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H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043382
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1926
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

>2, > w 
6 
Der Regisseur heißt Eisenstein. Herr Eisenstein hat mit 
den Mitteln des Films zum ersten Male vielleicht eine Wirklichkeit 
dargestellt. Er bleibt an der Oberfläche, die dem Kurbelapparat 
zugekehrt ist; er illustriert keine Texte, er beschränkt sich vielmehr 
darauf, die optischen Eindrücke aneinander zu reihen. Aber wer 
assoziiert hier? Die von Empörung, Schrecken und Hoffnung 
erfüllte Phantasie, die um ein Ziel kreist und inhaltliche Gewiß 
heiten hat. Sie erblickt die automatischen Bewegungen der 
Kosakenbeine und fliegt über die Gesichter der Menge, um an 
einem Kinderwagen hasten zu bleiben. Ihr verschmilzt das Volk 
von Odessa und die grohs Hasentreppe zur unlöslichen Einheit, 
- endlos dünkt ihr der Menschenzug auf der Mole. Diese von de 
Sache ergriffene Phantasie wälzt die Matrofenleiber durcheinander, 
sieht Menschenschatten durch eiserne Gitterroste, spannt die glänzen 
den Geschützrohre über das Meer. Mit rebellischer Hast fährt 
sie von dem Lorgnon, der Verkörperung gehaßter Macht, zu dem 
riesigen Panzerturm, die Teile der Dinge gelten ihr so viel wie 
die Meuterer, denn Meuterei steckt auch in ihnen. Nur in der 
Natur, vielleicht, gibt es ein kurzes Verweilen. In sanften 
Zwischentönen entschleiern sich Ausschnitte der Ufer, weiche Segel 
ziehen vorbei. 
Der Regisseur heißt Eisenstein. Die Darsteller vom Moskauer 
Künstlertheater bleiben ungenannt; man muß sie nicht kennen. 
Sie haben Gesichter, st? sind Menschen. Sie spielen nicht nur, 
sie glauben, was sie spielen. Aber außerdem spielen sie auch. 
Die Jupiterlampen örennen weiter. 
ZurKrankfurter Aufführung des 
Potemkin-FilmZ. 
Von Raca. 
Dieser Film unterscheidet sich von den Schwärmen der ameri 
kanischen und europäischen Filme nicht durch die größere Kunst 
der Regieführung — gewiß auch durch sie —, nicht durch die pein 
lichere Ausnutzung der filmtechnischen Möglichkeiten und das 
gewaltigere Aufgebot der Massen. Etwas anderes trennt ihn von 
der WeltprodukLion, etwas grundsätzlich anderes. Er hat die 
Wand durchstoßen, hinter die jene Filme nicht dringen. Er trifft 
eine Sache, die wirklich ist, er meint die Wahrheit, um die es 
zu gehen hat. 
Die übrigen Films, entzückend oft und im einzelnen hie und 
da human: an einem Punkt stocken sie ängstlich und ziehen sich in 
die Leere zurück Der Instinkt jener Gesellschaftsklasse, 
der die Fridericus Rex-Gloriolen gebiert, untersagt in Europa 
sowohl wie in Amerika eine allzugrelle Belichtung der bedenk 
lichen Tatsachen, die unser sogenanntes soziales Leben vorerst 
noch bedingen. Von der Leinwand könnten Erregungen 
sich fortpflanzen, die unbequem find. Die Jupiterlampen, 
in deren Glanz sich einige der gehobenen Zilleschen .Gesunkenen' 
immerhin sonnen dürfen, werden rechtzeitig abgeblendet. Man 
bleibt vor der Wand, man verdrängt in historischen Ausstattungs 
stücken, Privaten seelischen und mondänen Belanglosigkeiten und 
zuletzt doch harmlosen formalen Grotesken den einzige» Inhalt, 
an dem etwas gelegen wäre. 
Dieser Film verdrängt nichts. Er läßt — ein Wunder — 
die Jupiterlampen fortleuchten über dem Kampf der Unterdrückten 
gegen die Unterdrücker. Er zeigt einen Augenblick der Revo 
lution. Die Wand ist durchlöchert, ein wahrer Gehalt tritt 
hervor. 
Die Oberfilmprüfstelle hat dem Film den Passierschein gegeben. 
