Bach von der Ruhr,
Ein
Von S. Kracauer
Rückblick® und Werkanalysen: sie alle
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Formen einzuhalten. Von jener, die eine Zeitlang diental die tendenziöse Entstellung.
schulte Leserstamm wie das allgemeine Publikum Industrierevier besonders stark ausgeprägt ist. An
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chitektur-
sto rieche
kommunale Baupolitik teilweise von reaktionären Mo- . satzes willen eine Erwägung, die öfters wiederkehrt.
tiven geleitet wird, hindert ihn nicht, ihre guten Sie besagt ungefähr, daß unsere gesamte technische
Leistungen anch wirklich anzuerkennen. Ein An- Apparatur auf einem Stand angelangt ist, der mit
stand, der auf die Dauer der eigenen Sache mehr den heutigen Produktionsverhältnissen nicht mehr
Mode bei uns war, unterscheidet es sich dadurch,
daß seine Schilderungen in sozialistischen Ueberzeu
gungen verhaftet sind; von dieser durch die mehr
beschreibende als systematische Darstellungsart,
etwas Anfängen kann. Diese Untersuchungen haben
tatsächlich einen Nutzwert. Einmal darum, weil sie
einen konkreten Begriff von den Zuständen im Buhr
gebiet geben. Sie summieren nicht blind die Details,
sondern fügen sie zum Mosaikbild zusammen. Die
Dortmunder Westfalenhalle etwa steht für sich da
und ist doch zugleich in den Alltag der Bevölkerung
einbegriffen, und ebenso lassen sich auch das Dinta
und das arbeitsphysiologische Institut aufeinander
beziehen. Porträts der Großindustriellen und ihrer
Machtorganisationen, ökonomische Bemerkungen, Ar-
Die Mischung ist im allgemeinen gut. geraten; ob
wohl sich ihre Elemente nicht selten nur locker mit
einander vermengen. Wichtig ist jedenfalls, daß
Schwarz dank langjähriger Erfahrung Kenntnisse ver
mittelt, mit denen sowohl der gewerkschaftlich ge-
Zum Glück werden diese Entgleisungen durch die
Vorzüge des Buches ausgewogen. Zu seinen entschei
denden rechne ich um ihres methodisch richtigen Ein ¬
fahren ein Sonderleben, das immer wieder zur wech
selseitigen Konfrontation genötigt wird. Zum andern
sind die Betrachtungen darum brauchbar, weil sie
einer verantwortungsbewußten Haltung entspringen.
Der Verfasser mach’, nirgends einen Hehl daraus, daß
er eindeutig am Schicksal der Arbeiterklasse inter
essiert ist, sucht aber dieselbe Aufrichtigkeit, auch
im Umgang mit den Sachen zu bewähren. Statt die
Gegenstände kraft der Tendenz leichtfertig zu über
rumpeln, wartet er ab, ob sie diese in sich enthalten,
und verzichtet überhaupt nach Möglichkeit auf die
Vergewaltigung des Materials. Daß zum Beispiel die
so heißt es einmal, „gilt es für unfein, aus dem
.Tristan“ und anderen Wagneropern keine religiöse
Weihestimmung zu empfangen.“ Dergleichen ist von
außen gesehen und im Ton vergriffen, der sich auch
sonst ein wenig zu angestrengt bemüht, den Bedürf
nissen des vorbestimmten Leserkreises entgegenzu-
eilen.
Begriffe und Beobachtungen durchdringen sich,
wie ich bereits andeutete, nicht immer gleich dicht.
Wo sie gewissermaßen eine chemische Verbindung
miteinander eingehen, werden fruchtbare Einzeler
kenntnisse herausdestilliert: so die von der Bedeu
tung des Wassersports, di ich übrigens in meinem
Buch: „Die Angestellten'' schon entwickelt habe,
oder die von den Gründen des Vereinswesens, das im
anderen Stellen kommen schematische Vorstellungen
mit verschlossenen Tatsachen zur ungenauen
Deckung. Dieser Gefahr unterliegen heute zahlreiche
Schriftsteller. Sie bewahrheiten ihre grundsätzlichen
Meinungen nicht im Material, bringen vielmehr eine
fertige Weltanschauung ohne weiteres an schlicht
hingenommene Befunde heran, die doch zuvor wie
eine Nuß hätten geöffnet und zur Aussage gezwun
gen werden müssen. Der Bund zwischen Konvention
und Jargon ist leicht geknüpft. Besiegelt wird or
hauptsächlich in den paar Glossen und Abschnitten,
übereinstimmt. Sein Gewicht erhält der Gedanken
gang dadurch, daß er nicht wie eine These formu
liert, sondern der Empirie entnommen wird; Er er
gibt sich gleichsam als zwangläufige Folgerung aus
den Tatbeständen selber. Unter anderen Prämissen
führen zum Beispiel die Verkehrs- und Wohnverhält-
nisse von sich aus zu dem Schluß, daß planmäßiges
Wirtschaften eine Notwendigkeit sei. „Jedem unvor
eingenommenen ... Betrachter," meint Schwarz bei
. ihrer Schilderung, „wird, es sich aufdrängen, daß es
wirklich höchste Zeit ist, Plan und Formsin dieses
Riesenlabyrinth zu bringen...“ Und die Tätigkeit
des arbeitsphysiologischen Instituts charakterisiert
er durch die treffende Bemerkung: den Kapitalismus
dränge „seine eigene Entwicklung auch zur Akzeptie
rung und Praktizierung wissenschaftlicher Theorien,
die seinem eigentlichen Wesen und Wollen wider
sprechen“. Der Wert solcher Feststellungen beruht
weniger darauf, daß sie das Ziel planvoller Wirt
schaft verkünden, als daß sie es aus dem Gegenstand •
heraushören. Denn nur dio Bekenntnisse, die er
selber ablegt, sind einflußreich; nicht aber die Ideen
die ihm aufoktroyiert werden.
Die Bücher über das Industriegebiet häufen sich.
Sie gleichen nicht mehr jenen bürgerlichen Familien
romanen von Stratz und Konsorten, in denen Fabrik
schlote nur den malerischen Hintergrund für patriar
chalische Ereignisse bildeten und statt der Essen die
Seelen loderten, sondern beschäftigen sich vor allem
mit den technischen, ökonomischen und sozialen Ver
hältnissen im Kohlenrevier. Regers jetzt mit dem
Kleistpreis ausgezeichneter Roman und Hausers Re
portagen sind solche Tatbestandsaufnahmen. Ihre
mehr oder weniger deutliche Absicht ist: mit faulen
Ideologien aufzuräumen und wirkliche Zusammen-
hängn der verschiedensten Art sichtbar zu machen.
Ihnen reiht eich das Buch von Georg
Schwarz: „Kohlenpott" an (Büchergilde
Gutenberg, Berlin. 207 Seiten.) Es ist weder eine
unverbindliche Reportage noch eine konstruktive Ge
staltung, sucht vielmehr die Mitte zwischen beiden
und Sittenbilder, Gerichtssaalberichte, hi- die das offenbar weniger erfahrene Leben der Ober
Schicht kennzeichnen wollen. „In diesen Kreisen,“