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Voll
Ehre
tags-
abzu-
d) eine Tänzerin, e) keine Störung wünscht.
Kurzum, die technischen Installationen sind von einer
kommenheit, die der Direktionsabteilung eines Konzerns
machte. Ihre Hauptaufgaben bestehen zweifellos darin, den
über rationalisierten Besuchern abends die Anstrengung
Berlin, Ende Oktober.
In einem der bekanntesten Berliner Vergnügungslokale be
obachtete ich jüngst einen Mann, der gewissermaßen sein Büro in
dem Lokal aufgeschlagen hatte. Zum Verständnis des besonderen
Vergnügens, das er sich verschaffte, ist zu erwähnen nötig, daß
das Lokal selber wie ein Großbetrieb eingerichtet ist. Auf jedem
der vielen Tische befindet sich:
1. ein Telephonapparat, der zur Verbindung mit der Außen
welt der übrigen Tische dient.
2. eine Rohrpostanlage, die den brieflichen Gedankenaustausch
mit sämtlichen Personen im Raum ermöglicht.
3. eine Signalvorrichtung, mit deren Hilfe öffentlich bekannt
gegeben werden kann, ob man an dem Tisch: a) einen Tänzer. '
WeßMon im Kino.
Berlin, im Oktober.
Auf der Leinwand:
Der stumme Rufsenfilm: „Der blaue Expreß", der im
MozarLsaal gezeigt wird, kommt etwas zu spät nach Deutschland.
Er spielt in dem von skrupellosen Abenteurern beherrschten China
und stellt Ue Rebellion chinesischer Proletarier in einem Expreßzug
dar. Während der Zug durch die Nacht braust, entspinnt sich im
Speisewagen, auf dem Führerstand der Lokomotive und den be
benden Waggondächern ein erbitterter Kampf zwischen den weißen
und gelben Ausbeutern und ihren Opfern. Das episodenreiche
Tohuwabohu endet mit dem Sieg der Proletarier und der Flucht
des Expreßzuges über die russische Grenze, hinter der die Sonne
symbolisch strahlt.
Jlja Traubergs Regiekunst ist virtuos i r kleinen, enträt
«aber der großen Linie, die den klassischen Filmwerken Eisensteins
und Pudowkins zur machtvollen Geschlossenheit verhalf. Weder ist
die Handlung klar durchkomponiert noch sind alle Details so ins
Gesamtschema eingebaut, daß sie ihren Sinn sofort Preisgaben. Die
Gestaltung des Wirrwarrs eines Aufruhrs darf aber nicht selber
verwirrt sein. Um so nachhaltiger wirken Einzelzüge, mit denen
verglichen die meisten deutschen Leistungen zu traurigen Klischees
herabsinken. Ich denke an die Montage jener außerordentlichem
Speisewagenszene, in der getanzt-und getafelt wird; an die Ver^
sinnlichung des Zugtempos, das den Rhythmus aller Vorgänge be
stimmt; an gewisse Abschnitte, in deren Verlauf sich die Bildfolge
um der größeren Eindringlichkeit willen in eine Folge lebender
Bilder verwandelt, die einander langsam ablösen. Schon einmal,
im Film von der Pariser Kommune, hat Trauberg mit Kosinzew
zusammen dieses Bilderbuch-Verfahren mit Glück benutzt, um die
Hintergründe des französischen Impressionismus zu entlarven.
Dennoch: der Film kommt Zu spät. Man erträgt das Pathos
nicht mehr, mit dem hier die Rebellion im Zug für den Zug der
Revolution ausgewertet wird. Wieder einmal haben sämtliche An
gehörige der herrschenden Klasse ein und dasselbe Gesicht; wieder
einmal sind sie alle nur niederträchtig. Eine Vereinfachung, die
nachgerade spottbillig geworden ist und überdies hinter unseren Er
fahrungen zurückbleibt. Dergleichen paßt in die Epoche des offenen
revolutionären Kampfes; in einer Zeit schwieriger, lautloser Arbeit
täuscht eine solche SchwarZweiß-Malerei über den Ernst dieses '
Kampfes hinweg. Von ihrer Jnaktualität zeugt nicht Zuletzt die
manirierte Zeichensprache, mit deren Hilfe die revolutionären Be
deutungen vermittelt werden. Waren die Fahnen bei Eisenstein
noch bildhafte Erkenntnisse, die aufzuführen vermochten, so sind
sie beim Epigonen zum konventionellen Hinweis erstarrt. Das
kommt davon, wenn man fortwährend das freilich dankbare revo
lutionäre Anfangsstadium in glänzende Festparaden umsetzt, statt
die bittere Gegenwart mit den ihr angemessenen Kategorien filmisch
zu durchdringen.
