LichtspieleN.)
Raca.
ist aufschlußreich, denn er bezeugt drastisch die umfassende Allge
meinbildung, die Grock vor den meisten seines Fachs ausZeichnet.
Unter den Clowns und den Gelehrten überwiegen sonst immer Me
SpsZialisten. Eine andere Ähnlichkeit haben sie leider nicht.
Nach einigen Jahren kam er nicht recht weiter und verließ den
Zirkus (Mit dem dunklen Ton der Baßgeige beschwört er jenes
vorläufige Finale herauf.) Eine Hauslehrerstelle beim Grafen
Bethlen, ganz fern auf einem ungarischen Gut, wurde ibm ange
tragen; er begaL sich dorthin. In der Pußta verblieb ihm genug
freie Zeit, um fleißig weiterzuüben. Welcher Knabe wäre nicht
um einen solchen Magister, zu beneiden gewesen!
Es folgten die eigentlichen Zirkusjahre. Er tat.sich mit AntoneL
zusammen, und die Szene der Leiden Musikclowns wurde bald
berühmt. Die Partner siedelten auf die Bühne um, aber eines
Tages schied AntoneL aus, weil er sich nach dem Stallgeruch
sehnte. (Heute tritt, er mit Beb« im Oiryus äs ?LrÄ auf.) Grock
blieb allem. Er wurde zu dem, was er ist.
Wie ist seine Nummer entstanden? Durch Impr o v i s airs n.
Aus der Spannung heraus, in die ihn der Kontakt mit dem Publi
kum versetzte, erfand er allmählich die Arabesken, kombinierte er die
Passagen. Hier war nicht die Phantasie im Studio am Werk, son
dern, eine Inspiration, wie sie allein der entscheidende Augenblick,
gebiert. Uebrigens ist die ganze Nummer seine eigene Schöpfung.
Er hat die Musik komponiert und waltet über der Eleganz des
Begleiters.
Man muß ihn selbst von seiner Arbeit reden hören, um zu
erfahren, daß das Spaßmachen kein Spaß ist. Eine gute Stunde
lang die Menge in Atem zu halten, will in der Tat etwas heißen.
Gerade mit so einfachen Dingen, als da sind: einen Stuhl zu be
steigen, Handschuhe zu jonglieren, mächtig zu hinken. Es liegt am
Wie, erklärt er, wenn jede winzige Bewegung so wirkt, als werde
sie Zum ersten Mal ausgeführt. Wissend verbreitet er sich über die
Geheimnisse des Aufbaus und der Steigerung. Die gesamte Hand-
Grock in Zivil: ein gesetzter Herr hinter Brillengläsern, der etwa
wie ein Ehrurg aussieht. Er konnte Geheimrat sein. Scharfe Falten
um den Mund. Die ganze Fassade nicht im geringsten künstlerisch
gelockert, sondern ernst, beinahe gravitätisch. Das Inkognito dieses
Clowns ist die Würde.
Wenn er spricht, belebt sich das Bild. Die fünf bis sieben
Sprachen der immer wieder bereisten Länder mischen sich unauf
hörlich; die Stimme weigert sich, Zivil zu tragen; die starre
Außenseite wird transparent. Hinter ihr steigt die Bühne auf,
die Manege.
Er erzW in seinem drolligen Kauderwelsch von den Kwder-
sahren in dem Schweizer Dörfchen.. Die Eltern, die ein Cafe be
sagen, waren beide musikalisch, und vor allem der Vater sei so
komlsch gewesen. Schon in seiner frühesten Jugend machte er aus
innerem Antrieb auf Flaschen Musik. Erste Begegnung mit einem
Wanderzirkus; autodidaktisches Studium der akrobatischen Künste;
Kon erte im häuslichen Case. Aus dem Ton, in dem er von den
Anfängen berichtet, ist zu spüren, daß er als Kind bereits so be
sessen war wie nur ein Berufener.
Wahrend der Ferien schloß er sich dann in der Kegel einem
herumziLhenden SsmmerZirkuZ an. Der Vater erlaubte es ihm
ein außergewöhnlicher Vater. Spater ging er, immer noch Knabe,
.endgültig zum Zirkus über und lernte in Zwei Jahren das Hand«
werk. Die Manege war seine Universität. Er promovierte, ss ist
Man zu sagen versucht, als S ch l angenmens ch. Dieser Beginn
Wem gehört meine Frau? Der in den Älemannia-
Lichtspielen gezeigte Film kommt aus Wem Leider fchemt
man dort auf dem Gebiet des Films keinen Spatz zu verstehen.
Dieses sogenannte Lustspiel ist nämlich genau so trist wie, dre
meisten anderen Wiener Filmprodukte, die sich heiter gebärden
möchten und bestenfalls eine verstaubte Operette sind. Die Fabel
des Cchwcmks ist nicht vorhanden, die Figuren sitzen, und stehen
fälsch, die Situationen sind verzeichnet, und über die techmsche
Durchführung Lohnt sich's erst recht nicht Zu sprechen. Fritz
Kämpe rs bemüht sich krampfhaft und plump, dre Dache m
Wonsteur Möeri.
