Gemeinde der Hläubiger
Berlin, im September.
ihren Ehrgeiz darin setzten, sich gegen jede Abrundung zu sträuben, wissen bald gar nicht mehr, woran sie sich halten sollen.
um den Schein der Genauigkeit Zu behaupten laßt sich unschwer
ersehen, daß der moralischen Katastrophe die materielle entspricht.
Von den über 15 dem Devaheim-Konzern zugeführten Millionen
verbleiben den Gläubigern etwa Z Prozent — ein erbärmlicher
Rest, der nur noch Zu den Balkönen der Häuschen reichte.
Wird den versammelten Sparern ^rie Unheilsbotschaft dadurch
versüßt, daß sich mit dem Einverständnis amtlicher Organe der
Evangelischen Landeskirche eine Notgemeinschast der Inneren Mis
sion gebildet hat, die zur Hilfe bereit ist? Es zeigt sich zum Glück,
daß diese um ihre Hoffnungen betrogenen Menschen doch nicht
ganz zermürbt sind. Ein Glaube kann zwar schnell geprellt, aber
nur langsam wieder aufgerichtet werden. Ein Redner, der
sich nicht nur als guter Protestant, sondern zum Ueberfluß als
ehemaliger Offizier und Korpsstudent zu erkennen gibt, macht
sich zum Sprachrohr der Menge und beweist, angefeuert von ihrem
Zuspruch, daß der Protestantismus noch zu proW versteht.
Allerdings wendet sich sein Protest gegen die Kirche selber. Wie
immer es sich mit der Richtigkeit jener Theorie verhalte, nach der
sich der ideologische Ueberbau in Abhängigkeit vom materiellen
Unterbau befindet: die Ausführungen des Redners lehren jeden
falls, daß Schäden in den unteren Regionen die Augen über Un
stimmigkeiten in den oberen zu öffnen vermögen. Erbittert wirft er
manchen kirchlichen Kreisen Härte'Vej Herzens vor und macht sie,
ohne geradezu mit dem Kirchenaustrilt zu drohen, auf die Folgen
aufmerksam, die daraus entstünden, wenn sie den Notleidenden
die christliche Kameradschaft verweigerten. Prosaisch ausgedrückt:
er fordert eine hundertprozentige Aufwertung der eingezahlten Be
träge. Man ist versucht, den moralischen Druck, den er zweifellos
auf die beteiligten kirchlichen Instanzen ausüben will, als einen
M ausgleichender Gerechtigkeit anzusprechen.
Die Verhandlungen gehen weiter, und dank der vorzüglichen
Mikrophone kann noch die hinterste Stuhlreihe das leiseste Wörtchen
der Beschwerde vernehmen. Alle frösteln; aber gewiß nicht nur der
Kälte wegen, sondern auch weil ihr Glauben und ihre Zuversicht
enttäuscht worden sind. Wie in dem unermeßlichen Hallenraum, so
scheinen sie sich jetzt in der Welt verloren, und viele kleinen Leute
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Richt etwa in der stillen Gerichtsstube, sondern in einer der
Ausstellungshallen am Kaiserdamm finden die Verhandlungen über
den Konkurs derDeva heim G. m. b. H. statt. Die Halle,
die größer als die gewaltigste Kirche ist, umfaßt statt der sonst hier
heimischen Autos und Grünen Wochen die Gemeinde der Gläubiger,
die Hintergangene Gläubige sind. Von den über 10 000 Sparern,
die ein Anrecht darauf hätten, an dieser nicht eben evangelisch ge
stimmten Versammlung teilzunehmen, lind freilich kaum 500 er
schienen. Sie verschwinden fast in dem riesigen, ihnen Zugedachten
Asyl, das noch dazu eine Kälte ausströmt, die der mancher Herzen
entspricht, und scharen sich eng. Zusammen, wie um' aneinander
Schutz zu suchen und sich gegenseitig Zu wärmtn. Hinter ihnen
dehnt sich ein Meer von Stuhlreihen, und die Emporen stehen leer.
Von einer Estrade herab erstattet der Konkursverwalter Bericht
über die Verfehlungen, die sich die Leiter der Devaheim haben zu
schulden kommen lassen. Unter denen, die seiner Trauerpredigt
Lauschen, befinden sich viele kleine Leute, deren- mühsam gemachte
Ersparnisse zerronnen sind. Leüte im Havelock, geplagte Existenzen,
denen man anmerkt, daß sie mit jedem Pfennig zu rechnen gewohnt
sind: im Glauben an die kirchlichen Fast'Kationen, die hinter der
Bausparkasse standen, haben sie ihr Geld Angegeben und wahr
scheinlich schon von dem Häuschen geträumt, das sie für ihren
Glaubenseifer dereinst belohnen wAde. Da sitzen sie nun mit
Kummermienen, ziehen den Mantel fester und begraben gemeinsam
Vertrauen und Traum.
Ein. Ton wohltuender Empörung durchbricht mitunter die
Nüchternheit, deren sich der Konkursverwalter befleißigt. Er nennt
das Gebaren der Devaheim verwerflich; er klagt die Leiter des
Unternehmens einer vorsätzlichen Schädigung der Einleger -an; er
bezeichnet gewisse Ausweise als arglistige Täuschung. Nur wenige
Zwischenrufe verraten den Eindruck, den diese Sittenschilderungen
erwecken, und auch die Verlesung der Bilanz wird mit Schweigen
entgegengenommen. Aus den bis auf den Pfennig errechneten Zah
len — es ist, als ob Beträge, die notwendigerweise ungenau sind,