^L^L-4L§
Zu Tretjakows Buchr „Feld-Herren".
Von S. Keaeauer§
Bor noch nW einem Jahr hielt Sergej Tretjakow im Werlegen/ däß sie den, Stoff nicht von irgendeinem Mehr oder
Rahmen einer Veranstaltung der Berliner „Internationalen weniger subjektiv bedingten Gesichtspunkt aus vorführen,. sondern
Bühne" einen Vortrag über, den n e u.e n Typus des Schrift-ihn verwandeln, indem sie ihn darbieten. Nun sind bei uns schrift
stellers. Er sprach zu einem aus Kommunisten und Nichtkom- stellerische Operationen nach Art dieses russischen Beispiels im
wunisten bestehenden Publikum, und. der Zweck der ganzen Zu- Augenblick nicht gut möglich.;, aber immerhin könnten die Bemü-
sammenkunst war ersichtlich die Aufklärung der.zahlreich anwesen-hungen Tretjakows manche unserer Wersten dazu anregen, ihr
den bürgerlichen Intellektuellen. Aber sei es nun, daß Tretjakow V er hält n i s zu r P ra xi s e i nma l gena u zu du rc hd en k en .
die deutsche Situation nicht kannte, sei es, daß man ihn falsch Es ist aus Gründen der Weltanschauung und der Haltung in den
u n t err i c ht e t h a tt e : di e po l em i sc h en Au s fäll e , di e er gegen di e meisten Fällen ein Mißverhältnis Man beschreibt die Realität,
deutsche Literatur und ihre Grundlagen unternahm, verrieten eine statt ihren Konstruktionsfehlern auf die Spur zu kommen; man
so l c h e Ah n u ngs l os i g M i c h se lb er zu m B e i sp i e l m i c h d ama l s weicht ins Aesthetische aus und versäumt dabei, die aufs Handeln
genötigt fühlte, in unserem Feuilleton wider seine noch dazu über-gerichteten Kräfte Zu mobilisieren; man treibt Metaphysik, wo
heblich vorgetragenm Angriffe Stellung zu nehmen (vergl. meinen man in die. Qekonomie hineinsteigen sollte usw. Immer dieselbe
Artikels „Anstruktionsstunde in Literatur" in der Reichsausgabe G esc hi c ht e . T re tj a k o w s Bu c h v ermag vi e l e S c h re ib en d e w en i gs t ens
vom April 1931). Nicht im Interesse des Fortbestands jener darauf aufmerksam zu machen, was unter der bitter notwendi-
schlecht epigonalen, süßlichen und politisch durch und durch frag- gen V ersc h me lzu ng v on Th eor i e u n d P ra xi s wi r kli c h zu v ers t e h en
würdigen Literatur, die heute, in den Zeiten der Kulturreaktion, sei.
Wieder-den deutschen Markt zu bcherrschen beginnt- sondern gerade Nicht mrtzuvoWehen ist allerdings der reichlich primitive
um ihrer Aenderung willen. Denn nichts erschwert solche Aende- K amp f, d en d er r u ss i sc h e Aut or gegen di e Ku ns t füh r t. E r
rungen mehr als eine bornierte Attacke, die ihr Ziel verfehlt und v er wi r ft a u c h di e zulä ss i ge u n d r i c hti ge , er sc hütt e t d as Ki rr d m it
d a du rc h d en G egner n u r noc h v ers t oc kt er mac ht. dem Bad aus. Auf dem Flug von Moskau zur Kolchose ertappt
I n zwi sc h en i s t, i n e i ner v on Rud o lf S e lk e ansc h e i nen d pra zi s er sich etwa dabei, wie er nach der Vater Brauch „künstlerische
besorgten Uebersetzung, Tretjakows Buch: „F eld - He r r e n" er- Bilder" assoziiert, die er abscheulich findet, weil sie rein das sub-
sc hi enen , d as d en K amp f u m e i ne K o ll e ktiv-Wi r t- jektive Gefühl des Landschaftskonsumenten ausörücken. Die von
schaft behandelt (MaM-Verlag). Es demonstriert unter anderem, oben gesehene buntscheckige Fläche erinnert ihn an eine Flickendecke
was uns sein Autor seinerzeit in Berlin nicht zu entwickeln ver- oder der „Pfad mitten durch ein blaugepflügtes Feld ist wie ein
mochte: den neuen Typus des Schriftstellers. Er ist gewiß nicht, S pr u ng i n e i ner S c hi e f er t a f e l". F or t d am it, sag t er zu s i c h se l-
wie die extrem linke Tretjakow-Gruppe, keineswegs im Einklang ber empört. Wer leider rächt sich die eben zitierte Poesie, die mir
mit der offiziellen Parteimeinung, behauptet, der einzige Schrift- üb r i gens k e i nes w egs di e ec ht e Zu se i n sc h e i n t, an ih rem bä r b e ißi-
stellertypuZ, der heute Gültigkeit zu beanspruchen hätte; aber er ist gen V er ä c ht er . D enn s i e läßt s i c h d en Hi na u s wu r f e i n f ac h n i c ht
darum doch von, einer außerordentlichen Wichtigkeit und verdiente gefallen, sondern schleicht sich durch die Hintertür schelmisch wieder
a u c h i n D e ut sc hl an d öff en tli c h di s kuti er t zu w er d en . herein und erobert stch doch noch Zin Plätzchen. So vergleicht einmal
Zu m U n t ersc hi e d v orn „i n f orm i eren d en " S c h r ift s t e ll er th p uZ Tretjakow, lange nachdem er allen nichtsnutzigen Bildern den
nennt ihn Tretjakow Lsn „operierenden". Seme Misston Garaus gemacht Zu haben glaubt, die Rippen eines hageren Rei-
ist: nicht zu berichten, sondern zu kämpfen; nicht den Zuschauer t ers m it Kl a vi er t as t en u n d s t e llt e i n ^d erssma l, w en i ger t re ff en d,
Zu spielen, sondern aktiv einzugreifen. Am besten bestimmt ihn f es t, d a ß e i n i ge Mä nner „i n d a ß G e wi mm L d er W e ib er wi e i n
Tretjakow selber durch die Angaben, die er über seine eigens ein schreckliches Eisloch" spranM. Wenn das keine Poesie sein
Tätigkeit macht. Als 1Z2F, in der Epoche der totalen KollMvi- so ll! D er ems i ge MilL er u ngsgr u n d fü r ih re hi er u ner wü nsc ht e
siLWRZ der Landwirtschaft, die Parole: „Schriftsteller m die Existenz ist- daß sie unserem Bilderstürmer offenbar unbewußt
Kolchose l" emsgegeben wurde, fuhr er nach der KorrmMne: ,Kom- k omm t.
