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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Uevolutionäre Arkdmontage. 
K. LrToLUtzr. 
nisse kunstgsmäß zu montieren. 
nicht den Gesetzen entziehen, die den allgemeinen Warenaustausch 
regeln, 
Reihe von Arbeiten, die konstruktivistische Elemente zu Dar 
stellungen revolutionierenden Inhalts zu verwenden suchen. Ein 
Blatt-'zum Beispiel, das den Titel „Klassenjustiz" trägt, zeigt 
einen schematisierend in den eine Göttin der Ge ¬ 
rechtigkeit hiNLingesetzL ist, deren Erscheinung aus einem mit 
Börsenkursen bedruckten Zeitungsfetzen besteht. Andere Blätter 
veranschaulichen ähnliche Erkenntnisse. So wird gegen den Krieg 
durch eine Bildmontage amputierter Glieder gekämpft und gegen 
die heutigePt durch ein Matt, auf dem eins von . 
einer behandschuhten Hand' gehaltene Stoppuhr mit einer Kom 
bination aus ArbeiLerfäusten und Maschinenteilen Zusammen 
montiert ist. Ich darf mich mit diesen Angaben um so eher be 
gnügen, als die Mehrzahl der Themen nach demselben Prinzip 
behandelt wird. Daß die ihm entspringenden Werke einen Zug zur 
Allegorie haben, geht besonders deutlich aus einer großen Arbeit 
hervor, die in rein allegorischer Weise den gesamten Kapitalismus 
(Wannte Herstellerfirmen, Institutionen usw.) in einem Panzer 
turm unterbringt, dessen Kanonenrohre streikende ArSeitermassen 
bedrohen. Ein paar Blätter unterscheiden sich von den übrigen 
dadurch, daß sie auf die direkte Aktion verzichten und sich mit der 
Wiedergabe des durchrationalifierten Arbeitsprozesses begnügen. 
Sie vergegenwärtigen mit Hilfe fein gezogener Konstruktionslinien 
das FnZmandergreifen von Uhren, Kränen, Hängebrücken, Straßen, 
Arbeitern^ Hochbahnen usw. 
Beantwortung durch zuständigere Besucher vorwegnehMÄr K 
wollen, möchte ich doch mit einigen Bemerkungen an sie an 
knüpfen. Der Versuch, eine Künstübung, die einmal als fort 
schrittlich galt, nicht, einfach beiseite M M 
die eigenen Zwecke gewissermaßen auszurauben, ist unter allen 
Umständen richtig und fruchtbar- Das konstruktivistische Verfah 
re war eine Kapitulation der ErlebnisLunst vor der unpersön 
lichen Technik. Es entthronte das in seiner Zufälligkeit durch 
schaute Ich und unterwarf es einer Schöpferkraft, die ihm ob 
jektiver und maßgebender schien als die des anarchischen Indi 
viduums. Alle konstruktivistischen Werke sind bewußt ausdrucks- 
feindlich und Zerstückeln das Ich, um mit seinen Teilen wie mit 
Kleinholz die Maschinen einzuheiM, M sie verherrlichen« Die 
vier Aussteller nun heben das vorn Konstruktivismus Begon 
nene im bekannten HegeMen' Doppelsinne auf/ Sie vernichten 
zunächst die konstruktivistische These, die der Technik gibt, was 
ihr nicht ZukommL, indem sie durch ihre Arbeiten- den Nachweis 
erbringen, daß die heutige Handhabung dieser Technik die glei 
chen anarchischen Zustände W wie das . um ihrer- 
in die proletarisch-revolutionäre Kunst überzuführen. Vonihrem grundlos .zu schlagen. Manche Arbeiten sind. weniger durchM 
Bemühen soll die Ausstellung zeugen. Sie enthält in der Tat eine ja . soga. abwegig, aber die meisten sind doch, was sie alle / sein 
Die letzte Frage des Fragebogens lautet: „Wieweit ist der 
dialektische Uebergang vom Konstruktivismus zur proletarischen 
Kunst von den Künstlern... bereits gelöst worden?" Ohne ihre 
ja . soga. abwegig, aber die meisten sind doch, was sie alle / sein 
wollen: , auf dm Stand der.sozialistischen Lehre gebrachte Mon 
tagen, die den Konstruktivismus lrgmdkren und reLten^^ . ^ 
Berlin, im Februar. 
Vier Künstler: Albrecht, Fuhrmann, Lex und Nilgreen, haben 
eine Ausstellung „Revolutionäre Bildmontag e" ver 
unstaltet, deren Bestimmung es nach dem Katalog ist, „als Waffe 
rm Klaffenkampf Zu wirken". Ihre Aufmachung entspricht jeden 
falls diesem Ziel. Sie wird im Treppenhaus und einem Flur des 
Klubhauses „Graphischer Block" gezeigt, in dem offenbar irgend 
welche Parteibüros untergebracht sind, und alle Leute, die diese 
Büros aufsuchen, müssen an ihr vorbei. Um den Kontakt zwischen 
ihr und den Betrachtern noch enger Zu gestalten, fordern die Aus 
steller ferner die Kritik der „werktätigen Öffentlichkeit" durch 
Frag e L s g e n heraus, in denen unter anderem gefragt wird, 
ob die Ausstellung gefalle oder mißfalle, ob man sie für richtig 
Kalte, was an ihr etwa Zu ändern sei usw. 
