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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

f wegungen, welche alles Frühere für nichtig erklären, im Recht, 
denn es ist noch nichts geschehen." Welt-fremd fällt dieser 
Gedanke mit der Tür ins Haus der Welt; allzu angenähert 
ihrer Sprache, um Nicht Verwechslungen ausgesetzt zu sein. 
Die Entschiedenheit, mit der er die Radikalität geistiger Be 
wegungen bejaht, schöpft ihr Recht aus der Ahnung vom 
wahren Weg. Auf ihn die Revolution hinzuführen, vermeidet 
Kafka, vielleicht aus jener eben erwähnten Unsicherheit; aber 
er verdeutlicht dafür an verschiedenen Stellen seine Ahnung, 
Das Dach des niedrigen Lebens zu öffnen: allein die Gemein 
schaft besäße nach ihm diese sprengende Kraft. Der forschende 
Hund erkennt, daß er nicht nur das Blut mit seinen Mit- 
hmrden gemeinsam hat, sondern auch das Wissen, und nicht 
nur das Wissen, sondern auch den Schlüssel zu ihm. „Eisernen 
Knochen, enthaltend das edelste Mark, kann man nur bei- 
kommen'durch ein gemeinsames Beißen aller Zähne aller 
Hunde." Und die verwandte Lehre in der Schrift: „Zur 
Frage der Gesetze" lautet: „Das für die Gegenwart Trübe... 
erhellt nur der Glaube, daß einmal eine Zeit kommen wird, 
wo die Tradition und ihre Forschung gewissermaßen aufat 
mend den Schlußpunkt macht, alles klar geworden ist, das Ge 
setz nur dem Voll gehört und der Adel verschwindet." Hier 
und dort wird der mit der Gemeinschaft Verlorene darauf ver 
wiesen, sich mit ihr zu retten, ohne daß er allerdings eine Ge 
währ für die Rettung hätte. Es gibt keine Sicherung, und daß 
neben dem Glauben an eine kommende diesseitige Rettung der 
andere steht, die Verwirrung der Welt sei in der Welt untilg 
bar, ist selber nicht eigentlich verwirrend. „Man entfaltet sich 
in seiner Art erst nach dem Tode", wird in einem Aphoris 
mus formuliert, „erst wenn man allein ist. Das Totsein ist für 
den Einzelnen wie der Samstagabend für den Kaminfeger, sie 
waschen den Ruß vom Leibe." Oder erfolgt der Durchbruch 
doch nicht erst nach dem Tode? Die Legende: „Das Stadt 
wappen" schließt mit den Sätzen: „Alles was in' dieser Stadt 
an Sagen und Liedern entstanden ist, ist erfüllt von der Sehn 
sucht nach einem prophezeiten Tag, an welchem die Stadt von 
einer Riesenfaust in fünf kurz aufeinanderfolgenden Schlägen 
Zerschmettert ^rden wird. Deshalb hat auch die Stadt die 
Faust im Wappen." Ob aber die Sagen und Lieder zutreffen, 
die von der Zerstörung des Baues melden, und welcher Aus 
blick sich uns dann bietet, ist nicht gewiß. „An diesem Ort", 
sagt Kafka einmal, „war ich noch niemals: anders geht der 
Atem, blendender als die Sonne strahlt neben ihr ein Stern." 
Mit der unbestätigten Sehnsucht nach dem Ort der Freiheit 
bleiben wir hier. 
Gin ferner Kerl. 
Analyse eines Ufa-Films. 
Berlin, im September. 
Obwohl ich mir am Ende den Vorwurf zuziehe, daß ich ein 
leichtes Sujet zu ernst nehme — tatsächlich verträgt richtige Leichtig 
keit jede Belastung —, kann ich doch der Versuchung nicht wider 
stehen, den neuen Ufa-Tonfilm „BombenaufMonte C a r l o" 
zu analysieren. Er ist unter der Produktionsleitung Erich Pommers 
von Hanns Schwarz inszeniert worden, und Zweifellos setzt man 
große Stücke auf ihn. Die Beschäftigung mit ihm ist um so lohnen 
der, als er die kommende Saison eröffnet und durchaus dem 
Produktionsprogramm der Ufa entspricht, das in Notzeiten wie den 
unsrigen vom Film nicht Aufklärung fordert, sondern Zerstreuung. 
In dieser Filmoperette ist die entscheidende Pointe die: ihr 
Held, der Kommandant irgendeines Balkan-Kriegsschiffes, fährt 
entgegen der ihm zuteil gewordenen Instruktion nach Monte Carls, 
verspielt dort die Gelder, mit denen er seine Mannschaft hätte ent 
lohnen sollen, und erklärt dann dem Spielsaalinspektor, daß er das 
Kasino beschießen werde, wenn man ihm nicht hinnen 24 Stunden 
die verlorene Summe zurückerstatte. Und wirklich trifft er an Bord 
seines Schiffes alle Anstalten Zum Feuerüberfall, und daß die 
Kanonen nach der festgesetzten Frist doch nicht losgehen, ist keines 
wegs seiner Einsicht, sondern nur den äußeren Umständen zu dan 
ken. Nicht die Unmöglichkeit eines solchen Vorgangs wird der 
Operette verübelt werden können; wohl aber seine Anrüchigkeit. 
