten dafür' um so
nachdrücklicher durchzubilden. Das hat der Regisseur dieses Wallace-
Fums verabsäumt. So ist ein Gemenge von Szenen entstanden,
deren rvillkurliche Kombination der gewünschten Spannung wesent
lich Abbruch tut. Uaea.
Revolution der Zugend.
Der Krantz-Proz^ß ha^ eine Serie von Jugendfilmen
heraufbeschworen, denen dieser als Nachzügler sich anschließt.
Große Ereignisse werfen nicht nur ihre Schatten voraus, sondern
auch hinterher. „Revolution der Jugend": das ist eine Schüler
revolte, bei der weniger die wirkliche als eine imaginäre Jugend
agiert. So glauben vielleicht einige ältere Leute, daß die Jugend
sei, und auch die Zuschauer sollen es glauben. Es handelt sich,
kurz gesagt, um den Kampf einer Unterprimanerklasse gegen einen
jener bärtigen Schultyrannen, wie es sie allenfalls vor dem Krieg
noch gab. Der Mann treibt durch seine bösartige Beschränktheit
einen Schüler in den Tod und einen anderen fast zur Verzweif
lung. Unter der Führung des Klassenhelden, der entsetzliche Lira-
den über die heutige Jugend schwingt, versammeln sich die Jüng
linge mit Verschwörermienen im Hinterzimmer eines Cafes und
beschließen, sich wider das herrschende Regime zu erheben. Jhr^
Komplott wird durch Verrat entdecket, und der Rädelsführer mit
dem Ausschluß aus der Schule bedroht. Um so vollkommener ist
sein Triumph am Ende Der verhaßte Lehrer erhält seinen Ab
schied, unl der Direktor, ein Biedermann, Lächelt den geliebten
aufrührerischen Jungens entgegen. Aber weder benehmen sich
diese Jungens wie echte Unterprimaner, noch gibt es heute solche
Schulmeisterkarikaturen Die ganze Fabel ist Papier. Sie ge
winnt auch dadurch kein Leben, daß sie mit etlichen anderen
Motivreihen verknüpft wird: dem Gegensatz von arm und reich
und den üblichen Liebeleien. Ein Ragout, das mehr der Kon-,
junktur als dem sachlichen Zwang sein Dasein verdankt.
Die Regie krankt daran, daß das Manuskript nicht für
den Film erdacht ist. Es besteht aus einer Unmenge von
Szenen, die nur ihrem Sinn nach Zusammenhängen, statt sich
visuell auseinander zu entwickeln. Der Hauptfehler ist der, daß
ohne Rücksicht arch die filmische Darstellung mehrere Handlungen
Zu gleicher Zeit spielen, die auf keine Weise durch optische Mittel
verbunden werden können. Dem Regisseur bleibt nichts anderes
übrig, als den einzelnen Handlungen nachzulaufen unb sie auf gut
Glück einzuschalten oder auch zurückzudrängen. So kommt es zu
- einem Episodengemisch, das nicht so. sehr eine Filmeinheit dar-
stellt als Illustrationen beliebig häuft. Hätte der Regisseur noch
eigene Einfälle! Aber sein technisches Vermögen ist beschränkt.
Er begnügt sich damit, Theaterszenen ZU stellen, verzichtet auf freie
Uebergänge, bildet die Staffage nicht durch und paßt die Be ¬
wegung der Kamera den Situationen kaum je an.
Unter den Darstellern ragt Franz Kammauf als Schul-
direktor hervor, Eine gute anspruchslose Chargenfigur, die mit der
erforderlichen Würde geht und steht. Erwähnenswert vielleicht
noch der Kaffenbote Kneidingers, der die Bonhommie des
braven altgedienten Mittelbeamten verkörpert. Die Schüler sind,
von den Statisten abgesehen, keine Schüler, sondern ausgewachsene
junge Schauspieler, die sich vergeblich jünger und naiver zu
machen suchen. e L. !
Das grüne Monokel. In diesem Detektivfilm der Neuen
Sich tbühne wird der Held „StuarL WebL s" genannt.
Aber das ist ein Mißbrauch des Namens. Denn Webbs, so hat
jener charmante Ernst Reicher geheißen, der in einer vor mehreren
Jahren erschienenen und dann leider abgebrochenen Filmierie das
Muster der Detektive gewesen ist: Weltmann durch und durch, Herr
jeder Situatkon und mit einem Scharfblick begabt, der die Konstruk
tion der Verbrechen durchs noch ehe sie begangen worden
waren. Sie wurden verwickelt wie ein Labyrinth angelegt, damit
sein Triumph desto größer erscheine. Der Name Webbs ist geblie
ben, aber nicht nur sein Träger hat sich verringert, sondern auch
die Missetaten sind einfältiger geworden. Ralph Cancy, der neue
Webbs, mutet wie ein Schüler des alten an und zeichnet sich
weniger durch Witz als durch ein gefärbtes Monokel aus. Auf dem
anderen Auge sieht er auch nicht viel. Daß er dennoch der Jn-
trige auf den Grund kommt, ist im wesentlichen ihrer Schlichtheit
und den' Vorschriften des Manuskripts zu danken. Es handelt sich
um den Diebstahl eines diplomatischen Aktenstückes, dessen Ent
deckung länger hinaus geschoben wird, als notwendig wäre. Den
Darstellern ermangelt der pointierte Charakter, und die Regie
verfährt nach dem üblichen Schema. So ist ein Stück von mittel
mäßiger Spannung entstanden, das nur die Sehnsucht erweckt, daß
der ursprüngliche Webbs selber sich wieder auf die Jagd nach
fähigeren Verbrechern begeben möchte. Kaca. '
. Achtung, Achtung — HarW
' „Verirrte Mikrophone in Paris" -- die unter diesem Titel vom !
