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H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043383
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1927
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Lichtreklame. 
^e« Paris, im Januar. 
Die Lichtreklame geht an einem Himmel auf, in dem es 
keine Engel mehr gibt aber auch nicht nur Geschäft. Sie schietzt 
über die Wirtschaft hinaus, und was als Reklame gemeint ist, 
wird zur Illumination. Das kommt davon, wenn die Kaufleute 
sich mit LichtefsekLen einlassen. Licht bleibt Licht, und strahlt es 
gar in allen Farben, so bricht es erst recht aus den Bahnen, die 
ihm von seinen Auftraggebern vorgezeichnet worden sind. Bunte 
Lettern, die weiße Wäsche ankündigen sollen, sind nicht ganz bei 
der Sache, selbst wenn sie fünf Stockwerke bedecken. Die Zustän 
digkeit des Propagandachefs ist im Reich der Glühbirnen begrenzt, 
und die Signale, die er erteilt, wandeln unter der Hand ihren 
Sinn. So erzeugt das Nebeneinander der Läden ein Licht 
gewimmel, dessen gleißende Unordnung nicht rein die terrestrische 
ist. Man kann in diesem Gewimmel nach Zeichen und Schritten 
erkennen^ doch Zeichen und Schriften sind hier ihren praktischen 
Zwecken enthoben, das Eingehen in die Buntheit hat sie Zu 
Glanzfragmenten zerstückelt, die sich nach anderen Gesetzen als den 
gewohnten Zusammenfügen. Der Reklamesprühregen, den das 
Wirtschaftsleben ausschüttet, wird zu Sternbildern an einem frem 
den Himmel. 
Große Kindersterne entzünden sich übereinander, weiße und 
gelbe, bis in die Milchstraße hinein. Sie verschwinden, und ein 
Springbrunnen steigt an ihrer Stelle in die Höhe. Er verschwin 
det, und ein Helles Zittern entsteht, und aus dem Zittern bildet 
sich eine vieMedrige Figur, der Firmenname, in senkrechter 
Richtung zu lesen. Von Spinnfäden überzogen, harrt er für 
kurze Weile und verschwindet. Der Eiffelturm. 
Man muß ihn von dem Concorde-Platz aus sehen, der an das 
Meer bei Capri erinnert, auf dem die Laternen der Fischerboote 
sich nachts mit den Gestirnen vermischen. Zwischen seinen zahl 
losen Lichtpunkten, die fest vor Anker liegen, bewegen sich zahllose 
andere, Autoschwärme kreuzen unaufhörlich das Riesenbassin. 
Immer wieder werden aus ihm die weißen und gelben Sterne 
sie gleichen den OrdensdNovationen halbzivilisierter Docker —, die 
Springfontünen und die Buchstabenwesen geboren; ein gewaltiges! 
Festtransparent, das jeder astronomischen Erfahrung widerspricht. 
Unter seiner Vorhut erglüht in weitem Umkreis, in einem Dunst 
raum, den Häuser und Straßen kaum noch bestimmen, die Pariser 
Lichtreklame. 
Ihre Muster sind so gentil wie die Umgangsformen hierzu- 
land. Fast wie eine direkte Bewegung; geschwungene Linien über 
wiegen, weiche Kurven, beinahe jugendstilhaft. Man will an 
preisen, gewiß, man läßt die Birnen und Röhren stammen, um 
zu entflammen, aber es gibt eine Konvention, ein vererbtes und 
Erzogenes Gefühl für das Wie der Mitteilung. Aus diesem Ge ¬ 
fühl heraus wird auch das Lila häufig eingewoben. Es mildert 
die grelle Nöte, es begleitet gern grüne Strähnen und gefällt sich 
nicht selten auf sanfte Weise allein. Seine Aufgabe ist weiblich 
vermittelnd, ein Charme geht von ihm aus wie von Veilchen, j 
Mit solchem Lila umflicht man vorerst noch die Härten der 
amerikanischen Geschäftsmethoden wo sie sich einzudrängen suchen. 
Der Schick herrscht auf Erden und am Himmel der Reklame. 
* 
Geronnenes Feuerwerk und in Fluß geratenes Ornament: 
so glüht die Lichtreklame über den großen Boulevards. Ein 
Farbendschungel, es brüllt aus den Wipfeln, und bläuliche 
Schlangen schnellen hervor, die Nachlauf spielen. Sie gleiten 
durch Perlenschnüre und Granatketten, die in unerreichbarer Höhe 
aufgehängt sind. Eine Krone glitzert, unter der eine Tau 
Schleppe sich breitet; auch die alten Prunkstücke werden bewahrt. 
