Zur Einweihung desAertmer Ehrenmals.
Berlin 2. Zum.
Heute findet die feierliche ^Einweihung des Ehrenmals
in der Schinkelchrn Neuen Wache Unter den Linden
statt. Ich habe seinerzeit (vergl. Reichsausgabe vom W. Juli
4930) die. Vorzüge des mit dem ersten Preis bedachten Entwurfes
von Pros. Heinrich Tessenow gewürdigt und begründet.
Heute ist zu sagen: daß die Ausführung des Entwurfs alle Er
wartungen erfüllt, die damals von uns an ihn geknüpft wurden.
Das klar herauszustellen, ist um so notwendiger, als das Projekt
sich in einem Teil der Berliner Presse die heftigsten und unsach
lichsten Angriffe gefallen lassen mußte. Tessenow und mit ihm
der preußische Staat sind jetzt glänzend gerechtfertigt.
Vorm Betreten der Gedächtnisstätte hat man die Säulen des
Schinkelbaus zu Pastieren, die, riesigen Lrauersoldaten gleich,
stramm stehen und salutieren. Wie ihre strenge Gruppe, so ist auch
das ganze Aeußere des historischen Monuments unver
ändert erhalten geblieben; abgesehen von der Eingangswand,
deren drei Fenster durch vergitterte Türen ersetzt worden sind. Die
Gitterstäbe stehen weit auseinander und ermöglichen den Vorüber
gehenden, einen flüchtigen Blick in die Halle zu tun. Sie ist, was
sie zu werden versprach: ein großer kahler Raum mit einem kreis
runden offenen Oberlicht in der Mitte, durch das der Himmel
hereinscheint. In dem abwärtsströmenden Licht erhebt sich ein aus
Schweden beschaffter schwarzer Granitkubus, vor dem ein niedriger
Sockel angeordnet ist, der die vielsagende Inschrift: „1914 — 1918"
trägt und den Kränzen als Unterlage dient. Auf dem Kubus selber
ruht ein KranzgeLilde aus Gold und Silber, das aus der Halle
heraus auf die Straße blitzt. Nicht der übliche Lorbeerwulst, sondern
ein kunstvoll aufgelockerter Eichcnlaubkmnz. Er ist von Professor
Ludwig Gies angefertigt worden und hat alles in allem ungefähr
40 000 Mark gekostet. Rechts und links vom Kranzpostament
ragen zwei schmächtige Bronze-Kandelaber hoch, die Kerzenlicht
entsenden.
Das ist alles. Aber jedes Mehr wäre auch ein Zuviel gewesen.
Denn in einer sozialen und geistigen Atmosphäre wie der unsrigen
werden sämtliche Zeichen, die sich uns als Symbole aufzwingen
wollen, notgedrungen zu leeren Attrappen. Tessenow hat sie mit
Recht vermieden. Statt in das Geviert Sinnbilder hineinzupressen,
die nichts mehr auszudrücken vermögen, es sei denn Phrasen oder
zweifelhafte Parolen, hat er es vorgezogen, den Raum rein als
Raum sachgerecht durchzubilden. Seine Decke ruht hart und ohne
Uebergang auf den vier Wanden; aber in ihn eingesenkt sind
Proportionsgefühl, Materialverständnis und Feinheit des Geistes.
Sie schenken ihm eine Sprache, die sich aus vielen Vokabeln zu-
sammensetzt. Aus dem Steinschnitt der Kalkstemwände; der über
legten Komposition des Mosaikfußbodens; den Profilen des zart
geschwungenen, bronzenen Oberlichtrunds, die das wandernde
Auge zu einem kurzen Verweilen in den oberen Regionen ein
laden, ohne es doch bei sich festzuhalten. Nur die Kerzenträger,
deren Bronzecharakter nicht ganz deutlich hervorLritt, sind um eine
Spur zu privat; freilich haben sie es auch besonders schwer, in der
allgemeinen Lebenssphäre Zu bleiben. Alle diese Einzelheiten
kommen erst nach und nach zum Vorschein und sind auch gar nicht
dazu bestimmt, einzeln bemerkt zu werden. Ihr Zweck ist, zu ver-
chwrnden, unterzugehen tm HalSdunkel,. dessen Weihe sie gewähr-
ersten. Dennoch sind sie dem Beschauer gegenwärtig. Ohne daß
« sich Rechenschaft über sie ablegte, spürt er dank ihrem Dasein
5^"^ menschliche Qualitäten sich im Raum darstellen,
füllen ihn mehr als Figuren.
