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H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043380
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1923
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

i xcMchke iviederholt sich avf amerikäMchem Boden, der Mm- 
rönkg wird zum Petrus, die Filmdiva zur Maria Magdalena, 
und, glossiert von den Riesenafstchen der Zeitungen^ verehrt 
von der halbverstehenden Mass«, verfolgt von den kirchlichen 
und weltlichen Machthabern, vollendet der Neuerstandeiie seinen 
Weg. Das Ganze geschickt als Traum eingekleidet, s eins Ab- 
Mt nach voll reinen Strebens, in der Durchführung sür euro- 
Direktheit und gänzliche Unbeschwertheit durch die Erfahrungen 
voraufgegangener Geschlechter. Und es kennzeichnet sicherlich' 
nur die geistige Gesamtverfassung seines Landes, wenn er. 
wähnt, die Welt beginne mit ihm von vorne und ihre Formung! 
sei rein dem menschlichen Ermessen anheimgeyeben, wenn ihm 
ÄS weltansthaulic^S Fundament seines WW«W ei« banales! 
Gemenge aus pragmatischer Lebensphilosophie und profanem 
RatronÄrsmus genügt und wenn er in der Ebene des Irdischer 
und Sozialen mit gläubiger Zuversicht das Böse ganz ins 
Gute kehren möchte. Dem Bewohner des alten Kon- 
tments, der um die menschliche Bedingtheit weiß, stellen 
sich dre Dinge nicht so einfach wie dem voraus- 
jetzungslosen Weltverbesserer dar, und er fragt, halb hoffend, 
halb zweifelnd, ob die wundervolle Gesinnung dieses Dichter- 
Aevolutionärs die babylonische Wirrnis dereinst zu durch- 
vernrag, ob sie von sich aus dazu fähig ist, dem neuen 
Erbtest Gesetz und ordnende Mitte zu bringen. 
Menschen Sinclair gegenüber wollen allerdings 
M solcher Art nichts besagen, seine reine, unzweideutige 
Existenz ist jeder Fragwürdigkeit enthoben. In einem auto 
biographischen Roman: „Der Liebe Pilgerfahrt" 
(Gustav Kiepenheuer, Potsdam, 1922) enthüllt er ein Stück 
I^cr inneren Entwicklung. Das ganz untendenziöse Buch 
fetzt sich mit dem von dem Dichter erlebten Problem der 
Frühehe auseinander, berichtet ausführlich über seine Bekeh 
rung zum SozialismuS und enthält, zum Unterschied von den 
^meisten anderen Werken, eine Reihe individuell geschauter Ge 
stalten. Nicht nur das ideale Streben des jugendlichen 
Sinclair, die Unbedingtheit und Unbeirrbarreit seines Wesens 
-gibt sich in dieser SelbBarstellung kund, auch fein Hingerissen- 
!iE von den Schöpfungswundern, fein Mitgefühl mit aller 
^Kreatur wird aus ihr offenbar. Von den äußeren Schicksalen 
wäre etwa zu erwähnen, daß der in B a l tim ore Gebürtige 
vier Jahvs an der Universität Columbia studierte, 1906 bis 
1907 Äs sozialistischer Kandidat für den Kongreß ausgestellt 
wurde und eine Zeit lang als Redakteur einer Zeitschrift für 
Körperkultur wirkte. Neben dem literarischen Schaffensdrang 
— schon der Knabe schrieb Verse — ging stets das ^Bedürfnis 
nach praktischem Eingreifen in das Leben einher; so orga 
nisierte er an den Universitäten eine sozialistische Vereinigung 
und gründete im Staate New York die sozialistische „Helicon- 
Home-Kolonie". Kompromisse waren und sind nicht die Sache 
-dieses Mannes. Weder hat er sich, wie sein jetziges Eintreten 
für Rußland bezeugt, vorbehalüos den jeweiligen politischen 
Interessen der sozialistischen Partei verschrieben, noch ist es 
seinen mächtigen Gegnern je gelungen, die ihnen unbequeme 
Stimme zum Schweigen zu bringen. Er beschreibt selber in 
-seinen Büchern, mit welchen Mitteln die Gesellschaft das von 
ihm ausgehende Wort unterdrückt hat, nachdem sie einmal das 
; Vergebliche ihres Bemühens, ihn an sich zu locken, erkennen 
mußte. Da es heute bereits soweit gekommen ich daß Verleaer 
-und Buchhändler seine Werke boykottieren, läßt Sinclair 'sie 
neuerdings im Selbstverlag auf einfachem braunem Papier er 
scheinen, um sie den Masten zu möglichst billigem Preise 
l.SMlgliH M Mchr». Mij die « Mtj, 
vereint der Dichter sein eigenes Los, dem Wandel ihres Ge- 
lkchicks gilt das opfervolle Leben der Bewährung, das er lebt. 
