her, ein unübersehbares Gefolge, das Lieder vom
neuen Leben"
Szenen oder auch nur ihre Titel sind,
wie wir hören,
Rat eines von der Filmprüfungsstelle zugezogenen
I Anwendung aus ein primitives Geschehen, das noch dazu durch ¬
> aus bejaht wird, mutet sie künstlich an, so virtuos sich Dowschenko!
ihrer auch bedient. Die deutschen Regisseure könnten von ihm um
so mehr lernen, als er noch von einem anderen Stilmittel häufig
Gebrauch macht. Zur Vertiefung gewisser Eindrücke läßt er immer
wieder das Leben wie unter der Zeitlupe erstarren; so daß der
kontinuierliche Filmstreifen gleichsam in eine Serie von Photo
graphien zurückverwandelt wird. Schon der Russenfilm von der
Pariser Kommune ist so verfahren. Die Technik ist überall dort am
Platz, wo es gilt, in den Kern einer Zuständlichkeit zu dringen; sei
es, um sie zu destruieren, sei es, um ihrer wirklich inne zu werden.
Ueberslüssig zu erwähnen, daß viele Aufnahmen glänzend geraten
sind; mag auch die Komposition des Details der im letzten Eisen-
steinsilm nachstehen. *
singt.
Diese
auf den
Prälaten hin abgelehnt worden. Mir scheint: aus religiöser
Prüderie. Sind denn die Gläubigen so schwankend in ihrem
Glauben, daß man nicht einmal wagen darf, ihnen eine atheistische
Lebensführung entgegenzuhalten, die mit dem nötigen Ernst ver
anschaulicht ist? Eine solche Rücksicht geht entschieden zu weit.
Die Zensur mag, Auswüchse beschneiden, sie darf uns nicht bevor
munden wollen.
Eine andere Frage ist, wie man die Gesinnung zu beurteilen
hat, die der Film propagiert. Es sieht so aus, als strebe in ihm die
antikirchliche Aufklärung nach ihrer positiven Ergänzung. Schlimm
genug, daß sie dabei auf den plattesten Pantheismus hereinfällt,
der in keiner Weise die Gehalte trifft, die vom kirchlichen Zere-
monial angesprochen werden. Die gleiche Natur, gegen die Rußland
auf ökonomischem und sozialem Gebiet Sturm läuft, gelangt hier
wieder durch eine Hintertür ins Haus und kommt zu hohen Ehren.
Wird der kirchliche Glaube nur darum unterdrückt, damit sich eine
plumpe Mythologie an seine Stelle setzen darf? Wahrhaftig, der
Begräbniszug mit den Liedern und dem Apfelzweig erinnert von
fern an eine Wandervogelschar, die sich in ihrer singsangseligen
Naturschwärmerei wunder wie frei wähnt und doch befangener ist
als manches orthodoxe Gemüt. Der Prälat, der die Striche befür
wortete, hat offenbar kein großes Vertrauen zu seiner Herde
geML.
Verschiedene Einzelheiten bezeugen im übrigen, daß die im
Film betriebene Verherrlichung der Erde nicht so sehr eine An
gelegenheit der Bauern als der intellektuellen Führer ist. Tritt
das Volk in ihm auf? Viel eher verkörpert sich hier die typische
Jntellektuellensehnsucht nach dem Volk. Agierte es etwa bei Pudow-
kin noch, wie es war, so ist es in „Erde" schon merklich zurechtge-
stutzt. Es trägt der besseren Lichtwirkung wegen blendend weiße
Kittel und schreitet bei jedem erdenklichen Anlaß stolz erhobenen
Hauptes einher. Um wie viel echter und revolutionärer wirkten
die demonstrierenden Arbeiter im deutschen Film: „Mutter
Krauses Fahrt ins Glück", den, nebenbei bemerkt, auch ein Russe
gedreht hat, als diese Bauern, die in einem fort ihr Kollektivbe
wußtsein zur Schau tragen. Ich werde den Verdacht nicht los, daß
„Erde" ein Produkt literarischer Schollenromantik ist.
