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H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043382
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1926
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

herr- 
Wenn gleich das Meer wütete und wallete 
bei ihm 
nur noch 
entweder 
übrigens, wie der Vergleich mit den älteren Fassungen lehrt, 
eine aus bewußter Sprachkünstlerschaft geflossene Alliteration — 
könnten wir uns nicht ohne Bedenken aneignen. 
Das wären die Punkte, von denen aus die Phantasie des 
werden. „Ein Brausen vom Himmel" hat Luther 
scheinung des Pfingstgeistes genannt. 
Und das „Brüten"? Das hebräische Wort kommt 
einmal vor, vom Adler, der über seinen Jungen — 
Rezensenten nach Bahreuth eütflogen ist. Ihr gegenüber werden 
die Leser dieser Zeilen gilt tun, die Einsicht festzuhalten, daß 
Alliteration und Reduplikation, Wiederholung also, klangsinn- 
liche und wortoeistige, zum Nrwesen des menschlichen Sprechens 
gehört. Eine Einsicht, die sie sich an jedem Kind bestätigen 
können, sowohl an den Kinderworten, die dem Lernen der Er 
wachsenensprache vorausgehen, als an dem Lernen dieser 
Sprache selbst. Wiederholung ist ein tiefes Bedürfnis der 
menschlichen Natur, das Verlangen nach Abwechslung kommt 
erst als Folge. In den Sprachen äußert sich das so, daß in 
einem gewissen Stadium es ein Gesetz des guten Stils wird, 
den Ausdruck zu differenzieren. Dann verschwindet freilich die 
echte sinnliche Differenzierung, die sich in die Anschauung dieses 
und grade dieses Vorgangs so vertieft, daß sie ihn gar nicht 
anders mehr beschreiben kann, als daß sie mit dem Hebräer, 
oder auch mit dem Griechen, „Wolken wölkt"; dafür entsteht 
die Eleganz der stilistischen Differenzierung, die mit dem 
Lateiner, der auch als Kirchenvater die literarische Abkunft 
von Cicero nicht verleugnet, „Wolken führt". Auch im 
Hebräischen selber ist nach der biblischen Zeit die Vertiefung 
und Verstärkung eines Verbums durch den beigesetzten Infini 
tiv des gleichen Verbums, die unsere Uebersetzung nachzu- 
bilden oder wenigstens anzudeuten sucht, bis auf Spuren er 
loschen. Luther ist hier dem lateinischen Text gefolgt, wie so 
oft. Sein Schüler Mathesius schildert ihn als Vorsitzenden 
seines Bibel-„Consistoriums", also zu der Zeit, als seine 
hebräischen Kenntnisse auf ihren Höhepunkt gekommen waren, 
,M;t seinen alten lateinischen und seinen neuen teutschen Bi- 
blien. dabei er auch stetigs den hebräischen Text hatte". Dieses 
„dabei" der Entstehung, so in seiner negativen wie in seiner 
positiven Wirkung, spiegelt der uns klassische Wortlaut seiner 
Uebersetzung in jedem Vers. 
„Weihbuhle" sei ein „restaurierender" Ausdruck. Wir wissen 
nicht, was damit restauriert worden sein soll; aber wir wissen, 
daß die uns zur Auswahl gestellten Termini „Hure" und „Bei 
schläferin" dem Text in keiner Weise gerecht werden. Das 
Wort stckesastu kommt von stuüosast, „heilig, geweiht"; es 
bezeichnet demgemäß eine „Geweihte", nämlich eine in einem 
der heidnischen Kulte, insbesondere dem der Astarte, sich 
Prostituierende, eine Hierodule (so übersetzen es denn auch zu 
meist die modernen Theologen, die zum Unterschied von uns 
sich Fremdwörter erlauben dürfen). An der Genesis-Stelle 
wird es euphemistisch für „Hure" gebraucht. Juda hält Tamar 
„für eine Buhldirne": sonn; aber sein Abgesandter vermeidet 
das vulgäre Wort und fragt: „Wo ist jene Weihbuhle von 
Zweibrunn am Weg": LäeseLa. Luther übersetzt beides 
mit „Hure". 
Die wilde Schlachtstatt verdrängte den „zahmen" Altar, 
weil suboaeli schlachten heißt und infolgedessen ml-sbeuaft 
Schlachtstatt. Altar führt heute in falsche Richtung. Man denk' 
So haben wir bei der Erschaffung des Menschen, wo Luthers 
„herrschen" den Sinn verschiebt, sinngemäß „sie sollen walten" 
übersetzt.) 