Dr. S. Kracauer. 
Was ist Kultur? 
--- Den von der „Vereinigung von Freunden und Förderern 
der Universität Frankfurt" verunstalteten Worwagszyklus über 
Frugen der Weltanschauung eröffnete Pros. Georg Burckhardt 
Montag Abend mit einem Vortrag, der die Entfaltung des 
Wesensder Kultur zum Gegenstand HMe. Zunächst ver 
folgte der Redner den Bedeutungswandel des Begriffs „KMur 
von den Griechen an bis auf.unsere Zeit, wobei er stets die Kul- 
turauffassnng einer jeder Epoche, und damit ihren ganzen geMgen 
Habitus, durch einige knappe Stichworte treffend zu charakteri 
sieren wußte. Die Renaissance z. B. kennzeichnete er als eine 
Periode der Weltfreudigkeit, die, entgegen den: christlichen Mittel- 
Mer wieder die Rechte einer unid Men weltlichen Bildung gel- 
lend'machte. Von iener Zeit an ^egaM man unter Kultur vor 
allen: die Nationalisierung des Dc nS zu verstehen und glauM, 
daß durch solche Rationalisierung das Glück der Menschyeü her- 
öeigeführt werde. Die Lehre vom natürlichen inneren Licht im 
Menschen beherrschte' dann die folgenden Jahrhunderte und feierte 
Hre Triumphe im Zeitalter der AuMrung, in M) der 
Mensch im Vollbesitz seiner intellektuellen Mundrgkeü führte. Wie 
sich die Griechen von den Barbaren, die Ehristen des Mittelalters 
von den Heiden geschieden hatten, so hob sich damals der Euro-! 
Päer vom WW en ab. Rousseau erst lenkte den Blick der europäi ¬ 
schen Welt auf die Entartungserscheinungen dieser Kultur und s 
trug durch seine Schriften dazu bei, daß man in Deutschland der 
Neberschätzung des Intellekts Absage erteilte. In der klassi 
schen Epoche zwischen Herder und W. v. Humboldt nahm der 
Kulturbegriff eine universale Bedeutung an, erfuhr Verinnerlich- 
ung durch seine Verquickung mit der Humanitätsidee und wurde 
scharf von dem Begriff der Zivilisation gesondert. Die 
Romantiker führten dann spater den Gedanken eigenartiger Natio^ 
nalkulturen ein und erblicken das Wesensmerkmal der Kulturzeiten 
in ihrer inneren Lebens fülle, die sie von den Zeiten erstarrter, 
toter Konventionen tief unterscheide. Auf die Romantik, die nur 
! die Grenze zwischen zwei Zeitaltern bildete, folgte die Epoche der 
! Naturwissenschaften. Kennzeichen dieser technischen 
päische Begriffe allzu naiv, geradezu und kahl. Es steckt eine 
eMNÄulliche Tragik darin, daß die Rsmamverks des Dichters 
in demselben Maße an innerer Wirkung verlieren. Äs er um 
seiner Miffiomstätigkeit willen ihre rein künstlerische Gestaltung 
vernachlässigt. — Beinahe sÄbstverständlich, daß ein Schriftsteller, 
der so sehr wie Sinclair nach einem Wandel der Dinge, einer 
Läuterung der Umwelt trachtet, zum Publizisten wird und, un- 
gebemmt durch die SÄbstgeseUichkeit des Kunstwerks, auch 
außerhÄb des Bereichs der Dichtung sich mitzuteilen sucht. In 
einem Buche: „Der Sündenlohn" mmmt er den Kamps 
mit der korrupten Presse seines Landes auf, in einer anderen 
Schrift: „ReligionundProfit" (gleich dem vorgenann 
ten Buche im Verlag „Der Neue Geist", Leipzig, in der Ueber- 
Ltzung von Pros. I. Singer erschienen) greift er die Kir 
chen an, denen er u. a. das Bündnis mit der Plutokratie zum 
Vorwurf macht. Wenn diese zumal gegen die katholische Kirche 
gerichtete Streitschrift auch, Abgesehen von manchen unrichtigen 
Angaben Wer europäische Verhältnisse, das eigentliche Wesen 
der Kirche verkennt, muerwelkiches und überweliliches Er 
lösungsstreben ohne weiteres ineinander mengt und in jeder 
Hinsicht über das Ziel hinaus schießt, so ist sie doch aus einer 
glühenden und eifernden Seele geboren, die den Spuren des 
revolutionären Tuns in der Geschichte der Religionen folgt, 
und sollte gerade darum den Vertretern der Kirche selber etwas 
bedeuten. — Den Büchern der Abwehr läßt Sinclair neuerdings 
ein Werk des Aufbaus folgen, in dem er die Summe seiner 
Erfahrungen zieht. Der erste Band: „Das Buch des Gei 
stes" (Malik-Verlag, Berlin, 1922) liegt bereits vor; die wei 
teren drei Bände, die von dem Körper, der Liebe und der Ge 
sellschaft handeln, werden in Kürze erscheinen. Das ganze Werk 
ist Äs eine Art von Popularphilosophie, Äs eine Lebens-kunds 
für die arbeitende Bevölkerung gedacht und verbreitet sich in 
zwangloser Form über alle möglichen Fragen des Daseins, 
immer in der Absicht, aus den Erörterungen eine Richtschnur 
für das praktische Handeln zu gewinnen. Es bedarf 
nicht vieler Worte über diese oominou ssnss-Philo- 
sophie. Sie setzt ein unbändiges Vertrauen in den 
Intellekt und den Fortschritt der Wissenschaft, lehrt eine' 
Moral der Solidarität, die auf gesunder, natürliches 
Lebensweise beruht, und überantwortet, ohne des religiösen! 
