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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Ein Zeichen der Jllusionslosigkeit, mit der die Sowjetregierung 
das Mögliche in Angriff nimmt, statt sofort Zielen nachznjagen, 
die noch nicht durchaus spruchreif sind, ist das Nebeneinander dreier 
verschiedener Wohntypen. Der erste ist das JndividualhauS 
im Wert bis zu 10000 Rubel, das vielfach vorherrscht, obwohl 
es keineswegs dem Streben nach Kollektivisierung entspricht. Der 
Zweite ist das K.ollektiv Haus, das Gruppenküchen enthalt, 
die eine Unterbringung pon Küchen in den Wohnungen selber 
überflüssig machen. Der dritte, das Kommunehaus, ist der 
radikalste. Ein solches Haus beherbergt 400 lis 800 Menschen, 
deren jedem 6 bis 9 Quadratmeter Zustehen —- eine erschreckend 
geringe Fläche, die aber angesichts des gegenwärtigen Wohnungs 
mangels und der Verhältnisse im Zaristischen Rußland in vielen 
Distrikten immer noch einen Zuwachs an persönlichem Lebens 
spielraum bedeutet. Abgesehen von den Zimmern ist allen Mit 
gliedern der Kommune alles gemeinsam: der Speisesaal, der 
Klubraum, die Krippe, der Kindergarten. Die schulpflichtigen Kin 
der kommen ins Schulrnternat. Er versteht sich von selbst, daß 
man im Einklang mit der politischen Kollektivisierung den Pro 
zentsatz der Kommunehauser Zu erhöhen hofft. 
Der Ausführung der nach diesen Gesichtspunkten projektierten 
Städte stehen zahlreiche ernste Schwierigkeiten entgegen. Kann die 
deutsche Industrie ihre Arbeiter nicht beschäftigen, so fehlt es in 
Rußland an Arbeitskräften für die primitivsten Verrichtungen. Dis 
Bevölkerung weiter Landstriche befindet sich noch in völlig unzivili- 
siertem Zustand. Der Mangel an Transportwegen hindert vor allem 
die rasche Erschließung der asiatischen Gebiete. Nicht Zuletzt muß 
der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die Baustoffindustrie 
ungenügend entwickelt ist. Kalkuliert man diese Hemmnisse ein, so 
ist das Arbeitstempo heroisch Zu nennen. Bis Zum 31. Dezember 
wird May 700 000 Menschen angesiedelt haben. Er realisiert den 
Aufbau in „SLoßaktionen" und nimmt Zuflucht zu rücksichtsloser 
Lypisierung und Standardisierung. 
4- 
Das Publikum, das Zum Teil aus Fachleuten bestand, folgte 
mit angespannter Aufmerksamkeit dem durch Lichtbilder unterstütz 
ten Vortrag, der wirklich einen Begriff von den Gedanken-- und 
Arbeitsprozessen im heutigen Rußland vermittelte. Mochte er im 
merhin bestätigen, daß manche dort gemachten Anstrengungen der 
anders gearteten Vorbedingungen wegen auf europäische Verhält 
nisse nicht Zu übertragen sind, so Zeigte er doch nicht minder deutlich, 
daß der ungeheure russische Systementwurf Zu haltbaren Kon 
struktionen fuhrt. S. Kracauer. 
IHrt im Sonderzug. 
Besuch der Reichsbahn-Zentralschule 
Brandenburg-West. 
Berlin, im Juni. 
Der Zug. 
Im Vormittagsfrieden des Potsdamer Bahnhofs ruht der 
Sonderzug. Noch hübscher wäre es, wenn er vom Anhalter 
abginge, weil er dort im Reisetrubel mehr ausfiele. Aber man kann 
nicht alles zugleich haben. 
Schon als Kind habe ich mich danach gesehnt, einmal in einem 
Sonderzug fahren zu dürfen. Solche Züge spielen mitunter in 
Detektivromanen eine Rolle: ein amerikanischer Milliardär mietet 
sich etwa an einer kleinen Station einen Sonderzug, besteigt ihn 
mutterseelenallein und trifft ermordet in London ein. Der im 
Potsdamer Bahnhof dient allerdings weniger verbrecherischen 
Zwecken. Er ist von der Reichsbahndirektion Berlin 
zusammengestellt worden und soll die Vertreter der Presse zur 
Reichsbahn-Zentralschule Brandenburg-West 
bringen. Leider liegt sie nur eine Stunde Bahnfahrt von Berlin 
entfernt. 
