DLA Viewer Logo Full screen
  • First image
  • Previous image
  • Next image
  • Last image
  • Show double pages
Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Access restriction


Copyright

The copyright and related rights status of this record has not been evaluated or is not clear. Please refer to the organization that has made the Item available for more information.

Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043383
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1927
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

kommt, IN der Form eines Spruchbandes sich fortbetvegt und lang 
sam entschwindet; erstaunlich genug: der Zug ist geglückt Ueber 
das einzelne hinaus ist der Regie der drastische Ausweis gelungen 
daß die schmetternden Kriegsparolen sich fremd und unangenehm 
zu den Menschen verhalten, die für sie sterben und leiden müssen. 
Der Krieg erscheint als ein Geschehen, das die Menschen entstellt 
und verdirbt. Er macht gemein, er ist ohne Sinn 
Der Deutsche Erich Pommer schickt uns diesen Friedcnsfilm 
aus Hollywood. Was hat die deutsche Produktion in 
A» Frieden getan? Sie hat Schlachten gezeigt mit 
Otto Gehuhr an der Spitze, der den Zopf wie Friedrich der Große 
"ie Leinwand mit strammen Leutnants gefüllt, die 
zu den Mädchen gehen und in den Krieg. Sie hat in ihren Wochen 
übersichten neben den großen Überschwemmungen nicht die ge 
ringste Truppenschau unterschlagen. Sie hat alles getan, was in 
ihren Kräften stand, um das Publikum wieder an die Uniformen 
zu gewöhnen. Sie hat nichts getan gegen den Krieg. Hinter 
Stacheldrähten und Mauern Zollte sie selber gefangen gesetzt wer 
den. Der Film aus Hollywood offenbart ihre Schande. 
Er hat, wie nicht anders erwartet werden durfte, seine Grenzen. 
Der Krieg ist in ihm eine Art von Naturkatastrophe die 
über die Menschen hereinbricht. Sie erdulden ihn wie ein Erd- 
bebem und träumen höchstens am Schluß von einem Land das 
Erdbeben nicht kennt. Der Traum ist schön, doch ein Traum, so 
lange der Krieg für ein 
er ist überhaupt keine Naturkatastrophe, sondern ein Machwerk be 
stimmter Menschsngruppen und ihrer Interessen. Diese Gruppen 
und Interessen bleiben in dem Film unbezeichnet. Sie können 
wieder hervortreten und neue Kriege machen, wenn sich wieder die 
Verbrüderungsprozessionen nicht zugleich gegen sie empören. Wer 
immerhin: der Film ist gut und reißt dem Krieg eine seiner Masken 
herunter. Das ist viel, das will in Deutschland etwas heißen. 
Vielleicht wird er den Zuschauern nicht nur Dränen entlocken, 
sondern sie wirklich für die Sache des Friedens bestimmen. 
(Bei Gelegenheit der Berliner Erstaufführung des Films-) 
Raca- 
„Aas Wesen der Welt". 
Ein philosophisches System. 
Heinrich Hellmund, ein noch unbekannter Autor, ver 
öffentlicht ein Werk: »Das Wesen der WelL" (Amalthea- 
Verlag, Zürich, Leipzig, Wien), das den Umfang von 1360 Seiten 
überschreitet. Aber auch die Welt ist groß, Monomanische Besessen 
heit hat dieses Buchungetüm gezeugt; nur mit ihr allenfalls ist die 
Selöstgerechtigkeit zu entschuldigen, die seine Inhalte als die 
Lösung der Welträtsel preist. Sie sind es so wenig, daß man über 
das seinen Erkenntnissen und Formulierungen nach etwas ver 
spätet erschienene Buch kaum ein Wort zu verlieren brauchte, be 
sähe es nicht einen merkwürdig utopischen Zug. Um seinet- 
willen allein verdient es Beachtung, wie unzureichend immer er 
sich darstellt. , 
Die Welt von der Materie an bis zum Bewußtsein wird rn 
dem Werk als eine Mannigfaltigkeit gedacht, in die das Streben 
nach Einheit eingetan ist. Ihre UrLraft ist die der Anziehung, die 