In dem bezaubernden Film „Wie Madame befehlen"
ist Adolphe Menjou der mastre ä'KStel eines faHionablen
Pariser Hotels. Ein Kellner, gewiß; aber als Kellner ein
Souverän. Herzöge haben ihm ihr Bild mit Widmung geschickt
Fürst Boris nennt ihn vertraulich Albert. ES darf der Kellner
mit dem König gehen.
Menjou als Monsieur Wert — ihn bei den Regierung?-
geschaften zu belauschen, ist ein erlesener Genuß. Er hält Parade
über die Kellnertruppen ab, und nichts entgeht seinem Feldherrn-'
blick. Nach einem Plan, der ihm allein bekannt ist, erteilt er
GeheimordreS für die Placierung der Gäste. Der Speisesaal ist das
Schlachtfeld, auf dem er, ein überlegener Stratege, sein« Siege
erficht. Treten unvorhergesehene Verwicklungen ein, so wird er
zum Diplomaten, um dessen Besitz jeder europäische Staat zu
beneiden wäre. So meisterlich salopp, wie er Salate zubereitet
gibt nur ein großer Dichter seinen Sätzen den letzten Schliff.
? Schwung zu bringen, aber wem wäre angesichts solcher vor
sintflutlichen Bemühungen zum Lachen zumute? Man sollte sich
j in Wien darüber klar werden, daß mit derartigen Filmen selbst
das kleinste reichsdeutsche Städtchen nicht zu gewinnen ist.
. ___ . kLA c ».
Es geschieht, daß Monsieur Albert sich verliebt. In eine reiche
Amerikanerin, die mit dem üblichen Papa die Welt zu ihren
Füßen bereist- Monsieur Albert mag ein Gentleman sein er ist
und bleibt schließlich doch Kellner. Wann dürfte ein Kellner mit
einer Dame der Gesellschaft gehen? Für ihn sind allenfalls Zimmer-
madchen da.
. Die Art in der die Verirrung Monsieur Werts durchqeMrt!
tmr^lst ein Stück Gesellschaftskritik. Der Verliebte verheimlicht
der Dollarprlnzessin sein Amt, fährt ihr ins Hochgebirge nach und
erobert beim Wintersport und bei Kchümfestcn nach und nach das
Ma-dchenherz. Freilich, in der Natur draußen ist er weniger sicher
als inmitten der HoLeldekors, und sein Selbstbewußtsein wird noch da
Zu gründlich durch den Fürsten Boris untergraben, der Zeuge dieser
^E^^kapade ist und mißbilligend den Kopf über sie schüttelt
Albert, denkt der Fürst, soll sich nicht über seinen Stand er
heben Und Wert weiß, was sich, schickt. Ohne den Hermtsantrag
j gemacht zu haben, kehrt er wieder in sein Hotel Zurück,
dichtet er von neuem Salate und waltet über den Soupers, als
sei er niemals verliebt gewesen. Er tut ein letztes: er zeigt sich
der Geliebten, die nach einiger Zeit zufällig im Speisesaal auf-
Mucht, empfängt sie im blendenden Frack, und geleitet sie wie
irgend eine Fremde gemessen zu ihrem Tisch.
Schlöffe der Film hier ab, so ginge ein schönes Unbehagen
von ihm aus. Aber leider sind ein paar Meter angehängt, die den
! Protest gegen die bürgerlichen Vorurteile jeder Wirkung berauben.
Monsieur Albert kann nämlich doch noch glücklich werden, weil er
dank der Großmut des Fürsten Boris zum Hoteldirektor auffteigt.
Womit nicht nur der Beruf des Fürsten gerettet, sondern auch
der des Kellners preisgegeben wäre. Die herrschende Gesellschaft
sängt mit Lewundernswerter Jnstinktsicherheit immer zwei Fliegen
mit einer Klappe. *
Der Regisseur H. d'Abbadie d'Arrast muß ein kundiger
Soziologe sein. Er stellt die Figuren genau in ihre gesellschaftliche
Atmosphäre ein, veranschaulicht durch sein abgewogene Nuancen
die Beziehungen zwischen, ihnen und füllt die Szenen bis zum Rand
mit optischen Aphorismen, deren manche weitschweifige Abhand
lungen ersetzen. Zum Z-'chen leutseliger Gesinnung bietet etwa
Fürst Boris dem Hotelpotentaten das Zigarrenetui an, dem Mon
sieur Albert, nebenbei bemerkt, mit ausgesuchter KellnerhM
Zwei Importen entnimmt, um die Spitze der einen gleich für den
Spender abzuschneiden. Wenn spater der Fürst über die standes-
widrigen Neigungen Werts erzürnt ist, zieht er in seiner Gegen
wart zwar auch das Etui heraus, aber ach, nur zu eigenem Ge
brauch. Solche Züge wollen erfahren sein. Sie werden witzig vor
gebracht und folgen so dicht, daß der banale Stoff an allen Ecken
zu knistern beginnt.
(Zur Aufführung des Films in den Frankfurter Ufa-