Dem Film ist eine musikalische Illustration von Edmund
Meisel beigegeben, die wie der Expreßzug rattert, die jeweils
fälligen Gefühle treulich untermalt und sich im ganzen gleich dem
Film selber fixierter Ausdrucksmittel bedient.
Im ZuschauerraumP
Das Berliner Kinopublikum hat gelegentlich der vor
wenigen Tagen erfolgten Uraufführung eines neuen deutschen
Tonfilms seine Urteilskraft laut und schlagend bewiesen. Zuerst
scharrte es mäßig; dann, als das Schauspiel auf der Leinwand
immer unerträglicher wurde, rebellierte es unverblümt. Haupt
gegenstand seines Zornes war der Held des Stückes: ausnahms
weise kein Tenor, sondern ein Bariton. Aber auch der mußte, wie
es neuerdings in den heimischen Tonfilmen Brauch geworden ist,
Schlager auf Schlager singen. Die von dem unsinnigen Machwerk
gequälten Zuhörer und -schauer riefen ihm „Schluß!" zu, als,
sei er ein lebendes Wesen. Da er zum Unglück eine Illusion wak;
die nicht willkürlich abbrechen konnte, übertönten sie heulend und
pfeifend das Getöne und bereiteten sich so selber das Vergnügen,
das ihnen der Tonfilm nicht bot. Nachdem er endlich verendet
war, warteten sie noch eine Weile auf das übliche Erscheinen der
Stars, die sich indessen in Voraussicht der drohenden Lynchjustiz
gar nicht erst auf der Rampe zu zeigen wagten, und zerstreuten
sich Zuletzt unter Murren gegen ihr Los.
Der Film heißt: „Zwei Krawatten" und ist frei nach
dem gleichnamigen Stück Georg Kaisers fabriziert worden. Michael
Bohnen und andere erste Kräfte wirken in ihm mit. Bei der
zweiten Aufführung hat man einfach jene Stellen herausge
schnitten, die den stärksten Anstoß erregten; was schon zur Genüge
beweist, wieviel die Hersteller selber von dem Zeug halten. Wenn
das Berliner Publikum, das sich so glorreich auf dem Schlacht
feld behauptet hat, seine Tonfilmfeinde rücksichtslos weiter ver
folgte, wären sie vermutlich bald in die Flucht geschlagen. Und um
die paar, die dem Ansturm standhielten, lohnte es sich dann
wirklich. S. Kracauer.
nehmen, die ihnen ein Amüsement auf eigene Faust kostete; in
kleineren Angestellten die Illusion zu erwecken, sie seien ihre per
sönlichen Vorgesetzten; das Publikum von der Angst vor eine^
Apparatur zu befreien, die für gewöhnlich kein harmloses Spielzeug
ist, sondern bitterer Ernst. Wie gut diese Aufgaben gelöst werden,
beweist die Fülle, die allabendlich im Lokal herrscht. Sie mag nicht
zuletzt der Lichtflut zuzuschreiben sein, die den Saal in stets wech
selnder Färbung überströmt und einen Vorgeschmack von den Herr
lichkeiten des Paradieses gibt, in dem die Menschen mit den ent
zauberten Gewalten der Technik dereinst friedlich beisammen wohnen
werden.
Jener Mann faßte die Apparate keineswegs so auf, wie sie auf
gefaßt werden wollen. Weder wiegte er sich in Illusionen, noch
spielte er mit den Signalen, noch ließ er sich von der Lichtflut be
stechen. Vielmehr, er betrieb den Spaß im Ernst, und eben dieser
Ernst wurde ihm zum Spaß.
