Gnde eines Mmlieöüngs.
Berlin, Anfang Juli.
Vor wenigen Monaten noch war auf dem Aushang eines Kon
zertcafes am Zoo zu lesen, daß Bruno Kastner in diesem
Lokal gastiere. Wer um seinen früheren Ruhm wußte, konnte nur
mit einer Empfindung der Trauer dem gefeierten Namen in einer
solchen Umgebung begegnen. Er selbst hatte alles versucht, um das
Abgleiten in die Anonymität zu verhindern. Durch den Tonfilm
und die geheimnisvollen Wandlungen der Mode außer Kurs ge
kommen, war er zum Theater zurückgekehrt, von dem er einst
seinen Ausgang genommen hatte, doch das Glück blieb ihm dort
fern. Es ergibt sich selten denen, die, nachdem sie groß gewesen
waren, zum zwerten Mal klein beginnen wollen. Nun hat er
die letzte Folgerung aus seinem Mißgeschick gezogen und sich
in einem Hotelzimmer in Kreuznach erhängt. Es soll nicht Geld
not gewesen sein, die ihn zum Strick greifen ließ.
Bis in die letzten Jahre des stummen Films hinein war er ein
Publikumsliebling wie kaum einer nach ihm. Er spielte jenen
Typus des Hochstaplers, dessen Handlungen, so tadelnswert sie
auch sein mögen, diese schlecht ausbalancierte Welt wieder etwas
ins Gleichgewicht bringen. Er spielte den Gent, der charmiert.
Und er spielte, wann immer er auf der Leinwand erschien, den
Liebhaber, der die Herzen der Frauen betörte. Verübelten sie es ihm,
wenn er bei ihnen einbrach und sich mit ihrer Schmuckkassette ent
fernte? Nur um so stürmischer wandten sie sich ihm dann zu.
Denn er war von einer Eleganz, die jeden Einwand verstummen
machte, und trug auch in den heikelsten Situationen ein Benehmen
zur Schau, das im Verein mit seinem Smoking unbeschreiblich ent
zückte. Die Wirkungen, die es hervorrief, verdoppelten sich, so oft
er lächelte und seine wundervollen Zahnreihen entblößte, die herr
licher als alle von ihm gestohlenen Perlenhalsbänder blitzten.
Kein Wunder, daß er dieses Lächeln häufig benutzte. Wenn er aber
einmal nicht lächelte, verkörperten seine Züge den Ernst von
Knabenhelden in Kolportageromanen — einen Ernst, der nicht
schwül war, sondern sachlich und verschlossen wie der eines Ritters.
Und vielleicht war es überhaupt seine stets durchgespürte Ritter
lichkeit, um derentwillen man für ihn schwärmte.
Wie ein Schlager verschwand er dann plötzlich und ohne viel Auf
hebens von der Bildfläche, die ihm die Welt bedeutete. Anders
Lieblinge kamen herauf, die nicht mehr waren als er, aber der
unergründlichen Laune des Publikums besser entsprachen. Und
kaum hatte das Jublikum ihm den Rücken gekehrt, so teilte er
das Los aller Lieblinge, der vergangenen und der künftigen:
sein Glanz geriet nicht nur in Vergessenheit, sondern fiel überdies
von ihm ab. Denn diesen Glanz besaß er von Gnaden der Menge,
und als sie ihn von sich stieß, nahm sie den Glanz mit sich fort.
Darum blieben auch seine späteren Bemühungen vergeblich. Er,
der nicht aus sich selber leuchtete, war um jene Aura geprellt, an
der ihn die Menge wiederzuerkennen vermocht hätte, und hatte
mit dem vergötterten Bruno Kastner nur noch den Namen gemein.
Es muß ihn zu Tode gequält haben, daß er weiter lebte und zu
gleich schon gestorben war.
Vor seinem letzten Abschied aus Berlin soll er geäußert haben,
daß er nicht zurückzukommen gedenke, da er vor dieser Stadt
einen Ekel empfinde. Die Grausamkeit Berlins, die um so schlim
mer ist, als niemand ihre verborgenen Zwecke errät, hat ihn jetzt
endgültig in den Tod getrieben und auch den Ekel besiegelt. Wie
er zur Zeit seines Ruhmes beschaffen war, vermag kein Bild
mehr zu zeigen. Auf den Ansichtskarten, die ihn dem Gedächtnis
erhalten möchten, tritt er dem Beschauer als eine Gestalt von
leicht doofer Süße mit schimmernden Zähnen entgegen.
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