Sie durfte es, weil der Film unmittelbare politische Ziele nicht 
verfolgt. 
O 
Mit einew unerhörten Sinn für Zeichen und Wirkungen ist 
Ler Augenblick gewählt, in dem sich die Revolution von ihrem 
realen Beginn bis Zu ihrem traumhaften Ende zusammenballt. 
Ein Augenblick vor dem Sieg der Revolution, aus der Zeit des 
unterirdischen Wühlens und verzweifelten Aufbegehrens, in der 
die Wahrheit noch einschlagen kann wie ein Blitz. Matrosen- 
Wttiderei im Jahre IM auf dem Panzerkreuzer «KotenEn" ZM. 
Apachen, Frauen, Polizei. Ein Detektiv-Film: „Die 
Zwei und bis Dame, den die Neue LichtMhne Zeigt, ent 
wickelt sich nach Sven-Elvestadt-Motiven Zu einer maßvoll spannen 
den Handlung. Es geht mn die Aengste dieser verheirateten Frau, die 
ihre geheimnisvollen Gründe haben. Vor der Ehe nämlich bestand 
eine Beziehung zwischen ihr und einem Verbrecher, der nun Er 
pressungen an ihr verübt. Türen gehen nachts auf, Lichter blitzen, 
der Ehemann droht einzugreifen, Perlen verschwinden — eine 
einzige Verwirrung, Sie wird von einem Polizeirat geschlichtet, 
der nach dem Willen des Regisseurs ohne allzu große Fixigkeit die 
mysteriöse Angelegenheit nach fünf Akten zum glücklichen Ende 
führt. — Schön und rührend ist der andere Film: „Die rote 
Lili e". Ein junger Mann und ein Mädchen aus der französischen 
Provinz konrmsn nach Paris. Durch ein ungünstiges Geschick 
werden die beiden armen unwissenden Geschöpfe voneinander ge- 
Madame Sans Mne. Ein historisches Ausstattungsstück, wie 
man dergleichen schon sah. Man bewegt sich diesesmal am Hose 
Napoleons und erlebt die Sardousche Jntrige mit, die sich zu all- 
s-Mgem Wohlgefallen auflösü Durch die Leere der auf die Wort 
pointe angewiesenen Handlung schimmert ab und zu Versailles. Im 
übrigen: Prunk der Empirehintergründe, stilgerechte Trachten, man 
ergänzt sein kunstgeschichtlichW Wissen. Napoleon ist un neu äröle, 
mit den großen Gebärden bei den kleinen Kabalen und dem an 
gestrengt geistreichen Lächeln. Wenn er Arbeit markiert, studiert er 
die Karte von Europa wegen Zukünftiger Schlachten — ein Regie 
einfall, auf den man sich etwas zu gute getan haben mag. Getragen 
wird das Stück von der Sans Wm-Gloria Swansons, die mit 
ihren eher derben Zügen sehr reizvoll einzugehm weiß. Wie sie die 
Wäscherin aus der Herzoginnerd-Schleppe wickelt und den opern- 
hasten Napoleon zu ihren Gunsten stimmt— das hat schon Scharme, 
einen ganz individuellen, nicht den vorschriftsmäßigen, den die 
Mädchen heute aus illustrierten Zeitschriften und Magazinen lernen. 
Ob das Augenliderspiel vor hundert Jahren bereits so modisch 
gewesen ist wie in der Zeit der Großaufnahmen, wäre freilich zu 
bezweifeln; doch auch unter Diademen blinzelt's sich hübsch. — Das 
Photographische des in den Ufa-Lichtspielen laufenden 
Films ist einwandfrei, und im einzelnen finden sich manche gute 
> Bildausschmttel rück. 
Odessa. Der Grund ist ein kleiner und ein ganz großer: ver 
dorbenes Fleisch. Das Volk zu Odessa fraternisier! mit dem 
MaLrosenvolk auf dem Kreuzer — wirklich, es ist das Volk, das 
aufgerührt ist, das sich rührt. Auf der Gegenseite die blinde 
Gewalt der Kosaken, das Admiralsgeschwader. Die Lage ist 
so einfach, jedes Kind erfaßt, daß Recht gegen Unrecht steht, daß 
Geknechtete sich gegen ihre Bedränger wehren. Wie aber endet 
der Kampf, der nur im Märchen glücklich endet? Der Film hat 
den richtigen Abschluß, der die Ahnung des richtigen Endes erweckt. 