auf harmonische Vereinigung aller Teile dringt. Aber dem Ver- 
Lindungsstreben treten immer von neuem Widerstände entgegen, 
die sich als Wstoßungen geltend machen. Durch das Spiel der 
Kräfte entstehen fort und fort weitere Differenzierungen; je mehr 
ihre Zahl anschwillt, desto größer werden die Möglichkeiten der 
Abstoßung, desto entscheidender die Triumphe des Einheitstrach 
tens über die auseinanderklaffenden Gebilde. Hellmund bemüht 
sich, im Material zu verdeutlichen, wie die Grundkräfte sich auf 
dem Gebiet des Anorganischen auswirken, wie infolge ihres stän 
digen Konflikts und seiner Lösungen auf dem Anorganischen das 
Organische sich aufbaue, dem dann als höhere OLMivationsstufe 
die Seele entwachse. Ihre Träger sind die Individuen. Da 
sie unverkümmert sich zusammenschließen sollen (statt daß der Zu 
sammenschluß sich auf ihre Kosten vollzieht), setzt die Anziehungs 
kraft ihrem Machtstreben nicht nur kein Hindernis entgegen, son 
dern drückt sich in ihm aus; vorausgesetzt, daß es sich um ern aus 
menschheitliche Bindung Mietendes Machtstreben hand^ nrcht 
um das egozentrische des Subjektivismus, in dem der blinde Av- 
stoßungZwille sich verkörpert. Das schöpferische Genie, dem allem 
an der VerwirMchung seines Werkes gelegen ist, wird von 
geradezu hymnisch gefeiert. Es ist nach ihm vom richtigen Macht 
streben erfüllt, es stiftet neue, bisher ungeahnte Verbindungen, es 
hudelt im Sinne der letzten „Weltstreb enstendenz". 
Durch das weitmaschige Netz dieser ein wenig vulgären Ober 
begriffe wird die ganze Welt auf den dreizehnhundert weiten Ym- 
durchgetrieben. Von der Physik geht es Zu der Chemie und Bio 
logie, überall herrschen Anziehung und Abstoßung, Me siegt stets 
über diese. Wir gelangen zur Seele, wir treiben Politik erkenn^ 
daß Demokratie nur Gleichheit gemäß der mdwrdue^ 
Rangstufe bedeuten könne und der Sozialismus bestenfalls als 
Gesinnung ehrenwert sei. Das Verhältnis der Geschlechter wird 
als der Ausdruck und die Bewältigung der Urpolarrtät begriffen. 
In der Aesthetik erhält die Musik den Ehrenplatz: em Zeichen 
der Beeinflussung Hellmunds durch Schopenhauer, dessen Ge 
schimpfe er bei der Verherrlichung des Genius noch ubertrffft. 
Zum Beweis der folgende Satz, der auch als Stilprobe dienen 
mag: „... der menschliche Pöbel ist dessen nicht wert, was der 
Genius ihm bringt; denn er ist viel zu gemein, zu infam und zu 
blöde dafür." Ist dies Geniekult? Der Autor antwortet: „Dies 
ist kein romantischer ,Geniekult', sondern die klassische Rang 
ordnung..." — Das Brrch mündet in ein Kapitel: „Die Wteta- 
phyfik des deutschen Wesens, in dem den Deutschen zur Ent 
schädigung für ihre tragische Unfähigkeit, die Gegenwart Zu be 
statten, die Metaphysik (neben der Musik) als ihr eigentliches 
Gebiet angewiesen und die geistige Erneuerung Europas über 
antwortet wird." / . _. 
In das System sind nun zwei Gedanken eingebaut, die aus 
^fremden Regionen stammen und stch durch wer weiß welche Mater 
den Zugang erzwungen haben. Der eine besagt, daß die Welt eine 
Geschichte habe; das Ziel der Geschichte aber sei die Ruhe des 
entfalteten und zur harmonischen Einheit gediehenen Universums. 
Hieraus gefolgert wird: die heute bekannte Natur gehört der Früh- 
zeit der Geschichte an, ibre Planetensysteme, Kreisläufe und Pendel 
schwingungen sind vergänglich, weil sie alle noch dem Abstoßungs- 
streben" sich unterwerfen. Aehnlich werden auch die kriegerischen 
Auseinandersetzungen der bisherigen Menschheit als Kreisläufe ge 
kennzeichnet, die nach und nach einer ^kontinuierlichen Strebens- 
linie" weichen. Oder, wie es an anderer Stelle heißt: die Empirie 
