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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

können? Aber diese angedrohte Prüfung ist eine blanke Ideologie, 
deren Abhängigkeit von Interessen sofort durch den Plan enthüllt 
wird, kritische Störenfriede bei ihren Verlagsunternehmen anzu- 
zeigen. Das sind die Methoden von Raubrittern, die nicht mit 
Argumenten, sondern mit. Pressionen kämpfen; um ganz davon 
abzusehen, daß es schließlich den Verlagen überlassen bleiben muß, 
sich ihre Kritiker auszuwählen. 
„Die extrem-politische Einstellung mancher Kritiker in sonst 
anders gerichteten Blättern", fährt der Lagungsbericht fort, „führe 
häufig zu einer grundsätzlichen Ablehnung von Filmen im deut 
schen Milieu, während häufig ausländische Filme wegen einer 
radikal-politischen Tendenz die besondere Begünstigung der gleichen 
Beurteiler fänden. Aufgezeigt wurde auch die sinnlose Geschäfts 
schädigung, die darin liege, daß ein Kritiker mit leichten witzig 
sein sollenden Worten einen Film abtue und dadurch die Export 
möglichkeiten verhindere, jedenfalls die Ertragsmöglichkeiten ver» 
ringere." In diesen Sätzen offenbart sich mit Deutlichkeit die 
schlimme Verknüpfung von Patriotismus und Geschäft. Mam 
fabriziert miserable Tonfilme aus Altheidelberger Requisiten oder 
vom Rhein und verdächtigt dann den Kritiker, der einen solchen 
Quark mit Recht verneint, et lehne das „deutsche Milieu" zu 
gunsten radikal-politischer Filme des Auslands ab. Ein 
Anwurf, der den einzigen Zweck verfolgt, der unabhängigen 
Kritik den Garaus zu machen. In Wahrheit greifen die führenden 
Kritiker jene Erzeugnisse nur an, weil sie kitschig sind und das 
„deutsche Milieu" entstellen. Und sie loben Filme 
wie die „Liebesparade", „Unter den Dächern von Paris" oder 
verschiedene Russenfilme keineswegs der politischen Tendenz 
wegen, sondern weil sie etwas taugen und der deutschen Film 
industrie zum Vorbild dienen könnten. Woraus die patriotische 
Elegie der Spio abzielt, gibt dem, der es immer noch wissen 
sollte, ihre Auskunft zu erkennen, daß durch die Kritik häufig die 
Ertragsmöglichkeit des kritisierten Fabrikats verringert werde. 
Richtig ist daran nur, daß die betreffenden Produktionen oft noch 
unter dem Geschmacksniveau des durchschnittlichen Kinopublikums 
liegen, das denn doch nicht so dumm ist, wie Manche Film 
fabrikanten es machen wollen. 
Zum Schluß wurde in der Sitzung gefordert, „daß die 
Theaterbesitzer im Reich" die Verlagsanstalten ersuchen sollten, die 
Kritik auf Grund der Anschauung der eigenen Redakteure vorzü- 
nehmen". Es bedarf wohl keiner Erläuterung dieser Absicht. Sie 
spekuliert auf . die materielle Äbhängigkeit der Provinzkritiker von 
ihren Zeitungsverlagen und wiederum auf deren materielle Ab 
hängigkeit. Oiviäe et irapera heißt hier die Parole. 
Die Filmindustrie hat mit diesem Vorstoß, der einem Dolch 
stoß zum Verwechseln ähnlich sieht, ihrer Sache in der Öffentlich 
keit nur noch mehr geschadet. Statt die Schuld an ihren Mißerfol 
gen bei sich selber zu suchen, klagt sie die Kritiker an, die däs 
ihnen änvertraute Amt redlich verwalten. Sie sollte gute Tonfilme 
herstellen und möchte jene Sprecher unterdrücken, die schlechte Ton 
filme schlecht finden. Sie sollte endlich erkennen, daß der Gewinn 
an saubere' Leistungen gebunden ist, und zieht es vor, ihn durch 
Mittel zu erzwingen, die nicht eben als fair Zu bezeichnen sind. 
Daß auch diese plumpe Attacke Zu einem Mißerfolg führt, dafür 
wird dieselbe öffentliche Meinung sorgen, auf deren Beeinflussung 
nicht zuletzt die Filmindustrie soviel Gewicht legt. 
Aus Anlaß des- Vorgehens der Spitzenorganisatton der Deut^ 
scheu Filmindustrie haben sich M in Berlin die Filmkritiker 
der Berliner und auswärtigen - Zeitungen sämtlicher Rich 
tungen zu einem „Verband Berliner Filmkritiker" 
zusammengeschlossen. Zweck des Verbands ist die Erhaltung der 
Unabhängigkeit der Filmkritik der Tagespresse und die Wahrung der 
Berufsinteressen, vor allem gegen äußere Beeinflussung. Der Vor 
stand besteht aus den Herren IHering, Kersten, Krafft, 
Olimsky, Pohl. ! 
erfüllten LoIIsktivs unä äon nositlven ^.nsats 6er 
Nasse. I^iedt ru dsstreiten. äak er von seinem ^us- 
LanLsw'ukt aus eine Airradl väoktiLsr unä nütr- 
Uodsr Diadlioks xeninnt. Vor allem äie. äak äer 
Rilm als soleüer. inäem er äie Distanz äss /^u- 
selmuers ankdedt. äie disüer in samtlielmn siokt- 
daren Lünsten «e^aürt blieb, ein äsn Nassen zmxs- 
ksdrtss RunstmittsI ist. äem äie Funktion äsr 3nb- 
larvunL rruMt. (8ebr riebtis ksikt es am ZMuü. 
