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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

stickigen 
saktig geschminkte 
her, 
Ber Tag in Marseille ist ein kräktiges 
rin. Blau sind die Umrahmungen der 
Bltrama- 
Bädchen, 
verwitterte Ornamente über einem 
Bingang. 
^a^sslüs. SlravsnsrsnS 
kluten elegante Berren und 
hier eine X^eile, die Tascken mit Leid geküllt. 
^m andern Tag sind die Tascken gewöknliek 
leer. Immer wieder bleibt einer kängen und sinkt' 
ins Bumpenproletariat kerab. Bs gibt genug 
trostlose Bxistenren in Marseille, kür die der 
Baken kein Baken ist. V^Le Poes Nann in der 
Stenge durckwandern sie unermüdlick und okne 
Büke die §1ra6en. 
Notre-Bame de la Larde grüÜt von dem Lipkel 
und unberükrt von dem Blend k Met die 
8tadt. Vielleicht trägt das Blend zu ihrem Beuch 
ten bei und gewiÜ küllt sie die Bumpen in Llanr. 
Kr. 
Kolonialsoldaten und Matrosen säumen 
Bürgerdamen über die Lannebiöre, ist der an 
nähernd quadratische Platz, in den etliche 
Blakengasssn einmünden, die pkorte rur Bust. 
Palmen, Bedürkniskäuser und ein Benkmal zieren 
den Platz. 8ehwarre lungern müssig auk ihm um- 
blau die Matrosenblusen, blau die Anzüge der 
Arbeiter und Packer. Bs ist, als habe das I^eer 
die blaue Barbe bereingespritrt, die sich nun auk 
unzählige Bläeben und bewegte Punkte verteilt, 
^m ^.bend keiern die Llükbirnen ihre Triumphe. 
8ie reihen sich zu rotgelben 8cknüren aneinan 
der, werden von Llassekeiben und 8piegeln tau- 
sendkack reklektiert und verwandeln bestaurants 
und Lakes in kestlicbe Biebtinseln. 8ie sind das 
rausekbakte Teichen des Amüsements, sie strah 
len von der kleinen 8ckie6bude aus, in der 
bleiche Kügeleben über einer Eniaturstadt bin 
und wieder kliegen. Tur Teit ihrer Blerrschakt 
^er um diese Teit ankommt, mu6 sich unter 
Bmständen ein paar 8tunden gedulden, bis ibn 
ein Hotel auknimmt, Br trinkt vielleicht zuerst 
im Bestaurationsraum nebenan Kakkee, aller ewig 
Kakkee trinken kann niemand. Dann geht er die 
marmorne prunktkeppe hinunter zur 8tadt. 8ie 
schläkt noch, die 8tra6en 8ind leer, Br schlen 
dert durch die Lannebiere und wundert sich 
über ihren Kulrm: denn 8ie, von der es Hei6t, 
dal) sie die 8tra6e der 8tra6en sei, ist nach 
Bänge und breite nickt sonderlich ausgedehnt, 
Der Haken liegt ausgestorben unter dem stump 
ken Bimmel, und aus den LLÜcben rieseln 
8cbmutzbäcbe herab. Das Lanze ist leicht ZU 
umspannen, der bäum ist gering. 
^.ber am Tag — am lag ist die Lannebiere keine 
gewöhnliche 8tra6e mehr, 8ie ist zum Jahr 
markt ohne Hnkang und Bnde geweitet, zum un 
übersehbaren Versammlungsort der Nationen, ^.n 
den Laketiscbcben braust der Trubel vorbei, man 
sitzt verzaubert, kür immer gebannt. Narokkaner 
in Burnussen wallen, Bündel weiKer Tücher, 
durch die bevölkerte Liste, Negergents kübren 
ihre 8tehkragen spazieren, über ungerodete ar 
menische Bärte kuchteln Bände. Mädchen wehen 
dahin, karbig eingewickelte Bonbons aus dem 
Bazar, Bine kreuzt die 8tra6e, es leuchtet rosa 
zwischen den Trams, Labs und Lbinesen, das 
Wagnis gelingt, sie erreicht das anders BIker. 
Die Verkäuker der neuesten pariser Teilungen 
stellen in kurzen ^.bständen artikulierte 8chreie 
aus. Line rotglühende Lognacmarke zittert vor 
XVonne. Nirgends ein ^bscbluÜ, eine Möglich 
keit, bis Zur Lrenre zu dringen. 
Die Legensätze sind nah zusammengerüekt. Vom 
beichtum bis zur äußersten ^rmut ist nur ein 
8cbritt. 
Im prado bat sich der V/oblstand eingerichtet. 
Buxuskarosserien gleiten über schnurgerade 
Baumalleen, Berrsckaktsvillen prangen im Lrün, 
Bier drauüen entwickelt sich auch eine ^.rt von 
8trandleben mit Badeanstalt, Lartenrestaurants 
und kostspieligeren Laststätten. Tu dieser Bicbt- 
und Buktgegend tükrt am I^leer entlang die Lor- 
nicke, eine präcktige Bkerstralle, die kürzlich 
mit einem Kolonialdenkmal geschmückt worden 
ist, das sich nicht sehen lassen kann und dock 
schon von weitem zu sehen ist. Telsen, Palmen, 
Kitsch, Oeröll und Paläste — das üppige Kunter 
bunt der Nittelmeeruker übt seine Verkübrungs- 
krakt aus, 
Unvermittelt, wie die Nacht im 8üden berein- 
bricht, tut sich dicht neben dem modernen Le- 
scbäktsviertel das Bakenquartier auk, Bs beginnt 
bei den Kais und klettert zur 8pitze eines Bügels 
empor, Bin Blaus- und Lassenlabyrintb, dessen 
Topographie schlechterdings nicht zu ergründen 
ist. ^Var es einst der Mittelpunkt städtischen 
Bebens, so ist es heute der Ort, an dem sich die 
^.bkälle sammeln. Twar es enthält ein Bospital, 
und in der Böbe linden sich einige kriedliche 
8trL6cken und Kleinbürgerplätzchen, die an ein 
-Xlmdörkcben gemahnen; aber seine Bauptpartien 
sind voller unbürgerlicher 8chrecken. piscb- 
geruch schwelt durch die Lassen, die sich wie 
zerknüllte Papierschlangen ineinander mengen, 
^us den Kitzen der Bauswände, die das Bicbt 
kernhalten, Kriechen Kinderrudel hervor. 8ie 
spritzen Nasser und lassen Vorkenschikkchen im 
Kinnsal treiben. Nabe dem Bker ist eine endlose 
8tra6o der Biebe geweiht. Birnen aller Nationen, 
alte und junge, stehen und sitzen vor ihren 8tüb- 
chen, in die man ungescheut hineinsehen kann. 
Bas Mobiliar besteht aus einem Bett, einer 8pie- 
gelscherbe, einem 8tukl und einer bunten ^k- 
kicbe, Ben premden wird, ein uralter Trick, der 
Hut aus der Bland gerissen, um sie zum Bleiben 
zu zwingen. Orebestrionklänge, die aus sämt 
lichen Kneipen strömen, mehren noch das Le- 
tümmel. Bläulich getünchte Bustknaben bieten 
sich an; 8chlepper möchten zu den Bordellen 
locken und klüstern mit Versucherstimme „Li- 
nema"; Matrosen, Trimmer und Beizer schlen 
dern gruppenweise an den X^eiberbauken vorbei. 
In der Bukt liegt 8l ? Manchmal schwingen
	        
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