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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Einige Mme. 
wechselungsgeschi^ englischen Lord, den sie aber lange 
mn nur noch Kontrastwirkungen, Licht- und SchaLLeneffekte usw. 
ubrig Zu lassen. So jedenfalls verfährt er in dem einen der Filme, 
der sich darauf beschränkt, verschiedene KonstruktionselemenLe wie 
Kugeln, Spiralen, gestanzte Bleche, polierte Röhren und Teile 
komplizierter Apparaturen in Photo graphisch günstige Situationen 
zu bringen. Es ist nicht zu leugnen^ daß hierbei wunderschöne 
Formenspiele entstehen. Glanzlichter und Schrauüenschatten durch- 
grundes enthoben, sind sie nur bedeutungslos schön, ohne sonst 
die genngste Funttion cM es fei denn die, durch ihr 
bloßes Dasein die Fülle der Chancen anzudeuten, die unsere hell« 
duMe Welt dem Filmoperateur M von großem arti 
stischen Interesse, aber eine WerDatw deren öffent ¬ 
liche Vorführung unter Umständen Verwirrung stiftet. Denn diese 
abstrakte Kunstübung kann ebenso gut als Studie des Avantgarde- 
Künstlers/aufgefaßt werden wie als Flucht vor der Auseinander 
setzung mit den Gegenständen und Sachproblemen, die uns be 
drängen. Der epigonale deutsche Idealismus z. B. ist kaum noch 
etwas anderes als eine solche Flucht ins Abstrakte und verhält 
sich denn auch der Wirklichkeit gegenüber reaktionär. Zum Glück 
scheint sich Moholy-Nagy der mit der rein formalen Kunsibetäti- 
gung verbundenen Gefahren bewußt Zu sein. Sein anderer Film 
behandelt das Thema Marseille. Und zwar durchschweift er 
die Stadt nicht wie ein Genießer, sondern nimmt sich vor, das 
soziale Elend in ihr zu beleuchten. Eine Menge von Aufnahmen 
aus dem Hafenviertel sind aneinandergereiht, und fm Gassen- 
perspektivLn, verwüstete Gesichter und Zerlumpte Figuren häufen 
M dicht: Der Eindruck ist um so stärker, als auch der Gegensatz 
zwischen der menschlichen Not und dem Naturzauber des Südens 
offenbar wird. Wenn die. Bilder ihre Absicht doch nicht erreichen, 
so ist der Grund hierfür der, daß weniger Gewicht auf die Ver 
deutlichung des Elends als auf die Auswertung seiner malerischen 
Wirkungen gelegt wird. Das Mosaik spult sich auch so rasch , ab, 
daß nichts recht haften bleibt Dotalbilder hatten öfters die Zahl 
reichen kleinen Ausschnitte unterbrechen müssen, und eine zeit 
weilige Verlängsamung des Tempos wäre entschieden Zweckdien 
lich gewesen. 
gähnend leer ist und die aus dem Lautsprecher strömenden Melo 
dien von Berlin gesandt worden sind. Der. ganze .M über ¬ 
haupt mit Witz verfertigt, und das gebrochene Deutsch von Georg 
Alexander Hort sich echt amerikanisch an. 
Peinlich dagegen ist das andere OperettenfabrM 
einem A u L o", für das Joe May verantwortlich zeichnet. Eine 
WarenhausverNuM gerät durch, ein . Inserat und eine Ver- 
Wunschträume. 
Die weibliche Angestellte, die mit einem Schlag ihrer Berufs 
Misere entrückt wird und als Frau irgendeines Millionärs in die 
höheren Sphären und Schichten einZieht: dieses durch die Wirk 
lichkeit inzwischen reichlich desavouierte Thema behauptet sich merk 
würdigerweise immer noch in den Filmen. Zwei Operettenfilme 
auf einmal wandeln es neuerdings ab. Der eine: „E inbißchen 
Liebe für Dich.. dessen Musik von Paul Abraham 
stammt, ist allerdings ein so nettes Boulevardstück, daß man ihm 
die soziologische Fahrlässigkeit schließlich verzeiht. Viag die Privat- 
sekretärin immerhin den amerikanischen Autokönig kriegen — der 
Film macht gleichsam zum Entgelt für ihren Anstieg manche 
Schäden wieder gut, die andere Operettenfilme angerichtet haben. 
