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H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043383
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1927
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

dämm Die Industrie ist deinVernehmen nach an der Her 
stellung neuer Modelle interessiert. 
Ein Bericht ist kein Katalog, und der Gegenstände sind 
außer den bereits genannten zu viele, als daß sie auch nur 
annähernd verzeichnet werden könnten. Zur Vollkommenheit 
gediehen ist vor allem die gesamte Apparatur: Bade 
räume, Toiletten usw. Unter den Ausstellern auf diesem Ge- ! 
biet behaupten die Stuttgarter Städtischen Gas- und Elekiri- 
Zitätswerke einen Ehrenplatz. Große Firmen, die bisher laut 
Verbandssatzung stch auf Messen nicht Zeigten, haben sich dieses 
Mal beteiligt. Es funkelt von Platten und Metall, an den 
Kühlschränken strahlen Beschläge, die Boiler sind Zur Kugel 
gerundet. Dem Publikum wird überall Gelegenheit geboten, 
Versah rungsweisen und Betriebe aus eigener Anschauung 
kennen zu lernen; unter anderem den Mitropa-Speisewagen 
und die Stuttgarter Küchen die von Dr. Erna Meyer 
eingerichtet worden sind. Daß die Frankfurter Muster 
küche prangt, versteht sich von selbst. An den schönen Raum 
für Webereien schließt stch der besonders geglückte der Lino 
leumindustrie: keine aufgebaute Innenarchitektur, sondern eine 
reine Darstellung der Ware mit neuen weißen, roten und 
schwarzen Belagen, die hart wirken wie Gestein. Vergessen 
wir nicht das Kupfergeschirr, längst verwandte Pfannenformen, 
die in diesem Rahmen neu zur Geltung kommen, rostfreie 
Bestecke, säurefeste Metallgefäße und feuerfeste Gläser, Metall 
betten, die sich durch die vom Werkbund vorgeschlagene leichte 
Veränderung der Proportionen wesentlich verbessert haben, 
Der Frage, was die heute von einer internationalen Vor 
hut der Architekten vollzogene Wendung bedeutet, wird nicht 
auszuweichen sein; so wenig auch gerade solchen Anfängen 
gegenüber abschlußhafte Formulierungen statthaft sind. Ratio 
nalisierung und Typisierung sagte Mies van der Rohe in 
seiner Eröffnungsansprache, seien nur Mittel zum Zweck; in 
Wahrheit gehe es um die Darstellung neuer Lebensfor 
men. Er selber hat mit seinem Bebauungsplan Anstoß erregt, 
weil er die Häuser zunächst ohne Rücksicht auf starre Eigen- 
tumsgrsnzen verteilte. Auch Le Corbuster hat, wie man weiß, 
die Stilwandlung weltanschaulich zu begründen gesucht. Diese 
und andere Bekenntnisse beweisen immerhin, daß die neue 
Hausorganisation nicht allein aus dem Zwang zur ratio 
nellen Wirtschaft geboren ist; wie kräftig er sich im einzelnen 
auch durchsetze. Beschränkt sie sich darauf, dem Privat- 
menschen eine Wohnform zu geben, die — endlich — im Ein 
klang mit seinen gegenwärtigen gesellschaftlichen Funktionen 
steht? Oder enthält sie bereits im Keim den einen oder ande 
ren Hinweis auf eine veränderte Gesellschaftsordnung, statt 
es sich mit der Bestätigung der faktisch vorhandenen genügen 
zu lassen? 
Häuser stehen im Raum und gehen aus ein Frage- und 
Antwortspiel nur in begrenztem Umfang ein. Vielleicht deutet 
wirklich die Anlage des Bebauungsplans und der immer 
wiederholte Versuch, durch das Einreißen von Zwischenwänden 
die frühere Jnsichgeschlossenheit des Einzelmenschen nach 
außen hin abzubauen, auf eine noch angegebene Struktur der 
Gesellschaft vor; vielleicht soll er aber auch nur dem anonymen 
Sein des der kapitalistischen Wirtschaft verpflichteten Masssn- 
menschen Ausdruck verleihen. Alle diese Erscheinungen sind 
mindestens doppeldeutig. Gleichviel aber, ob sie unter anderem 
auch über das herrschende soziale System sich hinaus er 
strecken: jedenfalls entsprechen sie ihm, wie zu Beginn darge 
legt wurde, in einer bisher nicht erreichten Weise. Sie sind 
sein vollendeter Spiegel; was immer sonst sie noch sein 
mögen. Bedürfte es eines Beweises für diese ihre Spiegel- 
haftigkeit, so wäre er durch den Puritanismus erbracht, den sie 
in allen ihren Teilen bekunden. Nicht das Menschliche wird in 
den neuen Wohnungen unmittelbar freigesetzt, sondern eher 
der Mensch des heute geltenden Wirtschaftssystems, der 
asketisch sein muß, wenn er ehrlich sein will. Sie bedeuten 
vorwiegend eine Revolution gegen Raum geb ild e, die anachro 
nistisch in unsere Zeit ragen, und nur insofern sie sich dem 
gegenwärtigen Stand der Dinge anpassen, bereiten sie „neue 
Lebensformen" vor. 