Untertons ganz zu entbehren, dem freischöpferischen Menschen 
allein die Gestaltung der Welt. Ihr Bestes besteht noch darin, 
daß sie mit einer gewissen Ehrfurcht von dem Geheimnis des 
Lebern redet und frei von jeglichem Parteidoktrinarismus ist. 
Im ganzen gehört das Buch jener didaktischen Literatur an, 
die sich von den Abfällen einer in den höheren Regionen schon 
längst fragwürdig gewordenen Weltanschauung nährt und ob 
ihrer peinlichen Flachheit unerträglich wäre, wenn nicht doch i 
wieder der redliche Wille aus ihr hervorleuchtete, hilflos auf-i 
strebenden Kräften die erste Hilfe zu leisten. 
Wie jede geistige Erscheinung, so muß auch Sinclair ( 
aus der Situation begriffen werden, in der er steht, s 
Er ist Amerikaner unter Amerikanern: diese sehr wesent 
liche Tatsache bestimmt sein Denken und seine Haltung.; 
Welche Beschaffercheit aber die Umwelt aufweist, die M wan-i 
deln Aufgabe seines Lebens ist, das erfährt man am ehestem, 
aus seinen eigenen. Büchern, deren Einseitigkeiten, Verzerrn»--! 
gen und die Wirftichkeit überschneidende Perspektiven nicht all-, 
zuschwer korrigierbar sind. Amerika erscheint in ihnen —-! 
I um nur die besonders wichtigen Züge des Bildes hervorzuhchem 
j— Äs Hooi der jäh und regellos emporgeschoffenen Finanz--^ 
und Jndustriem-agnaten, die, zu Interessengruppen vereinigt,', 
brutal das große Spiel um die Macht miteinander spielen; 
und sich der ungeheuren, aus aller Herren Länder sich immer! 
neu ergänzenden Menschenmassen zur Erreichung ihrer Zweckes 
! bedienen. Mag das nun stimmen oder nicht, richtig bl-eWt doch! 
wohl, daß es in diesem riesenhaften „Schmelztiegel" noch gärt! 
von ungegliederten, amorphen Kräften, daß hier das Leben noch! 
keine Ordnung hat, weshalb auch, im großen und ganzen ge 
sehen, der Wert der Quantität an die Stelle einer Hierarchie! 
der Werte trift, und daß bei einem derartigen Mangft an Ab- 
geftuftheit und Zwischentönen hart Licht neben Schatten wohnt.. 
Die amerUanißche Menschheit ist nicht, sie wird, ihr fchft das^ 
Erbgut, auf dem sie ausbauen konnte, und so dehnt sie sich, nicht! 
belastet zwar durch lichmende Traditionen, aber auch arm an. 
Träumen der Vergangenheit und von alterS her gestifteten 
Bindungen und Beziehungen, einer Zukunft entgegen, von der. 
sie alle die Erfüllungen fordert, die reifere, wissendere Völker! 
gerne in das goldene Urzeitalter zurückverlegen. Der Unaus-i 
geglichenheit der Gegensätze, der unbegrenzten Zukunstsgläubig-l 
keit und der ebenso unbegrenzten Aktivität einer solchen vorerst 
»»geformte« und beziehungslosen Welt entsprechen naturgemäß' 
ihre geistigen Gestaltungen. Rücksichtslosem Machtstreben wnd> 
! Heller Idealismus entgegengesetzt, Güte haust dicht bei Ver-' 
worfenheit: das alles gleichsam in ungebrochenen Grundfar-H 
ben, gradlinig und primitiv, woran auch zivilisatorische', 
Glättung der Oberfläche nichts andern kann. Man ver-! 
steht von hier aus den Optimismus SinclairS, seine naive,
	        

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