Er persifliert nämlich amüsant und nicht ohne Geist jenes Film 
wien, das mit seinen süßen Mädels, - seinem Grienzing usw. 
nachgerade Zu einer von der FilmLnduM ausgesogmen Tmum- 
Vielfaches übertrifft. Die Reise wird schwül und schwüler, der 
Lord reich und reicher, und die Verkäuferin endigt als Mylady und 
Herrin eines Riviem-Schlgsses. Ich weiß nicht, ob sich heute, noch 
viele weibliche Angestellte durch solche Filme zu unwahrscheinlichen 
Hoffnungen bestimmen lassen. Aber ich weiß, daß dieser Schlager 
film roh und erbärmlich ist. Er verkuppelt das Glück eindeutig an 
die hübsche Figur; er spiegelt Zustände und Prachtperspektivm 
Wider, deren gerade die niemals habhaft werden können, denen er 
sie bedenkenlos vorspiegelt; er profitiert von der Sehnsucht breiter 
PublikumZschichten, die er durch die brutale Spekulation auf ihre 
Begehrlichkeit nicht nur noch unzufriedener mit ihrem Dasein 
macht, sorwern auch noch unfähiger, es wirklich zu ändern. (Roma-. 
nowsky als Buchhalter: eine Gestalt von hinreißender Komik.) 
P a r i s — B e r l i n. 
Julien Du visier, der Regisseur des David Golder-Films, 
hat ein Lustspiel: „Hallo, hallo —hier spricht Berlin" 
verfaßt und gedreht, das wie die vorigen Filme seine HauptpoinLen 
aus Verwechslungen bezieht. Die Menschen, besonders die An 
gestellten, scheinen immer leichter verwechselt werden zu können. 
Ein Berliner Telephonist verliebt sich in die Stimme einer 
Pariser Kollegin und fährt nach Paris, um die deittsch^ 
Annäherung zu vollenden. Berufsgenossen und Berufsgenossinnen 
schalten sich aber dazwischen, so daß die gewünschte Verbindung 
nicht zustande kommt. Erst in einem Berliner Tanzlokal finden 
sich ganz am Schluß beide Partne^ von TWLeWhH 
Diese Irrungen und Wirrungen,. deren Entwicklung, auf der an 
sich glücklichen Tonfilm-Idee beruht, zwei Sprachen miteinander 
Zu konfrontieren, verlaufen unter ermübeMn -M 
und groben Späffen. Wenn man schon die Nationen-/zusammen- 
bringen will, dann sollte man sich nicht so billiger Mittel und 
besserer Typen bedienen. Die eine Französin ist so aufdringlich 
wie irgendein internationales Mädchen, und die beiden Deutschen, 
die ihrem verliebten Kollegen zuvorkömmen, benehmen in 
Paris täppisch und unerzogen. Ümsonsi versucht Duvivier, die 
spielerische Art Rene Clairs einzuholem Er wird massiv, wo er 
leicht sein müßte, und mixt im Bestreben, das Berliner, und das 
Pariser Publikum , gleichzeitig zu erheitern, Ingredienzien zu« 
sammen, deren Gemisch weder hier noch dort anzusprechen vermag. 
Am besten gelungen ist ihm unstreitig die Satire auf eine Fremden 
rundfahrt durch Paris. Oper, Madeleine und Eiffelturm werden im 
Handumdrehen abgemacht, und die Fremden, die wie der Blitz 
vorbeischießem nehmen nur Bruchlücke- der Monumente in ihr 
Bewußtsein auf. ' ' 8. Lraeaus rl' 
- ' ' Berlin^ Mitte-März. kolonie geworden ist, die in M mehr an ihr Urbild er ¬ 
- A.b.st r a/k t'e -K-u n st. - ' innert. Natürlich will ihr der Amerikaner in Wen selber wieder 
M s h s l t zs N agy i s t, w i e se i ne b e id en i n d er K amem ge - begegnen. So steht er einmal verzückt vor einer kleinen Kneipe, 
z e i g t en Müt c h en wi e d er e i nma l b e w e i sen , em a uß eror d en tli c h er aus der Heurigenmelodien erklingen, und glaubt schon, das in . 
Hollywood geprägte Ideal herrlich bestätigt zu finden. Nach 
oograp : m esen unerrce eraes egensnce , feinem Eintritt muß er dann enttäuscht bemerken, daß das Lokal 
dringen einander, und das ganze mechanische Getriebe bildet, bom 
Zwang der statischen Gesetze befreit, eine Folge sehenswerter Or- 
namMs, die den imaginären Raum in stetem^ Wechsel erfüllen. Zeit für den einfachen Buchhalter auf 
Allerdings fehlt - ihnen Zweck, und ' Sinn. Ihres - stofflichen Unter- d essen I nsera t s i e gean tw or t e t h a tt e . D er u ner k ann t e L or d u n d 
sie machen nun eine Autoreise nach Monte Carls zusammen, deren. 
Glanz die kühnsten Wunschträume törichter Lei^ um ein
	        
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