Beleuchtungskörper, die Lihotzkysche Sammlung van Bei 
spielen und Gegenbeispielen. 
Abgesehen von der Indanthren-Industrie, deren Farben 
in infinitesinalem Uebergang durch die Unendlichkeit des 
Spektrums gleiten, hat sich noch die Württembergische 
Möbelindustrie unter Führung Pros. Pankoks in 
einem großen Saal selbständig niedergelassen. Es ist der 
Sonderveranstaltung anzumerken, daß sie die Grundsätze des 
Werkbunds als nicht für sich verbindlich erachtet. Das gut 
gearbeitete, fournierte und ledergepolsterte Mobiliar guter 
Stuben und kultureller Herrenzimmer versammelt sich hier, 
als sei es unmittelbar dem Glanzpapier gepflegter Kunstzeit 
schriften entstiegen — ein Gespensterverein aus dem endgültig 
vergangenen Gestern, der den Schatten einer Spezis des 
bürgerlichen Mittelstandes Heraufbeschwort, die noch immer 
von heute zu sein glaubt. Diesen Bücherschränken ist unbe- 
sessenes Bildungsgut einverleibt worden, in diesen Klubsesseln 
waren Gebeine vergraben. Dem Werkbund kann es nur recht 
sein, daß mitten in der Ausstellung ein solcher Requisttenraum 
ausgespart ist; die von ihm erkannte Notwendigkeit neuen 
Bauens ließe sich schlagender nicht erhärten. 
In der Hallen-Ausstellung befindet sich ein merkwürdiger 
von Mies van der Rohe und Lilly Reich erdachter Raum. 
Seine Wände sind aus milchigen und dunkelfarbigen Glas 
platten zusammengesetzt. Ein Glaskasten, durchscheinend, 
dis Nachbarräume dringen herein. Jedes Gerät und jede Be 
wegung in ihnen zaubert Schattenspiels auf die Wand, körper 
lose Silhouetten, die durch die Luft schweben und sich mit den 
Spiegelbildern aus dem Glasraum selber vermischen. Die Be 
schwörung dieses ungreisbaren gläsernen Spuks, der sich 
kaleidoskopartig wandelt wie die Lichtreflexe, ist ein Zeichen 
dafür, daß das neue Wohnhaus nicht eins letzte Erfüllung Le- 
deutet, daß es nicht genügen kann, Wasserhähnchen zufrieden 
zu stellen und eisernen Oefen die Dekoration abzuschlagen. 
Wie kitschig immer die abgeschlagenen Zierate waren: oer 
Nest ersetzt das mit ihnen Armeinte nicht. Wahrscheinlich sind 
die neuen Häuser ihrem Gehalt nach Reste, das heißt, zeit 
gemäße konstruktive Fügungen der von schlechtem Ueberfluß 
gereinigten Elemente; und gewiß sind diese Restkompositisnen 
allein in der gegenwärtigen Gesellschaft zu verantworten. Aber 
es wäre gut, wenn aus ihnen mehr noch, c/s es heute geschieht, 
die Trauer über die Entsagung spreche, die sie üben müssen; 
jene skurrile Trauer, die an den in die Glasfläche gebannten 
Erscheinungen hastet. Denn die Hausgerippe sind sich nicht 
Selbstzweck, sondern der notwendige Durchgang Zu einer Fülle, 
die keiner Abzüge mehr bedarf und heute nur negativ durch die 
Trauer bezeugt werden kaun. Sie werden erst Fleisch ansetzen, 
wenn der Mensch aus dem Glas steigt.
	        

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