Als Wegweiser sind Pfeile eingesetzt, geschweifte und gefiederte, 
aber sie zeigen nach allen Richtungen und sollen vielleicht nur 
irreführen. Um durch diesen Märchenwald zu dringen, bedarf es 
des glücklichen Griffs. 
Namen stehen und liegen in der funkelnden Wildnis. Große 
und kleine, schmale und breite; man muß sich an ihnen empor 
winden wie an Strickleitern oder unter Lebensgefahr von Buch 
staben Zu Buchstaben Hüpfen. Die Verschiedenheit ihrer Dimen 
sionen treibt ihnen die Bedeutung aus; erhalten bleiben die ein 
zelnen Züge der Wortbilder. Das 0 -läuft dreifach gekoppelt 
um, und ruhmsüchtig pflanzt sich das .dl auf die Dunkelheit. Die 
Elemente der bekannten Sprache sind zu Kompositionen vereinigt, 
deren Sinn sich nicht mehr entziffern läßt. 
Die Unbeständigkeit ist ihr Wesenszug. Sie zucken hastig und 
unterbrechen sich, Flächen verschwimmen. Stets wieder werden 
die Manifestationen zurückgenommen, als sei schon zu viel gesagt. 
Wo unten Uhren ticken, dort zergehen oben die Rondelle, und die 
Gloriolen über den Abendroben sind ein verregneter Film. Hier 
kann man nicht wie auf den Boulevards flanieren, denn die 
Figuren stieben alle Augenblicke davon, und in ihren Vexier- 
spielen kennt niemand sich aus. Zuletzt wäre man unter dem 
fremden Himmel verlassen. Nur die geometrischen Gebilde 
glimmen götzenhaft Zur Seite des Wegs: Knise, Quadrate und 
Wellen. 
Auf einem Bartisch deß Arbeiterviertels Grenelle Hocken drei 
Granrmophone, die ihre Schalltrichter nach dem Eingang zu öffnen. 
Ihre Schlünde sind mit Glühbirnen besetzt, und während es aus 
den Kästen aröblt, wird Der Lichtspeichel in den Höhlungen 
rundum gequirlt. Die Uebereinstimmung von Geknatter und 
bunten Reflexen könnte nicht vollkommener sein. 
Ein einziger solcher Schalltrichter ist die rue Bigalle, jene 
große Freudenstraße des Montmartre, auf der die Ameri-^ 
kaner billige Sensationen teucr bezahlen. Hier herrscht Hausse in 
Rausch und Begierden» Da sie ohne Konturen sind, lassen sie sich 
leichter in die Sprache der künstlichen Lichter übersetzen als die 
Krawatten und Schirme. So gewiß der Farbentaumel nicht nur 
die Lockerheit des Animalischen meint, er antwortet ihr doch. 
Namen und Bedeutungen werden durch ihn aufgelöst; die selber 
aufgelöste Lust findet in den grellen Koloraturen sich wieder. 
Der bunte Glanz, der jede faßliche Geschlossenheit zerlegt, be 
stätigt die fragmentarische Natur des abenteuernden Dranges. 
Die Lichtreklamen dieses Viertels sind mechanische Feuers 
brünste, die vor käuflicher Sinnlichkeit zittern. Bengalische 
Diagonalen, die unter einem Baldachin sich kreuzen, Zielen ein 
deutig auf die Miste hin, der alles hier zuströmt, und das 
Mühlenrad von „l^loulin rouge", das da droben geht, mahlt 
kein Korn. Rot regiert; es ist an feinern Ort. Man glaubt das 
Kreischen der leuchtenden Murmeln zu hören, die sich aneinander 
wetzen; sie rollen unaufhörlich um eine Affiche, deren süßer Glanz 
nach dem Mischers der Straßenhändler schmeckst Mitten im 
Similischmuck schwebt ein Kirchenfenster, farbige Wonnen in 
engem Kreis; gebetet dahinter wird nicht. Das Gestammel isst 
so aufdringlich, daß es den Himmel verschleiert. Von oben 
blickt lächelnd ein Kinderkopf herab, der sich gewaschen hat. Mit 
einer empfehlenswerten Seife. 