Was stellt er denn dar? Dem unvoreingenommenen Blick, den das 
Schimmerlicht Monte Carlos nicht blendet, enthüllt er sich als eine 
Veruntreuung die durch eine brutale Erpressung noch erheblich 
verschlimmert wird. Vertrauensbruch, Defraudation und widerrecht 
liche Anwendung von Gewalt: ein reizender Tatbestand. Das bietet 
die Ufa zwischen ein pa<y: harmlosen Gesängen, Liebesszenen und 
Landschaftsbildern dem Publikum an, das nennt sie wahrhaftig 
Zerstreuung. Aber diese Zerstreuung zerstreut uns nicht inmitten 
der Not; sie beweist höchstens, daß die Not viele Hemmungen und 
Gewissensskrupel zerstreut hat. 
Da kein Zuschauer die Verfehlungen des Helden gutwillig Hin 
nahme, müssen sie sanktioniert werden. Nichts einfacher als das. 
Indem man den Helden als einen „Kerl" hinstellt, glaubt man 
seine Handlungsweise nicht nur entschuldigt, sondern gar in höhere 
Sphären erhoben Zu haben. Freund und Geliebte stimmen am 
, Schluß darin überein, daß er trotz seiner Charakterlosigkeit der 
feinste Kerl sei, den es überhaupt gebe. Natürlich wird er von 
Hans Albers gespielt, dessen Bestimmung nachgerade zu sein scheint, 
den Typus des feinsten Kerls Zu verkörpern." Wider das Kerltum 
wäre nun kaum etwas einzuwenden, wenn es nicht an eine Stelle 
aufrückte, die ihm nicht Zukommt. Statt daß der Prachtkerl sich Lei 
allem Leichtsinn und Uebsrmut den Moralbegriffen unterordnet, dis 
eine gesittete Gesellschaft Zusammenhalten, erlaubt er sich, was ihm 
gefällt und ernennt sich selber Zur letzten Instanz; statt daß er sich 
durch die Gesetze begrenzen läßt, macht er seine Art zum Gesetz. 
Ungestraft und nur, weil er ein Kerl ist, darf der Hell» des Films 
den Kasinoverwalter einlochen und die nichtsahnenden Besucher 
Monte Carlos in Schrecken versetzen. Ihn Zum Idol emporsteigern, 
heißt nichts anderes, als dem blinden Triebleben den Primat vor 
der Vernunft Zu erteilen, mit der die menschliche Gemeinschaft sich 
selbst einschränkt, um zu bestehen. Die bloße Natur wird Zum 
Trumpf und ihre unkontrotlierbaren Ansprüche erniedrigen die 
des Rechts. 
Ein Rückfall ins Mythologische, der vermutlich die weltanschau 
lichen Bedürfnisse des rechts orientierten Publikums befriedigt. 
Und wie um ihnen noch mehr entgegenzukommen, hat die Ufa auch 
die Tatsache ausgenutzt, daß von der unkritischen Naturanbetung 
nur ein Schritt Zur Vergötzung- des militärischen Apparates ist. 
Das Atelier-Schlachtschiff blißt, der Wastenrock des Kommandan 
ten blitzt, und auch die Matrosen sind blitzende Kerls. Ohne zu 
murren, befolgen sie den Befehl, die Kanonenrohre auf das Kasino 
zu richten, und durch ihren unangebrachten Gehorsam wird nach 
dem Willen der Ufa nicht etwa die Militärspielerei desavouiert, 
sondern umgekehrt: das kriegerische Matrosenleben dient dazu, die 
Erpresserallüren mit einer Gloriole zu umweben. Der Betrug scha 
det nicht der Uniform; diese vielmehr erhöht den zweifelhaften Kerl 
vollends Zum Staatskerl, dem der Betrug nachgesehen werden muß. 
Trauriger beinahe als diese Haltung, die, wenn ich mich nicht 
täusche, für Zahlreiche Ufa-Produkte und damit selbstverständlich auch 
für weite KpMe des Publikums bezeichnend ist, stimmt die Fülle 
der in dM^ Film gesteckten Arbeir. Sie ist in einem entscheidenden 
Sinne wertlos. Denn die Ehrlichkeit im kleinen macht die Frag- 
würdigkeit des Ganzen nicht gut, sondern wird durch sie nur ent 
wertet, und der auf die Details verwandte Fleiß unterstreicht un 
nachsichtig die Denkfaulheit, durch bie das Erzeugnis verschuldet 
worden ist. Ihr sind wohl auch jene Szenen Zuzuschreiben, die 
plump den einen oder anderen Effekt des Films: „Liebes-Parade" 
zu kopieren versuchen, ohne daß es ihnen gelänge, seine Anmut mit 
herüberzunehmem Arme Anna Sten, die in einer solchen Umwelt 
austreten muß; sie ist — man weiß es aus dem Karamasoff-Film — 
zu viel, um in ihr etwas zu sein. (Der Film läuft seit gestern in 
Frankfurt.) 
s 
Ich gedenke noch mit einem SLichwort zweier gerade in Berlin 
laufender Filme französischer Herkunft. Der eine: „König der 
Nassauer" ist eine Art von lustigem Pariser Volksstück — eine 
nicht unsympathische, aber derbe und zu sehr auf den internationalen 
Geschmack abgestimmte Arbeit, die von den Motiven amerikanischer 
Groteskfilms geschickt Gebrauch macht. Stärker berührt mich trotz 
aller Schwächen und Knalleffekte der Fabel die sehenswerte deutsche 
Version des in Paris von Augusts Genina gedrehten Films 
„M i L t e r n a ch t s l i e b e", der ausgezeichnete französische Milieu 
schilderungen und stilstchere schauspielerische Leistungen bringt. 
8. Lraeausr.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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