rn MW sc h er L e u c hftu rm " u n d ncc h m HM wU ren d Zw e i er M ngsrsr Die HemuHWwg dieses Widerspruchs erfolgt zu dem einzigen
Aufenthalte folgende UAeiten in Angriff: Einberufung von Zweck, um eine falsche Ideologie Zu korrigieren, und ist keineswegs
Massenmeetings; Sammlung von Geldern firr die Anzahlung auf als ein Einwand gegen die Sprache Tretjakows
Traktoren; UeberredunZ von Einzelbauern Zum Eintritt in die Mlichs, schnittige Sprache, die ihren Gegenstand scharftrifft. Und
Kolchose; Inspektion von LeseHütten; Schaffung von Wandzeitun-welch einen Gegenstand! DaMstM ist in dem Buch nichts Ge
gen Md Leitung der Kolchos-Zeitung; Berichterstattung an ringeres als eine Phase aus dem ungeheuren Umw
MoskauZr Zeitungen; Mnführung von Radio und Wanderkinos der sich in Rußland seit über einem Jahrzehnt vollzieht. Die
usw. Kurzum, dieser Schriftsteller neuen Stils ist ein PraWer. KollskLivtsierung der Bauern und der land
Einer, der sich an irgendeiner Stelle in dm Produktionsprozeß wirtschaftlichen . H e t r i e L e: dieser Vorgang, her zugleich
mit eistgliedert, statt ihn nur von fern zu betrachten, und die in ein Kampf gegen die Wherige NMr des Menschen stst, wird von
ihm gemachten Erfahrungen nicht zu Kunstwerken verdichtet (die einem aMvm Kombattanten so deutlich vergegenwärtigt, daß man
hier gewissermaßen als privater Konsum angesehen werden),.sie ihn durch alle Etappen hindurch witverfolgen kann. Um so mehr,
vielmehr in Gestalt vouKrW, Aufmunterung und organisato-M Tretjakow den Lesern leinen blauen Dunst Vormacht, soMsrn
rischen Mrsch.^ ,wieder dem/ Produktionsprozeß zuführt. Das dank seiner Tätigkeit an der Front die Angelpunkte des Prozesses
Buch Bon LrM M' tn 'der Eatz ö die Weitere genau kennt ükd M Mischen' Analysen nicht spart. Er. legt wieder--
Durchbildung der KoUWv-MrtschE seim " 'M dm Finger auf die der MMaLL^ ohm
Die Einseitigkeit, mit der dieser Schriftsteller verfährt, ist zu beschönigen, die gewaltigen Schwierigkeiten, die der Versuch zur
vielleicht beschränkt, hat aber unter allen Umständen einen hohen Aufh e bu ng d es bäu er li c h en F am ili enego i sm u s b ere it e t, u n d g ibt
Gebrauchswert. Auch für die Entwicklung des Schrifttums in sich nicht der geringsten Illusion darüber hin, daß dieser private
Deutschland. Denn obwohl die Anschauungen Tretjakows Egoismus einem Aum minder bedenklichen KollMvegpiZnms
schon deshalb keine unmittelbare Anwendung auf unsere Verhält- weicht, den es ebenfalls auszmotten gelte. So wenig ich dazu im-
nisse dulden, weil wir uns ja nicht im Stadium des sozialistischen stande bin, die Auskünfte des Buches zu kontrollieren, so bestimmt
Aufbaus befinden, lassen sie sich doch zur kritischen Auseinander- kann ich doch versichern, daß es ein eingreifender und methodologisch
setzung mit verschiedenen literarischen Aeußerungsformen be- l e h rre i c h er O pera ti ons L e r i c ht i s t, d er s i c h se h r zu se i nem
nutzen, die Lei uns heimisch sind. Vor allem mit der Form der V or tE v on s ä m tli c h en I mpress i onen - d er Sy s t emgegner u n d d er
Reportage: Ihren Methoden sind die Tretjakows dadurchschlachtenbMmelndm...