wesensfremd
Bindungen zurückzubegeben, die
ihnen durch ihre antimarxistische Gebäroe empfiehlt. Sie treiben
der Diktatur zu, und meinen durch die Anwendung von Ge
walt der Unzufriedenheit Herr werden zu können. Sie schließen
sich den nationalistischen Elementen an, und hoffen so den
Karren der Wirtschaft aus dem Dreck zu ziehen. Indem sie sich
den chauvinistischen Hetzern verschreiben, die den Patriotis
mus für sich beschlagnahmen, und den starken Männern, die von
Heroismus schwatzen, glauben sie ideologisch ausgesorgt zu
haben und das Heft in Händen zu behalten.
Frankf«rt, 1. September.
Kann das deutsche Unternehmertum
sich leisten, reaktionär zu sein? Die
Zeit ist gekommen, in der es zwangs
läufig zu einer geistigen Entscheidung
gedrängt wird. Man darf sagen: end
Me geistige
Entscheidung
des
Unternehmertums.
Zweifellos führt sie weniger das Vertrauen zum Ideen
gehalt der politischen Reaktion als die geistige Notdurft und
die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation ins Lager der
Rechten. Sie erblicken keine Möglichkeit, mit der Sozialdemo-
kratie fertig zu werden, und entdecken bei der Suche nach einer
zugkräftigen Losung nur die fascistische. Aber einem solchen
Schritt widerrät doch auch dem Unternehmertum jede wirt
schaftliche und politische Einsicht. Eine Diktatur in Deutsch
land, das nicht Italien ist, hätte unter den jetzigen Ver
hältnissen unweigerlich einen verzweifelten Kampf und das
quantitative und moralische Anschwellen der radikalen Links
parteien zur Folge. Es ist nicht auszudenken, in welches
Chaos uns die Katastrophe eines Bürgerkrieges stürzte.
Aber der eigentliche Gefahrpunkt ist noch ein anderer: er
besteht darin, daß die Verquickung der wirtschaftlichen mit
den politisch-reaktionären Interessen jenen auf die Dauer
Abbruch tun muß. Ist die Wirtschaft in der Republik
darum von den Bindungen befreit worden, die ihr auch noch
in den späteren Dezennien des kaiserlichen Deutschland durch
die Vorherrschaft des militärisch-feudalen Regimes auferlegt
waren, um jetzt die Republik zu verleugnen und sich wieder in
lich. Denn die Art, in der bisher unentschieden und ungeklärt
gewirtschaftet wurde, ist für die Wirtschaft selber kaum länger
tragbar. Nicht wenige fortgeschrittene Wirtschastsführer haben
diese ideologische Entkräftung des Unternehmerstandes fest
gestellt und beklagt. So etwa Direktor Karl Lange, der vor
einiger Zeit in sehr beachtenswerten Ausführungen darauf
hinwies, daß die weltanschauliche Fundierung des Unter
nehmerstandpunktes im eigensten Interesse der Wirtschaft not
wendig sei.
Wie war es denn während des vergangenen Jahrzehnts?
Die deutschen Unternehmer, wo nicht alle, so doch viele und
einflußreiche, haben gewissermaßen im Dunkel gearbeitet, das
heißt, sie haben den Ideen, die gerade von links her gegen
sie anprallten, kleine selbständige Ideen entgegenzusetzen gewußt.
Es gibt genug Milderungsgründe für dieses Versagen. Einmal
waren die Unternehmer überhaupt erst nach dem Krieg dem
Druck entronnen, den vorher der alte Obrigkeitsstaat auf sie
ausgeübt hatte, und mußten sich nun mit der neuen Verant
wortung vertraut machen, die ihnen ihre Unabhängigkeit auf
erlegte. Zum andern wurden sehr viele von ihnen durch die
Revolution und in den Jnflationsjahren aus alten Positionen
herausgeworfen und weiterer ideeller Stützen beraubt. Schließ
lich nahm die unerhört schwierige Umstellung der Wirtschaft
soviel Kraft in Anspruch, daß zur Selbstbesinnung keine mehr
übrig blieben. So geschah es, daß viele in einen Zustand
geistiger Lähmung gerieten, der ihnen nicht nur Vertrauen
entzog, sondern sie auch selber entmutigte.