Die längste Zeit über saß er allein am Tisch. Sein Scheitel be
fand sich genau in der Mitte, seine Augenbrauen waren zwei Halb
kreise, und seine Backen wurden nach unten immer voller wie bei
vielen besser situierten Herren zwischen vierzig und fünfzig. Wäh
rend er sich von Zeit zu Zeit mit einem Schluck Champagner
stärkte die schlechter Situierten können sich auch bei Mokka,
Vier oder Limonade vergnügen — setzte er ununterbrochen die^
Tätigkeit fort, zu der ihn offenbar sein Beruf verpflichtete. Er
achtete nicht auf die Tanzenden, er weilte in seinem Büro. Es
telephonierte. Mit der Miene des vielgeplagten Geschäftsmannes,
der die Anfrage irgendeines gleichgültigen Kunden vermutet, griff
er zum Hörer und lauschte. Wider Erwarten schien es sich um einen
vorteilhaften Abschluß zu handeln, denn die Hängebacken füllten
sich zusehends und der Scheitel glänzte vor Seligkeit. Unterdessen
waren zwei Rohrpostsendungen im Netz gelandet, die er ein Paar
Minuten uneröffnet liegen ließ, um sich den Anschein größerer Wich
tigkeit zu geben, ohne den mün im Leben nicht vorwärts kommt.
; Die eine verstimmte ihn so, daß er sie Zerriß. Er schüttelte den Kopf
und zog die Augenbrauen in die Höhe, über denen sich lauter Fal
ten in Form konzentrischer Halbkreise bildeten, eine geradezu
geometrische Verkörperung geschäftlichen Aergers. Zu einem um so
entschiedeneren Eingreifen bewog ihn die andere briefliche Ordr^
Nachdem er sich im Telephonverzeichnis über den Tischplatz des
Absenders vergewissert hatte, führte er zuerst endlose Ferngespräche
und erledigte dann gleich eine umfangreiche Korrespondenz, die er
per Rohrpost beförderte. Solange er schrieb, glich der gedeckte Tisch
einem Schreibtisch mit zahllosen Auszügen und Gefächern.
Der Betrieb, der nur selten einmal still stand, vergrößerte sich
noch durch eine kalte Platte, die er mit Genuß verzehrte. Da sie
seinen Kredit bei der Damenwelt befestigte, konnte er sich vor An
rufen und Botschaften kaum retten. Seelenruhig nahm er in der
Stille seines Büros, das unsichtbare Fenster vom Lärm des
Lokals abschlossen, Auftrag um Auftrag entgegen und fertigte?
seinerseits mündlich und schriftlich große Bestellungen aus. Die-
Augenbrauen gingen hinauf und herunter, der Scheitel verwan
delte sich bald in eine leuchtende Aureole, bald in einen zornigen
Pfeil. Wie bei allen bedeutenden Geschäftsleuten war über seine
Erfolge nichts in Erfahrung Zu bringen. Benutzten andere Gäste
die verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten, um einen geeigneten
Partner zu treffen, so benutzte er sie gleichsam um ihrer selbst
willen oder zu verborgenen Zwecken. Jedenfalls erhob er sich nie
mals von seinem Platz und empfing auch keinen Damenbesuch.
Aber vielleicht hatte er insgeheim doch eine große Sache getätigt.
Zu vorgerückter Stunde wurdm ihm drei Herren an den Tisch
gesetzt. Sie sahen mit Bewunderung zu, wie er von seinem Büro
aus das Ganze sozusagen dirigierte. „Man amüsiert sich nur gut,"
erklärte er ihnen herablassend, „wenn man allein über einen Tisch
verfügt." Als sie nicht weichen wollten, stellte er sie kurzerhand in
seinem Betrieb an. Einer der Herren mußte das Telephon be
dienen, ein anderer schreiben. Nach einer kleinen Frist zahlten die
drei und gingen. Entweder waren sie abgebaut worden oder hatten