NaüomMemng und Wmerwett.
Berlin, im Januar.
Sie entläßt ihn gewissermaßen aus sich, und. das Ziel
überhaupt.
ist offenbar die Einheit alles Tönenden
Zurück.
Clairs
ist. Wie kaum ein anderer Regisseur hat'heute Rene Clair die
Kunstmittel des "Tonfilms in der G^ Er denkt in BWern
und Tönen, er produziert Ideen, die nirgends sonst Bestand haben
als eben auf der Leinwand. Der neue Film bedeutet durch die
Art und Weise, in der er das gesprochene Wort verwendet, wieder
einen großen Fortschritt. Es ist' keineswegs ausgeschaltet, wird
aber so eingesetzt, daß man es versteht, auch ohne es zu verstehen.
Der Wortsinn erklärt nämlich nicht die Situation, sondern um
gekehrt: diese, die sich rein Vildmäßig erschließt, führt zu dem
Wortsinn hin. Da so der tönende Film schon beinahe - die inter
nationale Faßlichkeit des stummen erreicht, ist mit Rocht auf das^
Hineinkopieren der deutschen TeKZ verzichtet worden.^ Wie sich von
selbst verstebt, tritt der Dialoa hinter der musikalischen Illustration
der Leiden-
von Robert Lieb
Der Janmngs-Wm der Ufa: „Stürme
s ch a f L" ist ein Unterwelfftück aus der Werkstatt
In seinem neuen Film: „Es Lebe bis Freiheit!^ der
vor kurzem im Mozartsaal uraufgeführt wurde, entwickelt Renä
ClaLr die Handlung nicht aus dem Milieu oder aus bestimmten
Situationen, son^rn umspielt satirisch das Thema der Ratio
nalisierung. Ein PrMemstück also; aber eines, das sich ein
wenig leichtfertig mit seinem Problem auseinandersetzt. Eine
Glanzfabrik im Stil von Le Corbusier ist aufgebaut, in der die
Arbeiter am laufenden Band Schallplatten fabrizieren, und der
Witz besteht nun darin, daß das Dasein dieser Arbeiter fortwährend
mit dem von Gefangenen verglichen wird. Die Persiflage der Me
chanisierung wäre noch htnzunehmen, stellte nicht Rene Clair dem
Leben im rationalisierten Betrieb die VagabondagZ als Ideal gegen
über. Wahrhaftig, die beiden Helden, denen die Aufgabe zufällt,
das laufende Band aä sksuräum zu führen, sind moderne Eichen-
Lorffsche Taugenichtse, die auf der Landstraße wandern, im Gras
lregen und sich unsterblich verlieben. Durch solche romantische Träu
merei die Rationalisierung aus den Angeln heben zu wollen, heißt
aber eine ernste Sache gar zu heiter betrachten. Renä Clair hätte,
wie mir scheint, besser Lamn getan, die Finger von einem Problem
Zu lassen, das keinen Spaß verträgt. Der einzige Milderungsgrund
für sein gewagtes Unternehmen ist vielleicht der, daß er als Fran
zose nicht zu ermessen vermag, wie Lief der mechanisierte Arbeits
prozeß in unseren Alltag erngreift und wie unbefriedigend daher,
um nicht Zu sagen verstimmend, dieses poetische Geplänkel auf uns
wirken muß. Jedenfalls beweist der Film unzweideutig, daß Franko
reich auch heute noch die Oase Europas ist.
Immerhin, Rene Clair hat Geist, und an vereinzelten Stellen
trifft seine uns wenig betreffende Satire ins Schwarze. Vor allem
dort, wo er drastisch zeigt, daß unter den herrschenden Umständen
durch die leiseste menschliche Regung der ganze sinnreich ausge
klügelte Arbeitsvorgang ins Stocken gerät. Einer vergißt einen
Augenblick, daß er nur eme Teilfuukrisn auszuführen hat: sogleich
hört das lausende Band auf Zu laufen, eine allgemeine Balgerei
entsteht, und die schöne mechanische Ordnung verwirrt sich unreck
Kar» Reizend ist auch der Hohn, mit dem die unbesonnenen Lob
redner der Rationalisierung bedacht werden. Rene Clair nimmt sie
Leim Wort und schildert mit einem feinen Lächeln das Leben der.
durch die vollkommene freigesetzten Arbeiter wie Zm
ewiges Feriendasein in paradiesischen Farben.