Die Organisation dieser Studienreise ist bereits ein Wunder 
der Technik. Jeder Teilnehmer erhält einen graphischen Fahrplan, 
aus dem er ersehen mag, um welche Zeit ihm welche Züge während 
der Hin- und Rückfahrt begegnen; er wird einer bestimmten Be 
sichtigungsgruppe zugewiesen, ehe noch etwas zu besichtigen ist; er 
erfährt zu seiner Beruhigung, daß die Lokomotive 31 cdrn Wasser 
faßt — kurzum, für die Dauer von 5 Stunden und 46 Minuten 
ist er unverrückbar eingegliedert und untergebracht. Eigentlich 
brauchte er gar nicht mitzureisen, denn die Dispositionen sind so 
genau festgelegt, daß er die Fahrt gewissermaßen vor ihrem Antritt 
gemacht hat. 
Der Sonderzug selber besteht aus zwei modernen D-Zug 
wagen I. und II. Klasse, einem Eilzugwagen neuer Bauart, in dem 
nan sehr bequem eilen kann, und zwei Unterrichtswagen. Diese 
der fortlaufenden Instruktion des Personals dienenden Wagen 
werden von Wanderlehrern bewohnt, die wie Zirkusbesitzer durchs 
Land reisen, an allen möglichen Stationen Station machen und 
sich nach Erledigung ihrer Pflichten wieder an einen Zug anhängen 
lassen. Auf dem Bahnsteig verwandelt sich das. gehobene Gefühl, 
einen Sonderzug zu benutzen, geradezu in einen Höhenrausch. 
Dank der Zuvorkommenkeit der Schaffner, die keine Billette knip 
sen, sondern zum Empfang salutieren. Sie müssen — aus Gründen, 
die man noch kennen lernen wird — außerordentlich kluge Leute 
sein. 
3 0 Perser. 
Die Reichsbahn-Zentralschule, vor deren Hauptportal der 
Sonderzug hält, ist während des Krieges ein Feuerwerkslabora 
torium gewesen. Ein behäbiger Gebäudekomplex, der so freundlich 
arsfleht, daß niemand von selber auf den Gedanken geriete, es sei 
Munition in ihm hergestellt worden. Aber auch manche Giftgase 
sollen sich ja ins Gemüt einschmeicheln. Jetzt werden in dem idyl 
lischen Besitztum, das fern von der Eisenbahn zu liegen scheint, an 
die es unmittelbar grenzt, sowohl Unterrichtskurse für Dienstan ¬ 
fänger wie ErgänzungSlehrgänge für untere und mittlere Beamte 
abgehalten. Mehrere Wochen lang leben die Schüler in der An 
stalt wie in einer weltabgewandten Akademie. Sie haben nette 
Zimmer, ein Kasino und modern ausgestattete Schulräume und 
Laboratorien. In einem Klassenzimmer sind die Bänke sogar mit 
Stahlbeinen versehen, die sich eisenbahntechnisch krümmen. 
Reichsbahnbeamte wirken als Lehrer. Einer erzählt nicht ohne 
Genugtuung von 30 Persern, die hier vor etlicher Zeit ihre Aus 
bildung genossen. Es seien intelligente, leidenschaftlich veranlagte 
Jünglinge gewesen. Als sie nach Persien zurückkehrten, um im 
Betrieb der neu erbauten Eisenbahnen ihrer Heimat tätig zu sein, 
hätten alle Zeitungen Teherans ihre Verdienste in Wort und Bild 
ausführlich gefeiert. 
Einige von ihnen hätten inzwischen schon dicke Bücher über das 
Eisenbahnwesen im allgemeinen und im besonderen geschrieben. 
Sicherheit. > 
Aengstlichen Reisenden wäre die Teilnahme am Unterricht zu 
empfehlen, da er ihnen bewiese, welches Gewicht die Reichsbahn 
auf Betriebssicherheit legt. Wie ein Versuch im Lehrstellwerk ver 
anschaulicht, werden zum Beispiel die Weichen nicht nur gestellt, 
vielmehr überdies durch schikanöse Maßnahmen in ihrer neuen 
Lage befestigt. Ein Schülergruppe auf dem Lehrbahnhof übt die 
Sicherung der freien Strecke. Ist etwa ein Abschnitt unbefahrbar, 
so wird der Lokomotivführer schon 700 Meter vorher durch Knall 
signale auf der rechten Schiene davon benachrichtigt, daß er bremsen 
muß. Nach diesem Blick hinter die Kulissen, werde ich nie mehr 
die Harmlosigkeit Zurückgewinnen können, mit der ich bisher Eisen 
bahn fuhr, sondern unterwegs alle Signale beargwöhnen. Nur eines 
ist mir unerklärlich geblieben: wie bei so vielen Schutzvorrichtungen 
Eisenbahnunglücke überhaupt möglich sind. Theoretisch sind sie 
jedenfalls ausgeschlossen. Aber wahrscheinlich spottet die mensch 
liche Unvollkommenheit auch der vollkommensten Erfindungen, und 
wie sie Gesetze Übertritt, so überfährt sie manchmal Signale.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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