worden ist.
S. Kraeauer
N
S. Kracaurr.
stände Zu
schon seit
So wichtig es ist, eine Darstellerin dem Film wiederzugswinnen,
die Zu seinem Aufbau entscheidend beigetragen hat: ich schreibe
diese Zeilen nicht um ihretwillen allein. Mindestens ebensoviel
liegt mir
p- -d
daran, die Aufmerksamkeit auf die unzulänglichen Zu
lenken, durch die das Schicksal der großen Künstlerin
langem bedingt
-äE.sl... r»V Fi alsh v "unck
knackn ckor ller
„Der wahre Jakob" oder „Drei Lage Mittelarrest" auf miß
geleitete Instinkte spekulieren, in der allerMtersien Sphäre Zu
Hause sind und in öden ProvinZstädten sich schon deshalb durch
setzen muffen, weil es dort keine anderen Zerstreuungen gibt -
die Erfahrung lehrt, daß der Verleih, der im geschäftlichen Inter
esse von sich aus die Art und die Qualität der Filme bestimmen
Zu sollen glaubt, damit in Wahrheit gegen sein geschäftliches
Interesse handelt und aus einem Irrtum in den anderen fällt.
Viele Schwierigkeiten in der Filmindustrie haben ihren Grund
einfach in, der Einbildung von Agenten und Kaufleuten, Kunst
sachverständige und Publikumssorscher Zu sein. Daß sie es nicht
sind, schändet sie keineswegs; daß sie es dennoch sein wallen,
beweist ihre kommerzielle Urüüchtigkeit. In Wirklichkeit stehen sie
vielfach — zahlreiche Filme erhärten diese Lhfe — auf der
niedersten Stufe des PrMikumsßfchmacks, und schon der Philosoph
Georg Simmel hat doch die. Tatsache evident gemacht, daß das
Durchschnittsniveau immer etwas Äer der unteren Grenze liege.
Man sollte die Philosophen in praktischer Hinsicht nicht so ver
achten. Es ist immerhin ein kleiner Trost, daß sich die ünkaüf-
männische Hyöris der Branche- zu rächen beginnt. Sie muß MS
wieder erleben, daß sie Zu ihren: eigenen Schaden Fehlprognoftu
stellt, und die Klagen aus der Provinz über die Belieferung mit
schlechter Firmware mehren sich jetzt. Um ganz von den Protesten
des prachtvollea Berliner Kinopublikums gegen die 'häufige Be?
lästigung durch untaugliche Fabrikate Zu schweigen— lärmenden
Kundgebungen, denen es allerdings nicht Zu gelingen scheint, die
Branche aus ihrem narkotischen Schlaf zu wecken und zu sich
selber zu bringen.
In den Fragen der Qualität — ich muß mich hier serder
dieses scheußlichen Wortes bedienen — verhalten sich dir eigent
lichen Her st alle r s i r m e n kaum minder lsienhaft und fan-
tastisch^ wie der Verleih. Das laßt sich gerade im Falle Asta
Nielsen exemplarisch belegen. Man stelle sich vor, was diese Schau
spielerin sich herausnmrml: sie verlangt die Manuskripts zu lesen,
ehe sie Zu spielen beginnt, und wagt es nicht nur, schlechten Dreh
büchern kritisch Zu begegnen, sondern lehnt auch die Beteiligung an
solchen Elaboraten ab. Kurzum, sie. legt ein noch durch Offenheit
verschlimmertes Betragen an den Tag, dem sie selber die Haupt
schuld daran beimißt, daß sie in ProduzentenkreiM unbeliebt ist.