Überhaupt hält das Spielerische dem Problematischen nicht nur
Ke Waage, sondern überstrahlt es Zum Glück. In der scharmanten
Gloffierüng des Spießbürgertums, der Mittelmäßigkeit, der Kon
ventionen und des QffiZiellm hat dieser Künstler-Regisseur seine
Stack. Auch jetzt wieder ist er reich an blendenden Bildemfäüen
solchen Inhalts. Die Gesellschaft beim Generaldirektor, die Feswer-
sammlung, deren würdige Teilnehmer auf einmal ihre Würde ver
lieren und die herabftrömenden Geldscheine gierig raffen alle
diese Szenen sind mir einer wunderbaren Grazie gestaltet. Sie em-
stofslicht die grobe Körperlichkeit und verwandelt das Geschehen in
eine Arabeske, die heiter, ironisch und schwerelos dahinschwingt. Es
ist, als werde ein plumpes Rüffeltier mit einem Zauberstab unge
rührt und Lanze dann leichtfüßig wie eine Fee.
Eine Befreiung von der Materie, die nicht Zuletzt der Herr
schaft über das Material und den technischen Apparat zu danken
mann und Hans Müller. Die beiden Autoren haben einen Bank
einbruch, einen Mord, einen Weibsteufel und eine Harrdvoll Ver
brechermilieu Zu einer Handlung vereinigt, die unbestreitbar rou
tiniert entwickelt wird. DLan möchte sagen, daß alle Regeln der
höheren Filmkochkunst bei ihrer Komposition erfolgreich angewandt
worden seien. Da fehlt keine Würze, und sogar aktuelle Anspie
lungen auf Bankdrrektoren bleiben nicht aus. Dennoch enträt die
Fabel der eigentlichen Spannkraft. Sie rechnet mit den altbekann
ten Wirkungen mittlerer Unterhaltungsromane und setzt , sich über
dies wieder einmal mit einem viel zu großen Applomb in Szene,
um nicht am Ende dock) zu enttäuschen.
Es ist das Verdienst des Regisseurs Robert Sind mak, daß
trotz des konventionellen Handlungsschemas einige Abschnft e stark
zu fesseln vermögen. Sisdumk ist zu einem sicheren Könner ge
worden, der den Stoff durchknetet und vorzüglich montiert. Ge
glückt ist ihm vor allem die Gestaltung des Verbrecher-Garten
festes, in dessen Verlauf der Mord erfolgt. Das Tohuwabohu der
Gäste, die Musik und die Zux Katastrophe drängenden Ereignisse
greisen lückenlos ineinander, steigern sich und münden m Zwei
parallelgeführLe AuftriLLs ein: das Feuerwerk und den Kampf der
beiden Nebenbuhler. Während diese sich am Boden wälzen, zischen
RaketengarLen zum Nachthimmel empor, die allmählich in zuckende
LLchtornaments übergehen und zuletzt nicht mehr durch die Luft
brausen, sondern als Reflexe auf dem Wasser tanzen, in das
der eine der Gegner von dem andern gestürzt worden ist.
Auch die Darsteller, auf deren effektvolles Ergreifen man sich
viel zu sehr verlassen hat, werden im allgemeinen gut gefährd
Jannings, der nach bewährter Weise Gutmütigkeit und Bru
talität mischt, findet diesmal ein paar erfreuliche Zwischen^
so schattiert er die glänzende Szene in der Fürsorgeanstalt zart
und verschmitzt. Anna SLen als Dirne muß einen Song
L !a Marlene zum Besten geben, der ihr längst nicht so gut liegt
wie die Gebärden der Angst, der Begierde und der Verlogenheit.
Trude Hesterbergs älteres Tingeltangelmädchm ist restlos ge
lungen. Franz Nicklisch machte aus dem FürsorgeZögling Willy
eine bis zum Ende glaubhaft durchgehaltene Figur.
8.