Frankfurter Rundfunk veranstalteten Reportagen Mhen
von einer völlig verkehrten Voraussetzung aus. Sie möchten den
Hörern durch Berichte, die in Paris selber gesprochen werden, Ein
drücke von dieser Stadt vermitteln. Aber solche an Ort und Stelle
verübten akustischen Momentaufnahmen widerstreben geradezu dem
Zweck, den sie erfüllen sollen. Warum widerstreben sie ihm? Nun,
der Empfänger vernimmt allein das ins Mikrophon gesprochene
Wort, ohne sich auf andere Weise ein Bild von der Umgebung
machen zu können, in der sich der Sprecher befindet. Besäße der
Empfänger noch eine Ansichtskarte, die den beschriebenen Ort dar-
stellt; aber er hat überhaupt keine Abbildung zur Verfügung, sondern
ist rein auf die Worte des Gewährsmannes angewiesen. Daß dieser
erklärt, in Paris Zu sein, gibt ihm nicht den geringsten Begriff von
Paris. Er erhielte ihn vielmehr höchstens dann, wenn der Sprecher
verstünde, seine Mitteilungen in eine überzeugende Form zu kleiden.
Sie müßten sprachlich durchgestaltet sein, um die zu schildernde
Atmosphäre wirklich einzufangen. Nicht darauf kommt es also an,
daß der Sprecher vom Fleck weg Pariser Eindrücke pflückt, sondern
es kommt im Gegenteil darauf an, daß er sie verarbeitet und dann
ausgeformt weitergibt. Die erstrebte Unmittelbarkeit hindert ihn
aber gerade daran, seine Sorgfalt aufs Wort zu verwenden, und so
mag er selber zwar die beschriebenen Köstlichkeiten wahrnehmen,
die armen Hörer jedoch gehen doppelt leer aus. Sie hätten mehr
davon, wenn sie vom Frankfurter Sender aus eine wirklich
durchgefeilte Impression über diese oder jene Pariser Oertlichkeit
empfingen, statt ihre Sensation lediglich aus der Gewißheit ziehen
M müssen, daß der Sprecher im Augenblick an der betreffenden
.Oertlichkeit weilt.
Die SinnlosiMt, um nicht zu sagen die Lächerlich«
Leit dieser sogenannten PaMer Reportagen trat gestern
abend deutlich hervor. Die beiden Sprecher des Frank
furter Rundfunks, versicherten zu Beginn, daß sie sich in einem
Cafe der Rue de la GaiLL befänden. „Ich stehe hinter dem Schank
tisch," hörte man sie sagen. „Ich vernehme das Gewirr der franzö
sischen Straße." „Ich sitze hinter einer Glaswand." „Jetzt sind wir
im Zentrum des Cafes." Wer das sind Unterschriften für Photo
graphien und hat mit der Wiedergabe von Eindrücken nichts Zu tun.
Wo sie überhaupt versucht wurde, fiel sie jämmerlich aus. Etwa so:
„Ein Kino befindet sich neben dem anderen, eine Bar neben der
anderen." Leicht zu begreifen: wenn man sich mitten auf der
Straße aufhält, kann man nicht auch noch ihre wesentlichen Ge
halte herauskristallisieren. Der Fehler steckt eben darin, daß man die
Rue ds la Gatts von der Rue de la Gaitä aus den Hörern nahe-
bringen will. Als handle es sich um einen Film und nicht um einen
gesprochenen Bericht. — Von der Monparnasse-Straße ging es zum
Carnavalet-Museum. In diesem wie in jedem Museum befinden sich
Gegenstände, die betrachtet zu werden verlangen. Man kann auch
den Katalog studieren; aber der Katalog erfüllt sich nur vor den
Gegenständen selber mit Leben. Was tat der Sprecher? Er zählte
wie ein Katalog (nur viel unvollständiger) ein paar Gegenstände
auf, die man nicht sah und von denen er auch keine Ahnung zu er
wecken vermochte. „In einem Winkel steht..."; „Nun folgt eine
Vitrine..."; „es geht jetzt weiter..."; „nun kommen wir in
Saal 45...". Das ganze unsichtbare Museum im Jargon des
Fremdenführers und in kaum einer halben Stunde. Der Oberfläch
lichkeit eines solchen Verfahrens entspricht der Dilettantismus, mit
dem gerade ein derartiges Objekt zur Beschreibung ausgesucht
worden ist. Es folgte nach über 10 Minuten das Cafe de l'Univers
im Stadtinnern; wobei nicht zu sagen vergessen wurde, daß die
Unterbrechung sich aus dem starken Autoverkehr erkläre. Eine Tat
sache, die den Hörern nur,dann etwas gegeben hätte, wenn sie