Viele Regisseure, die durch die Willfährigkeit ihres Künstler«
Völkchens verwohnt find, bezeichnen sie als schwierig, und die Ufa
l^L es nicht für nötig befunden, sie mit richtigen Aufträge« Zu
beehren. Ich finde, diese Einstellung der -Producenten und
ihres Anhangs durchaus unprodnkt.iv ist. Sie brauchen
meinetwegen nichts von Kunst Zu verstehen, aber sie müßten im«
stände sein, ihren Nutzwert einzukalkulieren und rein aus Zwecke
mäßiMLsgründen so verfahren, wie ein fortgeschrittener In
dustrieller, der wiMchs Künstler mit Aufgaben betraut. Die Tat
sache, daß die großen Asta Nielsens Zuletzt ein gutes
Geschäft gewesen find, scheint von der Filmindustrie längst ver
gessen worden Zu sein. Was sind das für Unternehmer, die lieber
blindlings ihrer SelbstüberM nachgsben, statt dem Unter
nehmen die Zu seinem Gedeihen notwendigen ausübenden Künstler
und Experten zu verpflichten! Wenn das Publikum heute immer
unlustiger die Kinos besucht, so wird es Zum guten Teil durch
Produzenten zuruckge scheucht, deren fachmännisches Wissen erstaun
lich gering ist.
Vor kurzem hat Asta Nielsen ihre Mitwirkung an einem Ton
film abgesagt, der nach ihrem alten stummen Film: „Dirnen»
tragodie" hergestellt werden sollte. Auf diesen aus künstlerischen
Bedenken erfolgten Entschluß hin sind ihr Zweihundert bis
dreihundert Briefe Zugegangrn, in denen ihr lauter . Un
bekannte erklären, daß sie nicht das Recht' habe, sich aus der
Öffentlichkeit Zurückzuzichen, daß ihr Dasein dem Film gehöre
usw. Wird die Branche solchen Zuschriften das entnehmen können,
worauf es ankomE Wird sie endlich, einsehen lernen, daß sie
wie in diesem Falle, so fortwährend und beinahe prinzipiell wider
ihre eigenen Interessen verstößt? Ich enthalte mich der Ver
mutungen und füge nur noch hinzu, daß Asta Nielsen voller Pläne
steckt. Vor allem hat sie einen Stoff bereit, der nach meiner
Meinung und der anderer Kenner ein vorzügliches Filmsujet
abgäbs. und sogar vielleicht neue Tonmontagen .erforderlich
machte. Es ist an der Zeit, mrt dem bei uns beliebten Verfahren
Zu brechen, das den Hauptakzent auf die Dialogs legt, und durch
eine Bevorzugung der stummen Partien für eine größere Jnter«
Nationalität des Tonfilms Zu sorgen...
Genemkmustkdrrektor
vor dem Arbeitsgericht.
h Berlin, im April.
Das Arbeitsgericht ist gewöhnlich nicht der Treffpunkt
der höheren KunstwelL. Dort klagen sonst Gekündigte auf Aus
zahlung ihres Restgehalts oder einer Abfindung, Angestellte be
schweren sich über die Zeugnisse oder eine unbillige Eingruppicrung.
Reisende streiten sich mit ihren Firmen wegen der Spesen und
Provisionen herum. Ein sehr prosaischer Ort, an dem in der Regel
nicht die Künstlerehre in Frage steht, sondern ein Sammelsurium
von Kleinigkeiten, die allerdings für viele Menschen Existenznot
wendigkeiten bedeute»!. Wenn irgendwo, so werden an diesem Ort
die Dessous unseres Wirtschaftslebens enthüllt.
In das Einerlei der Bagatellen, das dem mechanisierten Ar
beitsprozeß entspricht, fährt Klemperers Klage gegen
den preußischen Fiskus wie ein Komet herein. Die letzte
Verhandlung in dieser außergewöhnlichen Angelegenheit war denn
auch beinahe eine Sondervorstellung zu nennen. Schon das Publi
kum 'glich dem bei Premieren: eine Unzahl von Journalisten;
kunstbegeisterte Damen; fachmännisch interessierte Herren mit
Musikerköpfen. Kurzum, das Tribunal wurde Zur Szene, die man
nach den neuesten TheaterprinZipien fortwährend ummontierte.
Bank auf Bank mußte in den zuerst vorgesehenen kleinen Sitzungs
saal geschleppt werden, um ine SitzLsdürfnisse der immer starker
Zuströmenden Öffentlichkeit zu befriedigen. Dann zog die ganze
Versammlung mit allen Requisiten in einen größeren Saal um,
in dem bei offenem Vorhang auch noch manche Verwandlungen
stattfanden.