Die Matrosen, bereit, dem anrückenden Geschwader einen letzten, 
hoffnungslosen Widerstand zu leisten, hissen das Signal:,, Haltet 
zu uns!" Es wird beantwortet, das Wort: „Brüder" stellt sich 
wunderbar dar. Hier bricht der Film ab, er muß hier abbrechen. 
Genug schon, daß der Vorhang einmal sich lüftete. Der hoch 
gezogene enthüllt nie das Gesuchte. 
Dieser Film spannt nicht wie die westlichen durch Sensationen, 
hinter denen die Langeweile sich dehnt. Die Sache spannt in ihm, 
denn sie ist wahr. ! 
LL.) I?- ' 
ssenden Geschöpfe voneinander ge 
trennt. Wie sie sich suchen, aufeinander warten und immer tiefer 
sinken, dies ist sehr schlicht und unaufdringlich erzählt. Er, ein von 
der Polizei verfolgter Apache, wird zuletzt von ihr, die zur Dirne 
geworden ist, gerettet und gepflegt. Wer er will ste nicht mehr, 
er hat noch irgend ein Jungensideal von Reinheit. Nun kommt 
es ganz schlimm, mit dem entsprechenden Wandel der Physiog 
nomien, das Apachenhaste und das Dirnenhaste prägt den Gesichtern 
sich ein. Wer seltsam, das alles ist glaubhaft, von einer Naivität, 
die trotz des Kolportage-Stoffes niemals verletzt. Man weint, 
die Beiden könnten sich nicht mehr srheb-en, so sehr verstricken ste 
sich. Bis dann am Ende die märchenhafte Wendung erfolgt und 
der Junge und das Mädchen mit verMnten Gesichtern ^wieder 
m ihr Dorf Aurückkehrw, wo sie am Anfang sich liebten, inen. 
--Höfisches. In dem Nationaltheater — Skala- und! 
H oh enz ollern-Lichtspiele — laufen Zwei Filme mit Hof 
leben. Der eine, ein amerikanischer Film: „Der Prinz 
gemahls führt einen smarten unmittelbar an die Seite 
einer nbniglicyen Hoheit, die Zu irgendwelchen Zwecken in Amerika 
weilt. Der Jüngling macht Karriere durch seine Borfertigkeit, 
die ihm erlaubt, die Prinzessin wiederholt zu retten. Diese läßt 
sich von ihm in ihre exotische Residenz begleiten, wo es märchen 
haft wilo hergeht und der Boxer schließlich zu undemokratischen 
Würden gelangt. Ein herab gekommener Lord, ein treuherziger 
Riesennigger und ein aufgeregter amerikanischer Konsul, der falsch 
Saxophon blast, stellen ein ansehnliches Ope^ Etliche 
komische Szenen: ein Borwatch und etwa eine Fahrt blinder 
Passagiere geben Zu lachen. Auch die Selbstironie, mit der das 
Amerikanische sich stellenweise bespöttelt, ist nett. —- Das andere 
Lustspiel: „Der 7. Junge" scheint unmittelbar den „Fliegen 
den Blättern" entnommen. Ein zeugungskräftiger Gymnasial- 
professor mit langem Bart man hört ihn „Lja, tja" sagen — 
hat von dem amerikanischen Verwandten 2000 Dollars zugesagt 
bekommen- wenn das siebente Produkt seiner schöpferischen Tätig 
keit einen Jungen ergibt. Die Pointe ist, daß ein Mädchen ent 
steht, das als Junge ausgegeben wird — bis der Papa das 
Fehlen des Merkmals entdeckt. Da der Film aus Bayern stammt, 
ist ein Fürst mit Tochter beigegeben, bei dem der Professor ehr 
fürchtig in Audienz erscheint. "Wie vor 50 Jahren. Liebesleben 
am Hof und in den Bürgerstuben steigern die provinzielle Pikan- 
terie. Immerhin sind etliche wirklich drollig-derbe Szenen ge 
glückt, die zur Heiterkeit zu stimmen vermögen. raea.
	        

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