Hierfür spricht nicht zuletzt die intellektuelle Mache, die, wenn
nicht alles täuscht, von einem Bauern-Publikum nur unter Schwie
rigkeiten ausgenommen werden kann. Sie arbeitet, um es abge
kürzt auszudrücken, nicht linear, sondern mehrdimensional. Das
heißt: statt eine Handlung von Anfang bis zu Ende durchzuführen,
reiht die Montage mehrere kleinste Bild- und Handlungseinheiten
mosaikartig aneinander, ohne Vetbindungsbrücken zwischen ihnen
zu schaffen. Eine surrealistische Methode, deren eigentlicher Sinn es
ist, die feste Kruste der Oberfläche rebellisch zu sprengen. In ihrer j
Der Vollständigkeit halber gedenke ich noch zweier Filme, die
gerade angelaufen sind. Dr. Friedrich Dalsheim, ein Neuling
unter den Filmregisseuren, hat mit Gulla Pfeffer eine Afrika
expedition unternommen und von dort einen (im Marmcrhaus
uraufgeführten) Film: „Menschen im Busch" heimgebracht,
der später nach dem System der Tobis mit großem Geschick synchroni
siert worden ist. Dalsheim tritt den Gegenständen mit sympathischer
Zurückhaltung gegenüber und besitzt die Fähigkeit, sie geschmackvoll
zu arrangieren. Sein Thema ist der Tag eines Negerdorfes, das
von der Zivilisation schon reichlich angefressen rst Eine Art
schwarzer Pastorale, eine Idylle, die noch friedlicher wirkte, wenn
nicht am Anfang der Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg so
viel dazwischenredete. Freilich, es wäre jetzt endlich an der Zeit,
mit diesen exotischen Reisefilmen Schluß zu machen. Expeditionen
nach dem heimischen Afrika sind wichtiger und fördern mindestens
so viel Exotik zutage.
Der im Ufa-Palast am Zoo gezeigte Film: „Nur am
Rhein . . will vermutlich weniger die Rheinbefreiung feiern,
als aus ihr seinen Nutzen ziehen. Er treibt auf eigene Faust Völ
kerversöhnung, kennt keine heimische Industrie, sondern nur
rheinische Herzen, und spielt alles in allem in jener berühmten
Ufalandschast, in der auch der Stephansturm und das Heidelberg!
Schloß liegen. Regie geführt hat Max Mack, der die Leinwand
fläche mit einer Drehbühne zu verwechseln scheint.
! S. Kracauer.
Die KikmprMelle gegen einen Wussenfilm
Berlin, im Juli.
In der vorigen Woche wurde der Russenfilm: „Erde" des
ukrainischen Regisseurs A. Dowschenko vor „einem beschränk
ten Personenkreis und zwar vor ausweislichen Mitglieder der
! Filmindustrie, der Filmfachpresse und der Tagespresse" gezeigt,
wie es in der Einladung hieß. So hatte die Filmprüfstelle verfügt,
der manche Abschnitte des Films als bedenklich erschienen. Da
die Prometheus-Gesellschaft fürchtete, daß durch die von der
Zensur geforderten Striche seine Verständlichkeit einbüße, verzichtete
sie darauf, ihn verstümmelt der Öffentlichkeit darzubieten, und
unterbreitete ihn lieber in der ungekürzten Fassung dem geschlos
senen Kreis der Sachverständigen.
Worum geht der Kamps? Der Film vereint zwei Tendenzen:
eine politische und eine religiöse. Jene greift in die aktuelle Auf
bauarbeit ein und eifert im Interesse der Kollektivierung gegen die
Kulaken. Ich finde, daß sie es mit unpassenden Mitkeln tut. Um
das Publikum wider die Großbauern einzunehmen, läßt Dow-
schenko den jugendlichen Anführer der Dorfgemeinde durch den
Kulakensohn ermorden. Meiner Meinung nach gäbe es andere,
sachlich überzeugendere Stimulantien fürs Kollektiv als gerade die
Untat irgendeines reaktionären Maschinenstürmers.
Aber das ist Geschmackssache, und überdies hat die Film-!
, prüfstelle nur am r e l i g i ö s e n Tenor des Films Anstoß
! genommen. Sein Titel: „Erde" ist mehr als ein Titel, er ist
! ein Bekenntnis. Am Anfang stirbt ein uralter Bauer, der Zum
i Zeichen seines Einverständnisses mit dem irdischen Schicksal vor
dem Tod einen Apfel ißt, ohne sich weiter um die religiösen
Tröstungen zu kümmern. Das antikirchliche Motiv wird bei der
Beerdigung des ermordeten Jünglings ausgesponnen und fort
geführt. Dessen Vater verweigert dem Popen die Teilnahme m
Begräbnis und bittet statt dessen die Dorfgemeinde, seinem Sohn
die letzte Ehre Zu geben. Und während der abgewiesene Pope
allein in der Kirche zurückbleibt und vorm Altar inbrünstig um
Erleuchtung fleht, zieht hinter der Leiche, die aus Symbolgründen
vom Zweig des Apfelbaumes gestreift wird, das ganze Kollektiv