Wo Luther „Brandopfer opfern" sagt, steht im Hebräischen 
— Iru-uIotL olotft — nichts von Brand und nichts von 
Opfer, sondern nur: Höhungen Höhen. Wir haben statt 
Höhung das verdeutlichende „Hochgabe" zu setzen gewagt. 
Hochopfer war nicht angängig, weil das Wort Opfer in unsrer 
Sprache einen unüberhörbaren Beiklang von Preisgabe und 
Entäußerung angenommen hat, der dem hebräischen Irordan 
(Nahbringung, Darbringung) ganz fern liegt. Luthers 
„Brandopfer" ist nicht aus dem Hebräischen, sondern aus dem 
Griechisch-Lateinischen übersetzt. 
Aus dem Lateinischen stammt auch Luthers Uebersetzung 
des „funktionalen" Plurals toldotli durch den „Ontologischen" 
Singular Geschlecht. Unser „Zeugungen" ist also durchaus 
nicht, wie der Rezensent meint, eine unfreiwillige Funktionali- 
sierung, sondern eine höchst freiwillige, nämlich entstanden aus 
dem, was nun einmal hebräisch dasteht. 
Gleichfalls aus der Vulg-ata stammen Luthers „Tore seiner 
Feinde". Im Hebräischen steht: Tor seiner Hasser. Daß wir 
„Hochtor" sagen, geschieht, weil nicht ein beliebiges Tor ge 
meint ist, sondern das Tor. an dem Rat, Markt und Gericht ge 
halten wird — eine Bezeichnung, die in dem türkischen knpn, 
Pforte, was man in Europa sich auch meist als Hohe Pforte 
verdeutlichte, noch bis in die Gegenwart hineinragt. 
Der „Ruch", der den Rezensenten stört, stammt von keinem 
andern als Luther selber, der sogar mit einer — anscheinend- 
den Runen, „wie sie Richard Wagner begriff", entnommenen 
— Alliteration schreibt: „wie ein Rauch und Ruch des vori 
gen Opfers". Aber warum „der Befriedung"? Weil „der lieb 
liche Geruch" wohl in der Jlias (8, 549 f.), aber nicht in der 
Bibel steht. Und „roch den Ruch"? Auf Hebräisch: 
Nicht ebenso schnell ist die Hauptstelle der Beweisführung 
zu erledigen. Luthers „der Geist Gottes schwebte auf dem 
Wasser" erscheint dem Rezensenten endgültig. Luther selbst 
war dessen nicht ebenso sicher; sonst hätten wir wohl nicht die 
Variante: „der Wind Gottes schwebet auf dem Wasser". Das 
Wort ruuaft, das er so verschieden wiedergibt, kommt, wie 
Gunkel treffend bemerkt, nur dieses eine Mal in dem Sinn vor, 
den es in diesem Vers hat. Nämlich in der elementaren Fülle 
seines Sinns, der sich überall sonst in „Wind" (so Gen. 3, 8), 
„Hauch" oder „Atem" (so Gen. 6, 17)) und „Geist" auseinan- 
derlegt; dieses eine Mal ist das Urwort gemeint, das all dies 
in sich besaßt. Fast dieselbe Vieldeutigkeit hat das griechische 
Meurau und das lateinische Spiritus. Aber auch das deutsche 
„Geist" hatte sie noch zu Luthers Zeit. Darum kann er das 
Heer des Himmels von Gott „durch den Geist seines Munds" 
gemacht sein lassen. Weil Luther und seine mitlebende 
Luthers „Solltest du unser König werden und über uns 
schen?" heißt hebräisch: 
Lu-muloelr ti-mloek aleQn? 
iiu ruusaliol ti-Wsekol dann? 
infolgedessen bei uns: 
König wärst wohl gern, bei uns du König? 
oder Walter du, über uns Walter? 
die leis vibrierenden Flügel breitet oder aber brütet. Dem 
Sinn des Genesis-Satzes, dem Schweben über dem Ungewor- 
denen, steht „brüten" ungleich näher. Das Bild des Vogels 
überm Nest ist noch geblieben, wo der Talmud die Stelle er 
örtert; das „Brüten" (kotus) für den ersten Schöpfungsakt 
hat noch Augustin erhalten; aber in der Dichtung, auf deren 
Gipfeln die großen Gleichnisse ihr Leben bewahren, reicht es, 
in Goethes hinreißend alliterativen Versen, an unser Zeit 
alter: 
„Wenn über werdend wachsendem Vorher 
Der Vatersinn mit Wonne brütend schwebte". 
Der Braus ist aber doch wohl Bewegung, und brüten ist 
doch wohl Stillestehn — wo geht das zusammen? Eben hier! 