ist grundsätzlich erlösbar. — Der Zweite, in dieser Umgebung nicht 
minder ungewohnte Gedanke nimmt vor der endgültigen Ver 
einigung der aufs äußerste differenzierten Individuen eine Epoche 
der furchtbarsten Abstoßung aller Individuen an. Die apokalyp 
tischen Wehen werden von dem Verfasser in die Gegenwart ver 
legt, die er die Zeit der „Ebbe und Minderung aller verbindenden 
geistigen Kraft" nennt. Diese Erkenntnisse meinen große Such- 
schalte, die auch von der Theologie getroffen worden sind. Durch 
ihre Einführung wird versucht, dem Weltganzen die Richtung auf 
das En d e derZeit hin zu erteilen und alle Erscheinungen an 
ihren historischen Ort zu stellen. Die Ungerechtigkeit etwa ist als 
Zeichen des vorerst noch unentwickelten Zustandes der Welt 
gedeutet. — 
Das ganze Werk ist ein eklektisches Scheinsystem, das Trümmer! 
aus verschiedenen Weltgegenden zur formalen Einheit zusammen^ 
stückt. Es hat, bewußt oder unbewußt, seine wesentlichen Begriffe 
der deutschen romantischen Naturphilosophie ent 
nommen, die den Geist bruchlos aus dem Organischen hervorgehen 
läßt, der das Universum selber zum Organismus und das Genie 
zur Krone der Schöpfung wird. Von Nietzsche holt es den 
Machtbegriff, den es, seinen Leitgedanken gemäß, korrigiert, von 
Schopenhauer den entsprechend abgewandelten (Veröln- 
dungs-) Drang, der die Welt durchwirkt. Herrschte nur diese Ter 
minologie, so wäre das Werk nichts weiter als ein banaler Nach 
zügler der offen pantheistischen Systeme, die der deutsche 
Idealismus im vorigen Jahrhundert gezeitigt hat. Sie sind dorr 
der Kritik längst erhellt und naiv nicht mehr Zu wiederholen. 
Einzig jene verzerrt utopischen Gedanken und die kühn aus 
ihnen gezogenen Folgerungen verleihen Teilen des Buchs Realität 
und Bedeutung. Sind sie mit seinen naturphilosophischen Lehren- 
die in dem Begriff des Organismus gipfeln, auch äußerlich ver- 
woben, so stehen sie ihnen in Wahrheit doch fremd und unversöhn 
lich gegenüber; denn in einem System, das den Geist in die Natur 
einbezieht und die JnsichgsschloffenheLL des Naturzusammerchan 
behauptet, kann die Erlösung der bloßen Natur nicht mitgedacht 
sein. Indessen, es spricht für den Autor, daß die Gedanken von deü 
Endzeit und der Apokalypse in seine abgegriffene Terminologie 
haben eindringen können und den sonst vertretenen Organizismus 
sprengen, ohne daß er selber es gewahr wird. Dünnen Adern gleich 
durchziehen sie gigantische Blöcke Loten Gesteins. 
' Dr. S. Krakauer.
	        

Hinweis zum Volltext

Die OCR-Ergebnisse sind experimentell.

Cite and reuse

Cite and reuse

Here you will find download options and citation links to the record and current image.

Manuscript

METS MARC XML Dublin Core RIS Mirador ALTO TEI Full text DFG-Viewer OPAC
TOC

Image

PDF ALTO TEI Full text Mirador
Download

Image fragment

Link to the viewer page with highlighted frame Link to IIIF image fragment

Citation links

Citation links

Manuscript

To quote this record the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Image

To quote this image the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Citation recommendation

Please check the citation before using it.

Image manipulation tools

Tools not available

Share image region

Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

Contact

Have you found an error? Do you have any suggestions for making our service even better or any other questions about this page? Please write to us and we'll make sure we get back to you.

Which word does not fit into the series: car green bus train:

I hereby confirm the use of my personal data within the context of the enquiry made.