Von Strahlen durchbohrt, wä^zt sich die Menschen Masse 
immer neu in das Glutgebiet. Aber weder wird sie mit den 
Ornamenten umgetrieben, noch verweilt sie in der prangenden 
Absurdität des festgebannten Feuerwerks. Unangefochten zieht 
!sie weiter. Währcnd sie, angetan mit Uhren, Stöcken, Krawatten, 
sich voranschiebt, versprüht ihr Besitz über ihr in Schriften und 
Zeichen, die vor einem fremden Himmel auftauchen und in ihm 
am Ende verschwinden. 
An rKtckSrr uuÄ Moi'AGiL. Lins 
Llonsttsnfoiss. Osnt8sk VON MolfMn.a L. Oros- 
Uras. lM. ZZS Seiten. 6eb. c/t S.ZS. 
Di6L6 ZnmmluuK junger ru8LiLedsr lütsratur ver- 
aimKt n-srtvollo mit äuredsedrüttliedsn ^.rboitsn, ?u 
äsrsn IIsdorZstLuns eiMutlied koln ^nlaü dsstanäsn 
ULtts; oder äsr UorLusMdsr Uomon Oul lioü sied, 
visÜmedt mit Usedt, dsi ^us^adl aued von äom 
Ltokk dobtimmen. In äsr lat ist doi ^Verkon, die 
ons Uuülanck kommen, cios rein stoküieds Interesse 
deute noed begründet. Nun moedte doren. nie es ge- 
^esen ist, vüe von Uussen, selber die Uevolutionser- 
eiLmisse und das neue Ue^ims beurteilt werden. Die 
Autoren der KnmmlunK sind Zumeist OreMMr, einer 
von idnsn bot die Revolution nuk der Leite der ^ei- 
üen mitMmaedt. In idren RrLädlunMu tritt die 
nolitisede Rarteinadme dinier der msnsedlied betei 
ligten Vorstellung der vinLelMsedednisse rurüek, und 
es Lei^t sied, dost oued in Lo^iet-RuAnnd üoed 
Nenseden leben und niedt nur Rropo^andisten, vde 
man es sied monederorts in Westeuropa, vorLustellen 
beliebt, stark ist die Novelle: „Lins so einkoede 
Lnede" von Boris vL^vrenjo^, in der ein kom- 
munistiseder 8mt^el von den Weiüen überküdrt und 
ersedossen vürd; die versediedenen Le^rEs über 
Beben und Oereedti^keit entviekeln sied dier nadeln 
nlaka,tdakt in einer dramatised ZmMspit^ten vialsk- 
tik. Ledla^end aued die grausame Bsedeka-^ ovelle 
von ^v^ust I avmtsed, die den Bxekutivbenmten 
bei der Blutarbeit vorküdrt und das Vemised von 
Bad. Biliedt und Bkel über sied selbst analysiert, 
aus dem er Zuletzt bestedt. In einer anderen ve- 
sediedte, deren Haltung an die jüngst ersedienenen 
Novellen. Alexandra Lollontavs erinnert, ersediebt 
sied eine „Oenossin", die das unLärtlieds Llima des 
ökkentlieden Bebens niedt erträgt und über idre 8ehu- 
suedt naed einem „spieüiMn" Beim ver^eikolt. vv ie- 
i der eine andere LkirM vm-MKennärti^t die Linnlosig- 
! keit und ^ukälli^keit des Binrelsedieksals ^vädrsnd 
des Bürgerkriegs, weitere dlamen und Angaben er 
übrigen sied; Senug, daL die grollen gssediedtlieden 
Vorgänge sied dier von allen menseddeden Zediedten 
ergrilken und gesviegelt linden, und ein Batsaeden- 
material unterbreitet ^vird. das, mag es aued erkun 
den sein, manedes streikender sedildert als ^ktenbe- 
riedte. 
vie Ltilmittel der jungen Autoren sind aus der 
Bradition gesedöplt und 2uni Bntsrsedied von Bja 
Bdrenburg (der in der Zammlung niedt vertreten ist) 
vill eine alte ü^eednik sied der neuen Oedalte be- 
mäedtigen. 2um Olüek v^aren die Vorbilder »gut. 
^ber aul die Dauer ^vird es damit niedt getan sein, 
denn an dem revolutionären Gegenstand allein 
ist in der Biteratur niedts gelegen. Braeausr.
	        

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