Als ich heut- vormittag das Ehrenmal besuchte, siel Regen
surch dl« Deckenöffnung nieder. Sein Einbruch störte nicht dn
Archuektur, sondern machte sie erst vollkommen. Er rann auf den
Fußboden, der sich durch die Feuchtigkeit dunkler färbte, und lief
-m Granitblock in schmalen, tiefschwarzen Strähnen herunter. Es
war, als weintr das Postament. S. Kraeaue r.
Kteine^airouMe durch dieMauausstelkung
Berlin, im Juni.
Paris.
Das Alte und das Neue verhalten sich in Frankreich anders
zueinander als Lei uns. Wir gäben am liebsten die Vergangenheit
um der Gegenwart willen preis; in Frankreich kreisen beide um
eine empfundene Mitte.
Der Pariser Raum der Ausstellung enthält außer einem Stadt
modell, das den Schick gewisser LadendeZorationen in den Champs-
Elysees ausweist, Darstellungen von rührender Naivetät. Nicht so,
als ob sie den Beschauer ungenügend aufklärten, aber sie haben
den Stil verschollener Jahrzehnte und stammeln das ABC herunter
wie eine Fibel. Die Papphäuschen, die das künftige Aussehen
der Oitä IIuLvsrMLirH veranschaulichen, könnten unter dem Weih
nachtsbaum stehen, und die Figurengruppen, durch die das Er
werbsleben in den verschiedenen Stadtvierteln allegorisch verkör
pert wird, scheinen einem abgegriffenen Bilderbuch entnommen zu
sein. Und gar die Dioramen von Straßenzügen und Metro
Stationen — sie leuchten in flammenden Farben, als schmückten
sie das Innere einer alten Passage, und sind wie für unsere
Kleinen geschaffen.
In einem anderen Hallenteil schreitet eine Schar moderner
französischer Architekten, Künstler und Schriftsteller, unter denen
man Le Corbusier und Blaise Cendrars begegnet, zu architekto
nischen Umwälzungen, deren Radikalität geradezu herzzerreißend
ist. Sie mähen zum Beispiel die Quartiere zwischen der Seine und
der Gare de l'Est einfach" nieder und bepflanzen das liquidierte
Gebiet in regelmäßigen Abständen mit Wolkenkratzern. In dem
dazugehörigen Aufruf heißt es:
„II kaut kaire äs In eitö äss lempZ Noäsrnss.
kariZ 68t uns vills vivants.
II kaut eontirmer ?ari8!"
Die Blague ist ernst gemeint und zwingt doch ein Lächeln ab.
Denn durch ein hauchdünnes Zwirnsfädchen ist sie unzertrennlich
mit den rosigen Dioramen verknüpft.
Ring der Frauen.
Dieser den Frauen zubestimmte Pavillon von Peter Behrens
ist ein flacher Rundbau, aus dem einige Wülste hervorquellen, die
ebenfalls rund sind. Er sieht wie ein Observatorium aus, in dem
statt der Sterne seelische Phänomene beobachtet werden; voraus
gesetzt, daß sie kultiviert genug sind. Ich könnte mir etwa denken,
daß Mschtilde Lichnowskh durchs Teleskop blickte. Innen geht es
ganz innerlich zu, mit zarten Nunancen. Kakteen gedeihen neben
kunstgewerblichen Sächeichen, und ein wohltemperierter Flügel
schwebt harmonisch in einem der seitlichen Ringe. Die Tanzterrasse,
die sich hinter den Frauenrundungen dehnt, ist durch einen Teich
von der feindlichen Außenwelt geschieden. In dem Teich müßten
eigentlich drei oder vier Schwäne ringförmige Bahnen beschreiben,
und auch Rosen sollten hier blühen, delikate Live o'clock Tea-
Rosen.
Kunst und Dekoration.
Die dekorativen Künste sind auf einen Wandelgang hinter der Re
stauration beschränkt worden. An diesem ungestörten Ort erheben
sie sich hoch über die niederen Sphären der Baustoffe. Daß sie darum