Spionage im Krieg
8.. L r Le Lusr.
oder „Horck" den Krieg direkt anspricht, setzt er ihn doch als eine
gar nicht zu diskutierende Selbstverständlichheit voraus. Schlacht
felder und Maschinengewehre gehören zu seinen Requisiten, und
beinahe die einzige Zivilperson, die in ihm vsrkommt, ist ein
Kriminalkommissär, der ebenfalls zu militärischen Zwecken be
schäftigt wird. Man mag einen solchen Tatbestand durch die Er
klärung zu rechtfertigen suchen, daß es im Weltkrieg ebenso aus
gesehen habe. Aber diese Erklärung ist ungenügend. Aus zwei
Gründen: Erstens ist es im Weltkrieg bestimmt niemals so
unwahrscheinlich und romanhaft Angegangen wie in dem Film
reißer, und zweitens kann man überhaupt nicht den Krieg einfach
zum Hintergrund erniedrigen und ihn gar noch als Anreiz für
irgendein Sensationsstück verwenden. Entweder macht man den
Krieg, in der Absicht, sich mit ihm auseinanderzusetzen, zum
Hauptgegenstand eines Films, oder man läßt ganz die Finger
davon. Ihm eine Nebenrolle zuschieben wie hier heißt aber von
vornherein: ihn anerkennen, ihn unserem Alltag einverleiben.
Ich bezweifle nicht, daß der Film auf viele unkritische Zuschauer in
diesem Sinne wirkt. Sie fressen die Spionageaffars und schlucken
mit ihr zugleich ahnungslos das Kriegsleben herunter. Bis es zu
letzt Zu ihrer Mtagsnahrung wird, bis sie sich eines Tages nicht
mehr darüber verwundern, einen wirklichen Krieg mitzumachen,
der dann sicher von Anfang bis zu Ende verfilmt werden wird.
Vielleicht ist den Filmherstellern nicht einmal deutlich bewußt,
was sie mit einem solchen Film anrichten. Gerade darum besteht
die Pflicht, es ihnen und den Konsumenten zu sagen. Wobei ich
mich nicht m dem Wahn wiege, die Produktion Zu verbessern,
sondern sie nur ein wenig zu entgiften hoffe. Damit sie nicht
unter falscher Flagge segeln kann.
Berlin, im Februar.
Seit einiger Zeit florieren die Spionagefilme, und
jeder weibliche Star — die Garbo, die Dietrich usw. — muß
Mindestens einmal Spionin gewesen sein. Je anspruchsvoller sich
diese Filme gebärden, desto schlechter endigen sie gewöhnlich. Das
heißt, die Starspionin geht mit dem Tod ab. Einmal darum, weil
ihr Tod dem ganzen Film die Weihe einer Schicksalstragödie gibt,
was als sehr attraktiv und vornehm gilt. Zum andern darum,
weil das tödliche Finale ausgezeichnet Zur Verklarung des Liebes
erlebnisses der Heldin dient. Ohne Liebe wäre aber eine Film-
star-Spionin ein Dreck. Und was konnte die Größe ihrer Leiden
schaft besser ausdrücken als dies: daß sie für den Geliebten sich
ausopfert und stirbt? Sie läßt ihn in der Regel entwischen und
muß dafür als Verräterin den Tod erleiden. Zwei Fliegen wer
den durch ihn mit einer Klappe geschlagen.
Auch der neue Spionagefilm der Ufa: „Unter falscher
Flagge" benutzt natürlich den Todeseffekt. Ein von Johannes
Meyer sehr geschickt inszenierter Reißer, der so viele gerissene
Tricks aneinanderreiht, daß man unwillkürlich auf die Vermutung
gerat, es handle sich in dem Film um die konzentrierte Dar
stellung sämtlicher moderner Spionagemethoden. Die Spannung
allerdings wird durch diese Häufung von Wachsabdrücken, Ge
heimschriften, Grammophonplatten mit doppeltem Belag usw.
eher vermindert; denn bald schlägt ein Kniff den nächsten tot,
und man stumpft nach und nach ab. Um so mehr, als man schon
Lange vorher weiß, wie die primitive Geschichte sich weiter
entwickelt.
Es lohnt sich nicht, von dem Film ausführlich Notiz Zu
nehmen, beförderte er nicht mittelbar die Gewöhnung an
Kriege. Ohne daß er wie „Das FlotenkonZert von Scmssouei"