Die Unausgesprochenst dieses Zustandes bedingt ein
schwankendes, viel zu wenig positiv unterbautes Verhalten zu
den Arbeitnehmerorganisationen. Man erkannte die Gewerk
schaften an und suchte doch wieder ihren Einfluß möglichst zu
schwächen. Man kam, unter politischem Zwang, manchen
sczialdemokratischen Forderungen entgegen und bekämpfte zu
gleich den Zwang mit politischen Mitteln. Aber weder der
Kompromiß noch die erklärte Absage an ihn erwuchsen aus
einer Hellen, selbstbewußten Ideologie. Wollte man die Haltung
der Unternehmer innerhalb eines langen Zeitraumes kenn
zeichnen, so war sie viel eher dumpf und verschlossen. Ihr fehlte
eine den Massen einsichtige Rechtfertigung. Sie berief sich zu
letzt immer auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die sicher
lich niemand unterschätzt, die aber selbst durch geistige Not
wendigkeiten begründet werden müßten, um den breiten
Schichten der Bevölkerung faßlich zu werden. Sobald sie sich
anders als rein wirtschaftlich Zu legitimieren suchte, geriet sie
in verschwommene Konstruktionen. Da sie sich angesichts der
Massenorganisationen und der veränderten Wirtschaftsform
nicht, mehr an den Individualismus alten Schlags anlehnen
konnte, bemühte sie sich entweder darum, den Wirtschaftsegois
mus vag zu verschleiern, oder nahm ihre Zuflucht zu einer so
schwachen Theorie wie jener, die das Werk als solches zum
Selbstzweck erhebt.
Kurzum, die Unternehmer-Haltung entbehrte allzu lange
der ideologischen Stoßkraft. So geht es nicht weiter, denn die
Verhältnisse selber fordern gebieterisch, daß nun Farbe be
kannt wird. Die Wirtschaftskrise hat eine politische Konstella
tion herausbeschworen, die ein weiteres Ausweichen vor der
„weltanschaulichen" Auseinandersetzung unmöglich macht. Zu
ihr drängen die Massen hin, die bald ihre Äimmzettel ab
geben werden. Sie nahen mit Fragen und Lösungen, die über
das rein Wirtschaftliche hinausgreifen, und das Unternehmer
tum wird sich ihrem Ansturm wohl oder übel stellen müssen.
Von seiner Entscheidung hängt das Schicksal des Volkes und
unserer Wirtschaft ab.
Unverkennbar ist, daß viele Funktionäre des Großkapitals
schon seit einiger Zeit bewußt scharf rechts steuern. In Er
mangelung einer Ideologie, die aus der Wirtschaft selber auf
stiege, suchen sie Schutz bei einer politischen Ideologie, die sich
sind: Sie grübe sich selber ihr Grab, wenn sie augenblick
licher Vorteile wegen den Pakt mit einem engstirnigen Natio
nalismus schlösse, der ihren Bedürfnissen widerstrebt, und auf
ein völkisches Gewaltregiment baute, das sich ebensogut gegen
sie richten kann.
Die Wirtschaft ist nur dadurch zu behaupten, daß sich
die Unternehmer den ihr innewohnenden Entwicklungsten
denzen an-vertrauen, statt Zuflucht bei reaktionären politischen
Maßnahmen zu suchen, die diese Tendenzen beeinträchtigen.
Das ist die große Verantwortung und zugleich die Chance
des Unternehmertums heute: sein Selbstbewußtsein auf die
gewaltigen Aufgaben zu gründen, die unsere moderne Wirt
schaft zu erfüllen hat. Die Technisierung de^ Welt, die zivilisa
torische Durchdringung der Völker, die Schaffung eines
Netzes internationaler Beziehungen keine andere Macht
vermag einstweilen die Unternehmer von der Bewältigung
solcher Probleme zu entlasten. Sie haben es nicht nötig,
stumm zu sein, sie können sich auf ihre Mission berufen. Zu
gegeben, daß die Funktionen, die ihnen obliegen, menschlich
nicht ohne weiteres einsichtig sind. Darum sind sie aber doch
nützlich und im historischen Prozeß unentbehrlich. Sie ver
kehren sich erst ins Unmenschliche, wenm sie sich blindwütig
mit Hilfe der ihnen nicht entsprechenden fascistischen Methoden
! durchsetzen möchten.
Es kommt in dieser Stunde darauf an, daß die Unter
nehmer erkennen: die Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben
verbindet sie dem menschlichen Fortschritt und nicht
dem menschlichen Rückschritt. Aus dieser Erkenntnis heraus
muß sich ihnen aber von selber ein aufgeschlossenes Verhältnis
zur Arbeiterschaft ergeben. Mehr als ein aufgeklärter Indu
strieller weiß ja schon, daß man nur mit der Arbeiterschaft
wirtschaften kann, nicht ohne sie und keinesfalls gegen sie. Im
Interesse der Wirtschaft selber darf das Bewußtsein hier
von auch nicht durch ihr Ressentiment gegenüber der Sozial-
demokratie zurückgedrängt werden. So schwierig sich die Aus
einandersetzung mit der Sozialdemokratie in der nächsten Zu
kunft gestalten wird, es erscheint ausgeschlossen, daß man die
Arbeiterorganisationen auf dem undialektischen Wege der
Diktatur bezwingen wird. Denn die sozialen Ideen, denen die
Massen anhangen, weisen nach vorwärts und haben eine ge
waltige Lebenskraft; während die zur Diktatur chrängenden
Kräfte das Rad der Geschichte nach rückwärts drehen wollen.
Es ist nun einmal so, ob es auch viele Unternehmer zur Stunde