Diese Vorkehrungen mögen als äußerlich erscheinen, gehören 
aber faktisch schon zum Gehalt der Veranstaltung. Da es ihre Ab 
sicht ist, zur Veränderung des Alltags beizutragen, begibt sie sich 
in den Alltag hinein; da sie den Grundsatz kollektiver Arbeit an- 
erkennt,/nötigt ste, durchaus folgerichtig, die Beschauer, an die sie 
Mehr allerdings nicht. Ohne daß ich einen Mangel' an Be 
gabung mit in Rechnung bringen möchte, bin ich festzüstellen ge 
nötigt, daß das Gros der Blätter — sei es aus Gründen der 
konstruktivMchen Herkunft, fei es infolge des selöftgewählLen 
Zieles von geringer Durchschlagskraft ist. Diese Arbeiten öe- 
schränken sich darauf/ dem Werktätigen Erkenntnisse zu 'vermit 
teln, die ihm auch auf andere Weise Zugeführt werden; während 
es ihre Aufgabe^ nich^ 
zu wiederholen, sondern sie. so zu montieren, daß die Gestalt der 
Bildmontage sich sinnfällig einprägt.. Dann er^ 
die Blätter wirkkch den vollen Gsbrauchswert, den sie in der 
vorliegendm Form noch nicht haben, weil sie in Erkenntnisse 
sinmündm statt diese zugrunde zu legsm Es.fehlt ihnM etwas, 
das man -als den Ueberschuß über die LheorsLischs 
Erkenntnis bezeichnen kann; ich meine jenen Ueberschuß, 
der sie aus (an sich unnötigen) Erkenntniß-ZllustraüonM zu not 
wendigen optischLR Verkörperungen von Erkenntnissen machte. 
Damit ist nicht ihr Wert als Uebungen, wohl aber ihre Wirkung 
bezweifelt- Ich glaube beinahe mit Bestimmtheit 
dürfen, daß auch die Besucher, auf die es qnkomm^ dnrch die 
Ausstellung nicht eigentlich aktiviert werden, sondern in ihr- nur 
das bereits von ihnen begrifflich Gewußte vorfinden und nicht 
eins neue herausfordernde Form des Gewußten. Die vier Künst 
ler haben den Konstruktivismus Zu Montagen sozialistischer Er 
kenntnisse verwandt; ihr nächstes Ziel müßte sein: diese Erkennt 
dem schlechten Milieu wegtransportierr, in dem sie verkamen, 
und einem Bedeutungswandel mrtLrZsgsn/ Das ist ökonomW 
gedacht und.dialektisch gehandelt. 
Die Art, in der die Künstler sich der betreffenden MeM 
neu bedienen, ist im großen und ganzen stimmig. Zum mindesten 
- ^//v - . O . . .. / in theoretischer Hinsicht. Das Netz der Konstruktionslinien 
. . . .. versandet nicht langer im Kunstgewerbs, erhält vielmehr die be- 
Me-Aussteller kommen nach ihrer eigenen Erklärung vom absichtigte klassenLämpf^ die Technik wirb der 
Konstruktiv her und sehen es als ihre Aufgabe an, Gesellschast zugeordnet und hat damit aufgWrt, Selbstzweck Zu 
diesen, den sie als „bürgerliche Richtung der Kunst" kennzeichnen,/ sein; die Uhren weisen auf /eine bestimmte .Stunde hin,, statt 
sich wendet, zur Diskussion. Andere Kunstbegriffe, andere will en d om K on t gs Lll g t ese lb s th er E W. W er 
Methoden. Die bisherige Malerei kommt den Menschen nicht auf sie lehnen .darum den Konstruktivismüs doch nicht völlig ab, son- 
ihrem Weg zur Fabrik oder Zum Büro entgegen, sondern lädt ste dern betrachten ihn als eine die man benutzen muß, und - 
in abgeschiedene Räume ein, die weitab von der Heerstraße liegen. h o l en d as B en utzb are zu s i c h h er üb er . D er AbbM 
A n d d ann üb er läßt s i e d as Publiku m s i c hf e lb er , o h ne e i ne Pl a tt- -Persönlichkeit, die Anerkennung der Technik als solcher usw. H 
form herzustellen, auf ihm Empfundene > und das von alle brauchbaren konstruktivistischen Uemmte . 
den Künstlern Gewallte.sich wechselseitig, kontrollierte. So muß es 
auch Mn. Denn einmal ist das meiste, was uns al^M 
geboten wird, noch immer ein Produkt idealistischer Welt ¬ 
anschauung, und zum anderen kann sich natürlich die Ware Kunst
	        
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