äak äie Russen nur äarum so auLeroräentliebs M 
misebe DsistnnLSU vollbraebt babsn, ^eil ^br ^Vollen 
mit äen im Vilm auLsIsLtsn IsnäenMN Zusammen- 
trM.) 2u äen soZioIosiseb wertvollen lntsi'ms- 
! tationen. äis Ralä^s Keiner Rosition selruläet. es- 
s bört etwa noeb äie äer ^VoebensebaunroLramme oäs^ 
äis eines Rilms wie „Nenseben am Konnta^", äsm 
als ..Lleinbür^erromantib mit negativem Vorbei- 
eben" auk^ekaüt-wirä. 
Rreilieb, äie russiseben Dsdrsn sinä 2um Zebaäen 
äer Deutungen all^usebr in Rauseb unä Rosen sinLe- 
seiLt. Vala^s verbält sieb ibnen LSLsaüdsr un^ekäbr 
wie ein Konvertit. Dr lebt niebt aus ibnen. er küblt sieb 
bei ibnen unter Daeb unä Vaeb. Vorbebaltlos be 
nutzt er äen xanLen Komplex äer russiseben läsolo- 
sis. Da er sie in äsr kert-i^en Rorm übernimmt, in 
äer sie bei uns LanL unä Lebe ist. ebne sie bis «u 
ibrsm IlrsprunL 2urüeb2uverrolLen unä äerart von 
innen ber 2u erkabren. reiebsn natürlieb äie aus ibr 
LeroLbnen Leblüsse niebt in äie Riete. leb äsnks an 
äie viel ?u simvis DrklärunL äes LleinbürLertüms 
— äie Osstalt äes Dstsktivs 2. R. kommt um ibr 
Reebt an äis nroblematisebe ^snKsrunL. äak 
äis OroKauknadms, übsrbaupt äie Müs äer Camera 
beim Objekt, äen allgemeinen Drang Lur Rinkaeb- 
bsit Verrats, äer ,,von äer Lkensis äer beutigen Os- 
neration gegen äis bergebraobten ^usäruekskormev^ 
äes keuäalen unä altbürgerUeben Oeistes" l.errübre; 
an äie rsieblieb naive Doräerung. äis anlaMeb äer 
Herrsebakt äes Ronkilms gestellt wirä: „äetrt müssen 
enälieb äis Diebter an äen Rilm beran. Die besten, 
äis größten. Dsnn jetrt ist es 2eit!"; an äie 
Osbersobätrung äes einen oäer anäeren russiseben 
Lrrsugnissss. in äem sieb kaute läeologisn umtrsi- 
bsn (so äes Dewsebenko-Dilms: ,,Rräs"). Um gan2 
davon Lu sebweigen. äak äis unkontrollierten ^n- 
sebauungen keine Nögliebkeit gewäbrsn. äsn Linn 
jener Düms aukLULeigen. in äenen niebt äas Nassen- 
bakts regiert. Das sebsint Rala^s aueb einLuseben. 
denn mitunter kinäen sieb ^bweiebungen von äer 
Rauptlinis. stilksebwsigenäe Lou^essionen an äie 
bürgerliebs Vorstelluvgswelt. lnsgesamt leidet äie 
Einstellung an ibrer Unsedärks. 
Dennoeb: äas Lueb ist ein Vorlüuker. unä Vor 
läufer baden es sebwer. Ds entbält eine Nengs 
guter Linsiebten. Und man wirä es unter allen Drn^- 
Ständen mit Rutren lesen. Lr. 
Oine plumpe Attacke. 
Filmindustrie gegen Filmkritik. 
LLr Berlin, Anfang November. 
Die Spitzenorganisation der deutschen Filmindustrie, Spio 
genannt, hat sich bei ihrer letzten Tagung mit der Filmkritik der 
Tagespresse befaßt. Nicht etwa, um von ihr zu lernen, was sie nötig 
hätte, sondern aus dem Bedürfnis heraus, unbequeme Stimmen 
zum Schweigen zu bringen. Je tönender der Tonfilm wird, desto 
stummer sollen seine Kritiker sein. 
Ich zitiere ausbem im Neichssilmblatt vom 25. Oktober veröffent 
lichten Tagungsberichk „Bei der ausgedehnten Besprechung über 
allgemeine Tonfilmsragen," heißt es dort, „kamen aus der Ver 
sammlung Worte der schärfsten Entrüstung über die ganz willkür 
liche und unsachliche Mitik der Lonfilmpremieren in einem Teil 
der Lagespresse. Auf Antrag des Verbandes der Filmindustriellen 
soll in jedem Falle einer derartigen Kritik sowohl in der Öffent 
lichkeit als auch den einzelnen Verlagsunternehmen gegenüber das 
Unsachliche und Ungehörige unter genauer Prüfung der Eignung 
und Vorbildung des Kritisierenden bekanntgegeben werden." Hierzu 
wäre Zu bemerken: Es ist bisher nicht üblich gewesen, in der eigenen 
Sache den Richter zu spielen. Zugegeben selbst, daß manche Kritiken, 
dre man in den Tageszeitungen liest, insofern „willkürlich und 
unsachlich" sind, als sie einen ungehörigen Tonfilm gutheißen — 
dre Filmindustrie hat darüber am allerwenigsten zu befinden. Sie^ 
die für unsere TonsilmproduM verantwortlich zeichnet, sollte 
vorurteilslos die Eignung und Vorbildung der Kritiker prüfen
	        
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