Hier und nur hier ist beides in einem; denn der Braus ist 
allüber den Wassern: die hebräische Wendung in ihrer 
Knappheit bedeutet: über der ganzen Wasserfläche. 
Daß sich mit den beiden endlich gefundenen Wörtern auch 
die Alliteration der beiden Wurzeln miuest und ruestek ergab, 
war ein Geschenk, das uns in den Schoß siel. Während wir 
sonst eher Mühe hatten, Zufallsalliterationen, die vom Text 
nicht gefordert waren, zu vermeiden. Luthers an sich herrliches 
(„Herrscher"- wäre falsch, denn mit demselben Wort wird 
Josef nach der Wiederfindung von den Brüdern bezeichnet, wo 
„Herrscher" zu viel wäre, wie Luthers „ein Herr" zu wenig ist. 
*) Unsere Ansichten darüber findet der Leser, der sich dafür 
interessiert, in Heft 7 der Zeitschrift „Der Morgen" 
und in dem Waschzettel zum Buch Im Anfang „Die Schrift und 
das Wort", der demnächst im 1. Heft der neuen Zeitschrift 
„Die Kreatur" gedruckt wird, sowie in einem das Verhältnis 
zur Lutherbiöel behandelnden Aufsatz, der gleichfalls zuvor als 
Waschzettel dem II. Band des Bibelwerks beigegeben und dann 
veröffentlicht wird. 
Leserschaft die Sinnlichkeit dieses Ausdrucks noch inne hatten, 
glaubte er auch am Anfang der Schöpfung sein allzu ein 
deutiges „Wind" durch das damals noch vieldeutige „Geist" 
ersetzen zu dürfen. Aber doch eben ohne Endgültigkeitsgefühl, 
ja ohne folgerichtiges Beharren. Denn Johannes 3, wo er erst 
wie schon Meister Eckhart (bedenklich wagnerisch!) übertrug: 
„Der Geist geistet, wo er will", schrieb er dann: „Der Wind 
bläset, wo er will", so daß nun das Wort pneumu einmal 
durch Wind, vorher und nachher durch Geist („daß jemand ge 
boren werde aus Wasser und Geist") wiedergegeben wird, ob 
wohl das gleiche — eben jenes Urwort — gleichmäßig ge 
meint ist: „Du hörest sein Sausen wohl", das in sich nicht vom 
„Wind", sondern eben von runaft gesagt — von dem Wort 
also, das in sich noch Geist und Natur umschließt. Kein Ding 
der geschaffenen Welt kann dem heutigen Uebersetzer zur Ver 
deutschung dieses raunst dienen, nur dieses sein Sausen oder 
Brausen („Gottes brausender Atemzug"), substantivisch ge- 
Von Martin Buber und Franz Mosenzweig. 
Ich habe immer gefunden, daß es gut sei, 
etwas zu wissen. 
Goethe zu Eckermann. 
Ohne auf die metaphhsisch-sozialwM Gedanken 
der Rezension unserer Genesis-Uebersetzung (Erstes Morgen 
blatt vom 27. und 28. April) eingehen zu wollen^), glauben 
wir doch, im Interesse der Leser dieses Blattes die Punkte 
hier besprechen zu sollen, in denen der Rezensent seine all 
gemeine These an der Sprache der Übersetzung zu bewahr 
heiten sucht. Wenn sich dabei herausstellen sollte, daß dieser Ve- 
weisversuch Punkt für Punkt mißglückt ist, so wäre damit gegen 
die Richtigkeit jener allgemeinen These von der Stummheit 
der Bibel in „unserer Zeit" noch nichts entschieden; nur die 
Beziehung, die der Rezensent ihr hier auf das Uebersetzungs- 
werk zu geben versucht, fiele in sich zusammen. Daß wir die 
These selbst für irrig und verderblich halten, wünschen wir 
nicht im Zusammenhang mit seinem Angriff auszuführen. 
Wir beschränken uns streng auf die von dem Rezensenten 
ausgewählten Beispiele. Er scheint sie so ausgewählt zu haben, 
daß wenigstens bei einem Teil die einfache Anführung des 
hebräischen Wortlautsx genügt, um auch Nichtkennern des 
Hebräischen die Haltlosigkeit des- Angriffs aufzuzeigen. 
Luthers „Wolken ^führen" heißt hebräisch: unnLn unav, 
infö l g e o e s s e n An uns: Wolken Wolken. LutheM „schlach 
ten" heißt an der gemeinten Stelle hebräisch: tudoueli 
tsduaft, infolgedessen bei uns: Schlachtvieh schlachten. 
faßt; nur so kann jene Einheit von Wind und Atem und Geist 
in eine Sprache, die sie nicht mehr kennt, herübergerettet 
die Er-
	        

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