Held der Szene war unbestritten Generalmusikdirektor Klem-
perer selbst. Das heißt, er ist nicht eigentlich ein schlichter „Gene
ralmusikdirektor", sondern „amtierender Generalmusik
direktor in vollem Umfang". Um die praktische Aus
wertung dieser gewaltigen Titulatur geht bekanntlich sein Streit
mit dem Fiskus. Wird sie ihm bei seiner etwaigen „TranZferie«
rung" zur Lindenoper eine übergeordnete Position eintragen, odep
ist sie doch zu ohnmächtig, um ihn vor der bloßen Koordinierung
zu retten? Das eben ist die Frage.
Die jüngste, zur Klärung dieses Problems angesetzte Verhand
lung war ein Schauspiel, das von fern an den „Lasso" erinnerte.
Wenigstens trat der als Partei vernommene Generalintendant
Tietjen, dem klagenden Künstler wie ein neuer Antonio gegen
über. Er interpretierte mit der Diskretion des Weltmannes und
der Behutsamkeit des hohen Beamten Punkt für Punkt des mit
Klemperer geschlossenen Vertrags und Nachtragsvertrags; klärte
auf, was „OperndirekLor" und was „in vollem Umfangt zu be
deuten habe; verwunderte sich gemäßigt darüber, daß die Gegen
partei nach längerer freundschaftlicher Zusammenarbeit so plötzlich
den Rechtsstandpunkt eingenommen, habe; erkannte die besondere
AMLMM KleMe zur Leitung eines sozialen KunstM
wie der Krolloper freimütig an. Hierin traf er sich mitMimsterial-
rat Pros, Ksstenberg, der zu Beginn der Beweisaufnahme
die musikalische Persönlichkeit des Generalmusikdirektors pries,
aber genau so wie Herr Tretjen bestritt, daß der problematischen
Titulatur eine rnagische Kraft innewohne. Das Wort „amtierend"
ist nach ihm keineswegs eine Zauberformel, sondern nur eins
technische Einschaltung zum Zwecke der finanziellen Gleichberech
tigung Klemperers mit Gensmlmufldikrektor Kleiber, der sich zu
dem in seinem Vertrag ausbedungen hat, -daß ihm kein anderer
Generalmusikdirektor übergeordnet werden darf. Noch läuft dieser
Vertrag, und da es einstweilen Generälfeldmarschälle der Musik
nicht gibt, ist die Entscheidung sehr schwierig.
In das Dickicht der Verträge und NachtragZvertrage brach
Klemperer mit einem Temperament ein, das in vollem Umfang
amtierte und vow Gerichtsvorsttzenden, der nicht tue Machtvollkom
menheiten des Fürsten im „Lasso" besitzt, mitunter zart eingeschränkt
werden mußte. Eine Demonstration, die in Augenblicken ästheti
scher VerlorenheiL geradezu musikalisch wirkte: diese Folge pracht
voller Dissonanzen zwischen der Direktheit des selbstvewM
Künstlers und dem mehr mittelbaren Wesen der beamteten Herren.
Womit nicht gesagt sein soll, daß Klemperer der vertrackten Ein
richtungen unserer Welt unkundig sei und nicht auch viMeM seine
kleine Freude daran habe, Entladungen der Leidenschaft fornM-
recht zu Ziselieren. Zwar, er braust auf. „Durch die Art der mir
Zuteil gewordenen Behandlung ist in mir jeder Funke von Vertrauen
zum preußischen Fiskus erloschen", führt aber doch etwas später
einen Mozartbrief an, gedenkt beiläufig des baldigen Antritts
seiner Amerikareise und erwägt eine Sekunde lang auf charmante
Weise und beinahe verspielt einen von: geplagten Vorsitzenden ge
schickt eingfädelten ersten Verg^ um ihn hinterher
sofort emphatisch zu verwerfen. Immer ist er der Künstler, der sein
Recht in einer ihm fremden Umgebung erkämpfen möchte; immer
auch der Kämpfer, der sich als Künstler gibt.
Es war ein großer Lag fürs Arbeitsgericht. Ein Gastspiel,
das sogar vielleicht besser ins alte Gebäude auf der Prinz Albrecht
straße mit seinen theatralischen TreppE gepaßt hätte
als in das seit kurzem bezogene Kriegsministerium, dessen Inneres,
nebenbei bemerkt, nett und anspruchslos hergerichtet worden ist.